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Fest der Stimmen


 
 

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Zu Gast bei Stimmenliebhabern

Schöne Aussichten gehören zum Reisen dazu. Der Hans-Gabor-Belvedere-Gesangswettbewerb hält Ausschau nach schönen Stimmen und beginnt gleichzeitig, die Welt zu erkunden: In diesem Jahr ist er an der Deutschen Oper am Rhein in Düsseldorf zu Gast. Und es ist wie auf jeder Reise: Einige Umstände sind noch verbesserungswürdig, beim Gastgeber stößt man auch nicht nur auf aufgeschlossene Menschen. Dennoch kann man wunderschöne Erinnerungen mit nach Hause nehmen.

Früher kamen die internationalen Jung-Sänger in die Heimatstadt des Hans-Gabor-Belvedere-Gesangswettbewerbs nach Wien. 2013 ging der Wettbewerb auf seine erste Reise nach Amsterdam. Dieses Jahr werden in der 33. Auflage die Preisträger im Opernhaus von Düsseldorf gesucht und gefunden, nachdem die Finalrunde zuvor auch im Robert-Schumann-Saal stattgefunden hat. Mehr als 1300 junge Sänger wollten gerne kommen, bis zum Finale wurden die Teilnehmer auf 17 Künstler dezimiert. Für ein Finale fast zu viel, kann man sich in diesem Arienmarathon doch kaum ein komplettes Bild von den Fertigkeiten der Sänger machen. Wettbewerbsdirektor Holger Bleck vertraut auf die 14-köpfige Jury. „Unter den Teilnehmern der Endrunde war so ein großes Potenzial, das die Jury dem Publikum nicht vorenthalten wollte und daher 17 Sänger ausgewählt hat.“

Vertrauen hin, Vertrauen her. Die Quantität-Qualitäts-Gleichung geht nicht ganz auf. Innerhalb der Finalisten macht man eine große Bandbreite im künstlerischen Niveau aus. Bei sehr ordentlich fängt es an, bei erstklassig hört es auf. Da wäre noch Spielraum gewesen, das Finale fokussierter zu präsentieren. Doch schöne Musik bereitet bekanntlich keine Schmerzen, und die Duisburger Philharmoniker unter dem etwas müde wirkenden Axel Kober, der derzeit zwischen Bayreuth und Düsseldorf hin und her reist, geben ihr bestes, den Sängern eine gute Stütze zu sein. Ganz besonders gut bestellt ist es an diesem Abend um die Damen, was nichts anderes bedeutet, als die Qual der Wahl zu haben: Die spanische Mezzosopranistin Carolina Garcia beweist als Rosina Freude an der Virtuosität, und Kiri Deonarine bewegt mit der Arie Regnava nel silenzio die Herzen. Shiobhan Stagg überrascht mit einer unerhört mühelosen und beeindruckenden Klangproduktion, die die Arie Depuis le jour zu einem Ereignis macht. Irina Churilova meistert brillant Arie und Cabaletta der Trovatore-Leonore und bekommt dafür prompt den ersten Preis der Jury zugesprochen. Indes geht auch Stagg nicht leer aus, die den Medienpreis der zusätzlich aufgestellten Medienjury abräumt.

Auch von den Herren wissen zwei sich nachdrücklich Gehör zu verschaffen: Für seine profunde Lust an La Calunnia – der Verleumdung – gewinnt der Südkoreaner Il Do Song den dritten Platz. Siyabulela Ntlale setzt seine Prachtstimme mit humoristisch übertriebenem Elan für Falstaffs Vortrag über L’onore - die Ehre – ein und gewinnt den zweiten Platz. Er ist einer von vier südafrikanischen Finalisten. Für Holger Bleck ein Indiz für das dort schlummernde Potenzial, und daher geht der Belvedere-Flieger im übernächsten Jahr nach Kapstadt. Vielleicht kann das Unternehmen, das dem Namen nach ja schöne Ausblicke auf die gesangliche Zukunft gewährt, noch ein paar Formalitäten optimieren. Für das Publikum wären ein paar ausführlichere Informationen über die Sänger und die Jury empfehlenswert. Schließlich möchte man ja wissen, mit wem man es zu tun hat. Auch wird der Moment der Preisverleihung verschenkt. Die zahlreichen Preise und Engagements, die man beim Belvedere gewinnen kann, müssen von Bo van der Meulen, der den Abend kurzweilig in einem Deutsch-Englisch-Gemisch moderiert, heruntergerattert werden. Die Entschuldigung, dass ein Jury-Mitglied morgens um sechs einen Flug bekommen muss, ist fehl am Platz. Schade für die jungen Talente, die nicht zu den großen fünf Preisträgern gehören. Immerhin für diese darf dann applaudiert werden, für den ersten Platz gibt es sogar Trommelwirbel. Da stellt sich dann noch wenigstens ein Hauch von Stimmung ein.

Trommelwirbel für die Gewinnerin

Für diese steuert immerhin das Publikum einiges bei, sieht man mal von den üblichen notorischen Störenfrieden ab: Selbstdarstellerisch herum zappelnde Medienvertreter, kommentierende Nachbarn, Handyklingeln – alles ist dabei, was einem die schönsten Momente vermasseln kann. Doch der differenzierte, sich bis ins Enthusiastische steigernde Applaus zeigt, dass die musikalische Botschaft angekommen ist. Das Publikum stellt sich selbst das Zeugnis eines Stimmenliebhabers aus, denn Churilova gewinnt obendrein verdient noch den Publikumspreis. Allerdings könnte es sein, dass es mehr Stimmzettel als Zuschauer gab. Denn manch einer wird die Chance genutzt haben, die sehr freigiebig verteilten Stimmzettel auch abzugeben. Letztendlich auch nur eine Art von Begeisterung. Die Stimmung stimmt also in Düsseldorf, und dementsprechend zufrieden ist Intendant und Jurymitglied Christoph Meyer, der sich nicht dagegen sperrt, den Wettbewerb noch mal auszurichten. Aber: „Das hängt nicht nur von mir ab.“ Immerhin hat er auch einen Sänger für das Opernstudio an der Deutschen Oper am Rhein ins Auge gefasst. Mehr verrät er noch nicht und gesellt sich auf eine gut gelaunte After-Show-Party. Die Reise auf der Suche nach den „Stars von morgen“, wie die hochzufriedene Isabella Gabor es ausdrückt, geht im kommenden Jahr weiter an einen bereits bewährten Standort: Amsterdam. „Wie in Düsseldorf hatten wir auch hier letztes Jahr eine gute Zeit“, erzählt Gabor, ehe sie sich aufmacht, den glücklichen Preisträgern zu gratulieren.

Christoph Broermann, 7.7.2014

 


140 Sängerinnen und Sänger traten
zu den Endrunden des Internationalen
Hans Gabor Belvedere
Gesangswettwerbs in Düsseldorf an.


Große Freude nach dem Wettbewerb:
Die Sieger stehen fest. V.l.n.r.: Il do
Song, Irina Churilova, Siobhan Stagg,
Siyabulela Ntlale.


Die Duisburger Philharmoniker unter
Leitung von Axel Kober unterstützen
die Sänger nach Kräften
.


Irina Churilova überzeugt Jury und
Publikum. Gleich beide Preise heimst
die Sopranistin aus Russland ein.


Die Australierin Siobhan Stagg
begeistert die Medien-Jury mit Depuis
le jour
.

Fotos: Susanne Diesner