Fundus   Kommentar    Backstage     Medien     Medientipps     Kontakt     Impressum    Wir über uns  
   Dossier    Kleinanzeigen     Links     Facebook     Partner von DuMont Reiseverlag  
     

NEWS 

Was von Detroit bleibt


 
 

zurück       Leserbrief

Wenn Kultur zerfällt

In den deutschen Nachrichten war es eher eine Randnotiz, als die Stadt Detroit in Amerika ihren Bankrott erklärte. Seitdem verfallen die Stadt und vor allem ihre kulturellen Institutionen langsam, aber unaufhörlich. Was in Deutschland bislang als undenkbar gilt, können auch einzelne Projekte nicht verhindern. Eine Momentaufnahme.

Aus dem Fahrstuhl im zweiten Stock führen dunkle Marmorgänge in die kühlen Businessetagen des Michigan-Building im Herzen von Detroit. Durch eine Seitentür öffnet sich ein riesiger Raum, eine Halle, die über drei Stockwerke reicht: Man ist erschlagen, erschüttert! Beim näheren Hinsehen entdeckt man eine riesige, den ganzen Raum überwölbende Hallendecke, reich verziert mit renaissanceähnlichem Stuckwerk. Auf Pfeilern ruhen reich verzierte Kapitelle, über dem Eingang sind die Reste einer alles beherrschenden Krone zu erkennen: Wir stehen im Zuschauerraum und Foyer des 1926 eröffneten Michigan-Theater und blicken fassunglos auf diesen Verfall, diese Zerstörung. Das als Film- und Showtheater gegründete und, wie in den USA üblich, privat betriebene Theater sah Showgrößen wie die Marx Brothers, Louis Armstrong und Frank Sinatra, bis es 1976 infolge der wachsenden Arbeitslosigkeit in Detroit geschlossen und kurzerhand in ein Parkdeck umgewandelt wurde.

Eine Erholung gibt es nicht in Detroit, die Stadt erklärte im Juli 2013 ihren Bankrott, der Niedergang ist überall mit Händen greifbar. Heute beherrschen „Adult-Entertainment“-Establishments mit der roten Laterne am Eingang und eine sehr amerikanische Halbkultur um die Hockeymannschaft „Red Wings“ und die Baseballmannschaft „Tigers“ den Kulturbetrieb. Das daneben noch bestehende Opera House, das sich selbst als “the shining star of the broadway and musical scene in Detroit” vorstellt, bringt auch klassische Opern wie La Traviata oder den Fliegenden Holländer auf die Bühne, ist aber mit einem Opernhaus in Europa nicht zu vergleichen. Eintrittskarten kosten zwischen 60 und 550 Dollar.

Detroit ist ein trauriges und ernüchterndes Beispiel für den Niedergang einer urbanen Gesellschaft, der mit der wirtschaftlichen Grundlage auch die Basis für eine unentbehrliche, zuverlässige kulturelle Kraft verloren gegangen ist. Die etwa fünf Meilen von downtown entstandene Künstlerinitiative „The Heidelberg-Project“, in dem freie Künstler kreativ, aber naiv den Niedergang eines Stadtteils aufzuhalten versuchen, zeigt bis heute keine nachhaltige Wirkung. Ohne politische Unterstützung kann ein solches Programm keine andere urbane Wirklichkeit schaffen. Der Ökoladen an der Ecke, ein kleiner Gemüsegarten downtown und die neue Edelkneipe an der Michigan Avenue signalisieren immerhin: Es gibt Bürgersinn und -initiative.

Trotzdem – für längere Zeit ist in Detroit der letzte Vorhang längst gefallen...

Horst Dichanz, 25.9.2013

 


1927 wurde das Michigan Building
in Detroit mit einem strahlenden
Theaterfoyer erbaut.


Wenn für Kultur kein Geld mehr da
ist – macht nix, machen wir ein
Parkhaus draus.


Kultur in Amerika heute.