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Auf der Suche nach der Jugend


 
 

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Abschied von der Jugend

In China zeigt die Jugend, was passiert, wenn man sie vernachlässigt. Bühnen und Zuschauerräume, sofern sie überhaupt noch existieren, bleiben leer. Für die Zukunft der traditionellen Oper sieht es im Land der aufgehenden Sonne düster aus.

Von ehemals 360 Ausbildungsstätten für Lokaloper-Schauspieler wurden in China in den vergangenen 50 Jahren 160 geschlossen, und der Trend hält an. Für die lokale Oper, traditionell auf dem Land beheimatet, inzwischen noch das geringste Problem. Denn ihr fehlt auf beiden Seiten des Grabens der Nachwuchs. „Es ist nicht einfach, das Herz des jungen Publikums zu gewinnen. Die Jugendlichen sind an eine Vielfalt von Unterhaltungsangeboten gewöhnt“, sagt Fu Caiwu, Direktor des Forschungs- und Innovationszentrums für traditionelle chinesische Kultur an der Wuhan-Universität. Die Universität in der Provinz Hubei, 1893 gegründet, zählt zu den renommiertesten Hochschulen der Volksrepublik. So gelingt es der lokalen Oper nicht, sich gegen die modernen Medienangebote zu behaupten. Aber auch der Nachwuchs auf der Bühne bleibt aus. Mehr als die Hälfte der Absolventen von Kunsthochschulen für traditionelle chinesische Opern sind zehn Jahre nach dem Hochschulabschluss nicht mehr auf der Bühne aktiv. Grund ist wohl der große Einkommensunterschied zu anderen Formen der darstellenden Künste. Löhne für Opernsänger sind zu niedrig, staatliche Zuschüsse spärlich und müssen an zu viele Menschen verteilt werden. Selbst die Rente pensionierter Schauspieler wird aus diesen Zuschüssen bezahlt. „Ich kann die Zukunft der lokalen Opern einfach nur pessimistisch sehen“, erklärt Peng Wanrong, Dekan der Kunstfakultät an der Wuhan-Universität. Das war mal anders. In den 1980-er Jahren erlebte die lokale Oper eine goldene Zeit. Die Menschen sehnten sich nach der so genannten Kulturrevolution, die von 1966 bis 1976 stattfand, nach Chinas Traditionen.

Diese Zeiten möchte die Regierung gerne wiederbeleben. Elegant Art goes to Campus heißt das Programm, mit dem das Interesse junger Akademiker für Chinas Tradition geweckt werden soll. Das Prinzip ist so einfach wie umstritten. Die Studenten erhalten kostenlose Eintrittskarten und bekommen parallel Vorträge angeboten, die die Jugendlichen mit der Klassik vertraut machen sollen. Kunstprofessor Wanrong sieht erste Erfolge des Programms als „Eintagsfliege“. Wenn die Neugierde der angehenden Akademiker nachlasse, sagt er, „verlieren auch kostenlose Angebote ihre Anziehungskraft“. Den größten Nachteil sieht er allerdings darin, dass Vorträge nur eine auf Vernunft basierende Einführung böten. „Für die emotionale Bindung an die Kunst braucht man mehr“, sagt er.

Aber auch Mao Weitao sieht in Vorträgen eine wichtige Säule, um junge Zuschauer zu gewinnen. Die Schauspielerin konzentriert sich dabei allerdings eher auf die jungen Menschen in den Städten. 60 Prozent ihrer Yueju-Stücke führt Weitaos Truppe in Städten auf.

Vorträge sind nicht alles

Einen probaten Weg, noch vorhandenes künstlerisches Personal zu binden, sieht Yang Jun, Intendantin des Hubeier Kunstensembles für Traditionelle Opern, in der Verleihung von Preisen und Veranstaltung von Kunstfestivals und Wettbewerben. Die Opernsängerin kam in den 1980-er Jahren zu großem Ruhm. „Einen Preis zu erhalten, ist ein Meilenstein in jedermanns Karriere und kann einen davon überzeugen, diese Branche nicht zu verlassen“, sagt sie. Wanrong hält dagegen, Preise seien für den einzelnen eine schöne Sache, in der Masse erreiche man damit aber nichts. Der Kunstforscher sieht die Lösung eher in der Erschließung neuer Zielgruppen. Wie man aber den neuen Publika den Weg in die Oper ebnen will, dazu äußert Peng Wanrong sich nicht.

Eine Möglichkeit zeigen derzeit die europäischen Medien wie Internet, Fernsehen und Radio auf, die verstärkt auf traditionelle Kunstformen etwa durch Übertragungen hinweisen. Hier werden auch die jungen Leute um ein Vielfaches leichter erreicht, als das mit Vorträgen möglich zu sein scheint.

Wege aus der Krise

Ob die chinesischen Bemühungen nun vom Erfolg gekrönt sein werden oder nicht – eine Warnung können sie auf jeden Fall all denjenigen sein, die allzu leichtfertig bereit sind, überlieferte Werte zu vernachlässigen oder sie gleich ganz zu vergessen. Korrekturen sind nur schwer durchführbar, dauern unverhältnismäßig lang und sind schlussendlich um ein Vielfaches teurer, als die Pflege je gekostet hätte. Die Chinesen sind gerade dabei, es zu begreifen.

Michael S. Zerban, 14.8.2014

 


In China hat sich die Oper vor allem
lokal entwickelt. Eines der bekannten
Beispiele ist die Peking-Oper.


Die Cantonesische Oper spricht wie
auch andere lokale Opern in China die
Jugend nicht mehr an. Andere
Unterhaltungsangebote sind attraktiver.


In der Sichuan-Oper spielt vor allem
die Maske eine große Rolle. Für Opern-
Schauspieler auch finanziell kein
großer Anreiz mehr
.


Die Manbo-Oper steht für die Tradition
der lokalen Oper, die in China vor
allem auf dem Land beheimatet war.


Bunt und vielfältig ist die Tradition der
lokalen Oper. Die chinesische
Regierung versucht, die Kunstform zu
bewahren.