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KOMMENTAR

Januar 2014


 


 

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Ruinöser Erfolg

Es fängt, wie so oft, ganz harmlos an. Die Oper Zürich veröffentlicht ihren Geschäftsbericht unter dem Titel Erfolgreiche Bilanz der Spielzeit 2012/13. Ein Geschäftsbericht unter vielen, die dieser Tage in den Redaktionen einlaufen. Alle vermutlich ein wenig gehübscht, dafür werden die Hersteller dieser Berichte schließlich bezahlt. Und eigentlich ist das Papier schon auf dem Weg in den Papierkorb, als zwei Journalisten nachhaken. Plötzlich gerät die schöne, heile Welt ins Wanken.

Lange umfing der Nimbus des Besonderen das Opernhaus Zürich. Legendär die Auftritte des Intendanten Alexander Pereira, wenn er seine Sponsoren zu den Premieren empfing. Unvergessen auch die Attitüde einer Pressestelle, die sich mehr als Instanz einer Audienzgewährung fühlte, anstatt ihrer Pflicht nachzukommen, Journalisten die Berichterstattung über eine – zu überwiegenden Teilen – mit Steuermitteln geförderte Institution zu ermöglichen. Das ist Vergangenheit. Wollte man meinen. Trat der Nachfolger Pereiras, Andreas Homoki, doch mit dem inzwischen oft zitierten Anspruch an, das Haus „wieder näher ans Volk“ zu bringen. Da wurde schnell gemutmaßt, dass das nicht funktionieren könne – nicht in Zürich. Billigend nahmen das die Verantwortlichen in Kauf. Auch der vorprogrammierte Verlust von Sponsoren sorgte nicht für größere Empörung.

Jetzt ist der erste Geschäftsbericht unter der Intendanz Homoki erschienen. Er trägt den äußerst erfreulichen Titel Erfolgreiche Bilanz der Spielzeit 2012/13. Also alles in Ordnung. Oder? Nicht ganz. Die Journalisten Ewa Hess und Arthur Rutishauser haben nämlich in den Bericht hineingeschaut. Und angefangen, Fragen zu stellen. Eine unangenehme Eigenschaft von Journalisten, die ihren Beruf noch ernst nehmen. In der Sonntagszeitung haben sie laut nachgerechnet, was da in diesem Erfolgsbericht alles so hübsch aufbereitet ist. Da ist dann zu lesen, dass die Besucherzahlen de facto zurückgingen und durch einen Kniff schöngerechnet wurden, bei den künstlerischen Honoraren massiv eingespart wurde, also dem, was ein Haus unter anderem ausmacht, die Abo-Zahlen tatsächlich eher rückläufig sind, die Einnahmen der Gastronomie ins Bodenlose fallen. Dass Sponsoren abspringen, war ja eh schon klar. So weit, so ärgerlich. Die Autoren schließen mit dem Fazit: „Hätte Homoki mit gleich vielen staatlichen Subventionen arbeiten müssen wie Pereira, hätte ein 6-Millionen-Defizit resultiert.“

Ein solcher Befund, egal, ob auf den einzelnen „Stutz“ berechnet oder nicht, ist erschreckend. Anstatt nun aber Farbe zu bekennen und zu den Zahlen zu stehen, reagiert das Opernhaus konform der Homoki-Kommunikation. Am Tag drauf erscheint im Tagesanzeiger ein Beitrag, den man kaum anders als einen Gefälligkeitsartikel betrachten kann. Susanne Kübler erwähnt zwar in etwa die gleichen Kritikpunkte, um sie aber sogleich mehr oder minder geschickt zu entkräften. „Wo der Bericht ein Minus aufweist – bei den Besucherzahlen, beim Einkommen, beim Sponsoring – gehört das zum Erfolgsmodell“, ist da zu lesen. Solche Worte kennen wir von Blücher: „Noch so ein Sieg, und wir sind verloren!“ Kübler schreckt nicht davor zurück, die Leserinnen und Leser des Tagesanzeigers verdummen zu wollen. „Einleuchtender ist die Erklärung mit den häufiger gewordenen pausenlosen Vorstellungen: Dreizehnmal Holländer führen da zu Einbußen von bis zu 70.000 Franken.“ Wer zwingt das Opernhaus zu pausenlosen Vorführungen? Und wer redet über eine Summe von 70.000 Franken? Da wird die Vorstellung lachhaft. Passt aber zu dem Bild, das Kübler aus dem Opernhaus mitbringt. „Und nun sitzt Christian Berger im Intendantenbüro und strahlt wie ein Maikäfer.“

Selbstverständlich sind wir glücklich, wenn ein Kaufmännischer Direktor sich bester Laune erfreut. Aber so relevant ist das nun auch wieder nicht, wenn möglicherweise Millionen-Defizite im Raum stehen. Verräterisch wird es erst gegen Ende des Artikels, wenn Kübler dann doch noch ein wenig über die Situation im Opernhaus referiert. „Es werde grundsätzlich alles schöngeredet: Diesen Satz hört man im Opernhaus öfter.“ Kommunikation aus dem letzten Jahrhundet, möchte der PR-Berater sagen. Dass allerdings dann auch noch ein Leserbrief bei Opernnetz eingeht, der versucht, auf die Berichterstattung Einfluss zu nehmen, ist ein wenig zu viel des Guten. Da heißt es dann im Wortlaut: „Ihre Mitteilung zum Geschäftsbericht des Opernhauses Zürich beruht weitgehend auf falschen Informationen. Für eine objektivere Bewertung siehe – es folgt der Link auf den Artikel von Susanne Kübler – Bitte etwas mehr Sorgfalt in der Recherche!“ Opernnetz ist bekannt dafür, dass neben vielen schönen, nicht schöngefärbten, Berichten auch immer wieder kritisch hinterfragt wird. Auch wenn es einem Intendanten mal nicht so gut gefällt. Aber Opernnetz ist auch immer Vertreter vom Grundsatz der zweiten Chance. Also: Andreas Homoki, erklären Sie uns, wie ein Opernhaus mit rückläufigen Zahlen zum Erfolgsmodell wird.

Michael S. Zerban, 17.1.2014

Kommentare geben die persönliche Meinung der Verfasserin oder
des Verfassers, aber nicht in jedem Fall die Auffassung von Opernnetz wieder.


Ewa Hess, unter anderem
Kulturredakteurin der Sonntagszeitung,
hat den Geschäftsbericht aus dem
Opernhaus Zürich hinterfragt.


Arthur Rutishauser, seit Oktober
vergangenen Jahres Chefredakteur
der Sonntagszeitung, hat mit Hess
gerechnet.


Susanne Kübler ist seit 1998
Redakteurin beim Tagesanzeiger und
dort für den Bereich Klassische Musik
verantwortlich. Sie zeigt, wie man
bedenkliche Entwicklungen äußerst
positiv darstellen kann.


Christian Berger, Kaufmännischer
Direktor am Opernhaus Zürich, ist mit
den Entwicklungen am Haus zufrieden
und „strahlt wie ein Maikäfer“, weiß
Kübler .