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KOMMENTAR

März 2012


 


 

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Vom Ende der Solidarität

Große Zeitungsverlage sind dazu da, Zeitungen zu drucken und damit Geld zu verdienen, sollte man meinen. Die aber entwickeln ganz andere Erlösmodelle. Der neueste Coup: Künstler wegen ihrer Websites abmahnen.

Seit einigen Tagen erreichen Opernnetz immer wieder Anfragen von Künstlerinnen und Künstlern, ob sie Zitate aus Besprechungen bezüglich ihrer Person verwenden dürften. Hintergrund ist der Fall von Bariton Peter Schöne, der Artikel aus zwei großen deutschen Zeitungen auf seiner Site veröffentlicht hat und nun zur Kasse gebeten wurde. Die Praxis ist üblich: Künstlerinnen und Künstler übernehmen Zitate aus Zeitungen und anderen Publikationen auf ihrer Internetseite, um die Qualität ihrer Leistungen zu objektivieren. Aus dieser Praxis leiten nun die Abmahnanwälte zweier deutscher Verlage neue Erlösmodelle ab. Die Verlage reden plötzlich vom Schutz "ihres" geistigen Eigentums. Wie dieses geistige Eigentum zu Stande gekommen ist, darüber reden sie nicht. Es kann nämlich ausschließlich dadurch entstehen, dass die Künstlerinnen und Künstler den Journalisten das Material zur Verfügung gestellt haben, über das sie dann schreiben. Zu diesem Zweck erhalten die Journalisten - auch dieser Verlage - kostenlose Eintrittskarten, eigene Interviewtermine, Probenbesuche und vieles mehr. Solcherlei Dinge sollen also kostenlos in Anspruch genommen werden können, um anschließend den Künstlern das Ergebnis ihrer Arbeit in Rechnung zu stellen. Damit erreicht die Praxis einer verlotternden Rechtsauffassung, insbesondere bezüglich des Urheberrechts, einen weiteren Höhepunkt der Perversion. Eine solche Perversion kann nur dann entstehen, wenn Verlage sich und ihre Erzeugnisse maßlos selbst überschätzen und den Bezug zur Realität verlieren.

Wenn von einer Seite die Solidarität aufgekündigt wird, ist es Zeit, dass sich die andere Seite wehrt. Werden die Journalisten vor Überlassung eines der zahlreichen Presseprivilegien dazu verpflichtet, zunächst eine kostenlose Rechteüberlassung auf spätere Zitate zu unterzeichnen, ist das Problem aus der Welt. Das Argument, dass sich die KollegInnen ja auch eine Karte kaufen können, zieht hier nicht. Denn mit einer Eintrittskarte erwerben sie noch lange nicht das Recht, uneingeschränkt über eine Aufführung zu berichten. Ganz zu schweigen davon, was passiert, wenn Journalisten nicht mehr im Vorfeld mit Informationen gebauchpinselt werden. Hier sei den Häusern dringend Solidarität mit ihren Künstlern anempfohlen. Die Bürgerinnen und Bürger, die sich auf eine qualitativ hochwertige Kulturberichterstattung freuen, werden diese in ihrer Zeitung sicher recht schnell vermissen und sich überlegen, ob sie ein solches Abonnement überhaupt noch brauchen oder sich die Informationen nicht doch lieber im Internet besorgen. Selbstverständlich nicht auf den Bezahlseiten der Verlage, denn da steht dann - nichts.

Was die verunsicherten KünstlerInnen angeht, sollten sie wohl auf Zitate solcher Verlage umgehend verzichten, denn es ist eine denkbar schlechte Werbung, wenn die Namen dieser Verlage auf der eigenen Website auftauchen, die ihre Leistungen missbrauchen. Es gibt genügend andere Qualitätspublikationen, auf deren Urteil man zurückgreifen kann.

Opernnetz jedenfalls bedankt sich bei Intendanzen und Pressestellen, die unsere KorrespondentInnen täglich bei ihrer Arbeit unterstützen. Und deshalb wird Opernnetz die Solidarität nicht aufkündigen. Die AutorInnen freuen sich auch weiterhin darüber, wenn Sätze (oder Absätze) zitiert werden. Zitieren ist hier durchaus im Sinne geübter Praxis und nicht im Sinne von Spitzfindigkeiten übler Abmahnanwälte gemeint, die nun auch noch versuchen, den Sprachgebrauch für sich zu vereinnahmen. Und noch mehr freuen wir uns, wenn der Name des Kollegen oder der Kollegin im Zusammenhang mit Opernnetz genannt und darauf verlinkt wird. Weil wir auch morgen noch kritisch und umfassend über die Musiktheaterlandschaft in Deutschland und der Welt berichten wollen.

Michael S. Zerban, 1.3.2012

Kommentare geben die persönliche Meinung der Verfasserin oder des Verfassers, aber nicht in jedem Fall die Auffassung von Opernnetz wieder.

 

 

 

Was ist passiert?

Informieren Sie sich auch auf
diesen Seiten über die
Hintergründe, die zu diesem Kommentar geführt haben:

Auf der Kulturzeit-Seite von
3sat zeichnet Stefan Braunshausen
die Causa Peter Schöne nach.

Moritz Eggert nimmt in der
Neuen Musikzeitung
eher kommentierend Stellung, verlinkt
aber auch auf einen Artikel von
Silicon, in dem es um die
Pressespiegel in der Wirtschaft
geht.