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KOMMENTAR

April 2012


 


 

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Provinzpolitiker

Kölner Politiker stehen seit je nicht im besten Ruf. Wie die politische Spitze der Stadt allerdings jetzt mit der Oper der Kölner Bürger umgeht, ist schon etwas, was man nicht jeden Tag erlebt. Nunmehr stehen Konsequenzen im Raum, die den Fortbestand der Oper in Köln ernsthaft bedrohen.

Ich muss sie bitten, ihren Spielplanentwurf dem nunmehr zur Verfügung stehenden Zuschuss für die Oper von rund 32 Millionen anzupassen. [...] In jedem Fall weise ich sie an, heute nur das zu anzukündigen, was mit dem jetzt genehmigten Zuschuss zuzüglich der zu erzielenden Einnahmen realisiert werden kann", heißt es in einem offenen Brief des Kulturdezernenten Georg Quander, der vom Stadtpresseamt bereits zwei Stunden vor der Spielplanpressekonferenz an Kölner Pressevertreter verschickt wurde. Der Brief will nicht nur dem Intendanten der Kölner Oper, Uwe Eric Laufenberg, einen Maulkorb verpassen, sondern gleichzeitig über die Geschehnisse hinwegtäuschen. Tatsächlich hat die Oper der Stadt Köln gegenüber immer wieder nachgewiesen, dass sie einen Betriebskostenzuschuss in Höhe von mindestens 34 Millionen Euro benötigt, um den laufenden Betrieb aufrechtzuerhalten. Nicht also, um grandiose Spielpläne zu entwerfen, sondern die Summe, die gebraucht wird, um 700 Arbeitsplätze zu gewährleisten. Dass ein Kulturdezernent sich gegen seinen Intendanten stellt, ist ansich schon ungewöhnlich. Die Handlungsunfähigkeit der Oper offensichtlich in Kauf zu nehmen, grenzt schon an Vorsatz. Dazu passt es, dass der Dezernent der Pressekonferenz fernbleibt und stattdessen seine Vasallen entsendet, um das Geschehen dort zu protokollieren. Auch Oberbürgermeister Jürgen Roters stellt sich der öffentlichen Diskussion nicht. Er weilt in Indien und ist dort "nicht erreichbar".

Das Opernhaus wird demnächst für geschätzte 250 Millionen Euro saniert. Vor diesem Hintergrund wirkt die Diskussion über zwei Millionen geradezu hanebüchen. Welchen Schildbürgerstreich die "Stadtspitze", wie Quander den Oberbürgermeister und sich selbst bezeichnet, da plant, wird nicht ersichtlich. Auch wenn sich ein frisch saniertes Haus weniger schnell abnutzt, wenn es nicht bespielt wird. Dazu trägt auch der Geschäftsführende Direktor der Bühnen der Stadt Köln, Patrick Wasserbauer, sein Scherflein bei. So sind die Künstlerverträge, die bislang für die Produktionen der kommenden Spielzeit abgeschlossen werden konnten, so verteilt, dass de facto nur eine einzige Produktion stattfinden kann. Ausgerechnet die Macht des Schicksals soll es sein. Erklärter Wille der Stadt ist deshalb auch, dass kein Abonnement-Verkauf für die nächste Spielzeit aufgenommen wird. Damit wird die neue Saison für die Stadt wohl etwas teurer werden als die zwei ausstehenden Millionen, denn natürlich sind die Vorarbeiten für die Neuproduktionen längst angelaufen und haben entsprechende Kosten verursacht.

Laufenberg weist ausdrücklich darauf hin, dass bei einem Haus der Größenordnung wie der der Oper Köln eine Vorlaufzeit von drei bis fünf Jahren in Planung und Vorbereitung zur Normalität und Notwendigkeit gehöre. Die Lücken, die jetzt schon gerissen worden sind, werden sich also auf jeden Fall in naher Zukunft bitter rächen. Das nimmt die Politik offenbar in Kauf. Hat eigentlich irgendjemand dieser Politiker noch das Wohl der ihnen anvertrauten Bürgerinnen und Bürger im Auge? Kultur ist ein Grundbedürfnis des Menschen. Und wenn "Stadtväter" dieses Grundbedürfnis missachten, stellt sich die Frage, ob sie eigentlich gerechtfertigt in Amt und Würden verbleiben.

Die Oper Köln hat sich nach Jahren des Dahinvegetierens innerhalb kürzester Zeit auf dem internationalen Parkett etabliert. Die Auslastung der Aufführungen liegt bei 90 Prozent. Damit ist sie deutlich häufiger und intensiver besucht als die meisten anderen Häuser in Deutschland. Quander, Wasserbauer und nicht zuletzt Roters setzen anscheinend alles daran, diese hohe Qualität zu gefährden.

Was aber diese Schilda-Geschichte über eine der üblichen Köln-Klüngeleien hinaushebt, ist die fehlende öffentliche Wirkung. Schwerin hat den Kölner Bürgerinnen und Bürger gezeigt, wie man mit Politikern umgeht, die das Recht auf Kultur missachten. In Köln geht niemand auf die Straße, die örtlichen Zeitungen machen eher mit der Politik gemeinsame Sache als sich ihrer Verantwortung bewusst zu sein und die Machenschaften in den Amtsstuben zu hinterfragen. Solche Konstellationen sind, historisch betrachtet, selten gut ausgegangen. Die zunehmenden Beispiele der Kulturmissachtung, -behinderung und -vernichtung sollten nicht nur die Kölner aufhorchen lassen.

Denen aber sei auf die Agenda geschrieben: Nicht Laufenberg braucht Köln, sondern Köln braucht Laufenberg.

Michael S. Zerban, 23.4.2012

Wer die Oper Köln - auch außerhalb von Köln - unterstützen will, kann zum Beispiel die Petition unterschreiben.

Kommentare geben die persönliche Meinung der Verfasserin oder des Verfassers, aber nicht in jedem Fall die Auffassung von Opernnetz wieder.


Intendant Uwe Eric Laufenberg will die
fehlende Verantwortung der Politiker
nicht länger mittragen. Sein
Auflösungsvertrag nach der nächsten
Spielzeit ist verabredet.


Kulturdezernent Georg Quander stellt
sich gegen seinen Intendanten und
weist ihn öffentlich zurecht.


Patrick Wasserbauer,
Geschäftsführender Direktor der
Bühnen der Stadt Köln, gefährdet mit
seinem Vertragsmanagement die
kommende Spielzeit in Köln.


Während in Köln die Krise schwelt, ist
Oberbürgermeister Jürgen Roters
(SPD) in Indien nicht erreichbar.
Verantwortung sieht anders aus.