Theater-Meucheln in Halberstadt
Auch dem Halberstädter Theater geht es „an den Kragen“. Politiker sehen Einsparungen von 600.000 Euro als notwendig. Gefragt wird hier nicht nach der Qualität des Theaters, sondern nach so genannten wirtschaftlichen Erfordernissen. Nur: Ohne Kultur keine Wirtschaft.
Man kann es nicht fassen: Da ist im thüringischen Meiningen zu erleben, wie ein Theater für 23 Millionen Euro phantastisch restauriert wird. Stadt, Kreis und Landesregierung kooperieren in permanenter Kommunikation. Und der zuständige Minister Christoph Matschie (SPD) postuliert glaubwürdig, dass „Kultur“ Bedingung für wirtschaftliche Erfolge ist – und Thüringen sich über kulturelle Angebote identifiziert.
Und dann durch den acht Kilometer langen Rennsteig-Tunnel am Harz vorbei nach Sachsen-Anhalt: Da gibt’s einen Kultur-Minister Dorgerloh (SPD), dem Theater offenbar lästig sind, und der wohl das neoliberale Credo vertritt: „Kultur“ ist eigentlich überflüssig, und wenn es sie denn schon gibt, muss sie Erträge erbringen, zumindest darf sie nichts kosten. Ergo: Theater in Magdeburg, Halle, Dessau werden geduldet – aber in Halberstadt, da drehen wir mal den Geldhahn zu!
Und der Halberstädter Oberbürgermeister Andreas Henke (Die Linke) windet sich im Interview mit der Magdeburger Volksstimme wie ein Wurm: Er redet über die Auflösung des „Zweckverbands“, die Gründung einer GmbH oder einer „Holding mit Nachschusspflicht“. Kleinkarierte pseudo-finanzwirtschaftliche Worthülsen verdecken kulturpolitisches Desinteresse. Sie machen deutlich, wie die Städte Halberstadt und Quedlinburg sowie der Kreis Harz mit ihrem Theater umgehen.
Nun nehmen die Halberstädter Bürger die Sache selbst in die Hand: Die Theaterbesucher sammeln – viele – Unterschriften; in der Lokalpresse erscheinen Lesebriefe. Die Halberstädter Hoteliers und Gastronomen bringen „Kultur-Aktien“ in Umlauf – was auf der städtischen Website unverschämterweise als „Börsengang des Nordharzer Städtebundtheaters“ verkündet wird.
Die Vorsitzende des Personalrats des Nordharzer Stätebundtheaters nennt in einem Offenen Brief an den Ministerpräsidenten von Sachsen-Anhalt, Rainer Haseloff, die Zahlen: 6, 5 Millionen Euro Gesamtetat; 1,9 Mio. vom Kreis, 1,6 Mio. von den Städten Halberstadt und Quedlinburg, 3,4 Mio. vom Land - gekürzt werden sollen 600.000 Euro.
„Mit dem Sinken der geistig-kulturellen Attraktivität einer Region sinken auch die wirtschaftlichen Chancen.“
Der Intendant und Musikdirektor Johannes Rieger steht mit seiner bravourösen Lohengrin-Produktion mit dem Rücken an der Wand: „Mal ehrlich, es wäre falsch, wenn wir uns als Theater dafür entschuldigen müssen, Kunst zu machen.“
Dem ist nichts hinzuzufügen - es sei denn, da werden parteipolitische Machtkämpfe zwischen CDU-Ministerpräsident, CDU-Kulturminister und Linke-Bürgermeister im Feld des zivilisatorischen Felds der Kultur hemmungslos ausgetragen!
Franz R. Stuke, 4.11.2011
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