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Schluss mit lustig
Im Staatstheater Darmstadt rumort es gewaltig. Die Führungsspitze liegt im Clinch. Jetzt hat der Generalmusikdirektor seinen Vertrag vorzeitig gekündigt, die zuständige Ministerin dem widersprochen. Die Posse geht weiter.
Da hatte sich die hessische Ministerin Eva Kühne-Hörmann die beiden Kontrahenten, Intendant John Dew und Generalmusikdirektor Constantin Trinks, in Einzelgesprächen und dann beide gemeinsam zur Brust genommen und sie an ihre Verantwortung fürs Hessische Staatstheater Darmstadt erinnert. Diplomatisch wurde dann während der recht spektakulären Pressekonferenz am 6. Dezember von der Ministerin verkündet, Dew und Trinks hätten beide versichert, künftig „konstruktiv“ zusammenarbeiten zu wollen. Auf Rückfrage von Opernnetz, ob denn das Verhältnis der beiden Kontrahenten als „zerrüttet“ zu bezeichnen sei, wiederholte sie tapfer ihr Glaubensbekenntnis vom „konstruktiven“ Wollen der Zusammenarbeit.
Es gilt das gesprochene Wort? Offenbar nicht, denn Constantin Trinks hat es mit seiner „außerordentlichen Kündigung“ zum Saisonende, sein Vertrag läuft eigentlich bis 15. August 2014, insofern gebrochen, als er alte Vorwürfe in Richtung Dew wiederholt und daraus sein Recht auf vorzeitigen Vertragsausstieg ableitet. Das scheint ungeschickt. Die Reaktion der Ministerin fällt deutlich aus. Anstatt – wie in ähnlichen Fällen fast üblich geworden – den Musiker aus dem Vertrag herausgehen zu lassen und den ersten Kapellmeister interimistisch mit den GMD-Geschäften zu betrauen, zeigt sie Trinks den drohenden Zeigefinger. Das wirkt originell und einmal ein bisschen anders, denn der GMD habe schlicht seinen Vertrag zu erfüllen. Der will aber nicht, und das Schiedsgericht des Deutschen Bühnenvereins wird jetzt angerufen. Kommt der Außenbeobachter Hans-Heinrich Grosse-Brockhoff überhaupt noch zum Zug?
Soviel zum Thema „konstruktive Zusammenarbeit“. Peinlich für die leitenden Künstler am Hessischen Staatstheater Darmstadt scheint ein Aspekt: Theater will, soll, kann und muss den Finger in die Wunden gesellschaftlicher Defizite legen. Der Aufklärung konnte nur so der Weg geebnet werden, und der Absolutismus zerbrach an der Macht des Wortes, an der Kraft aller Kunst. Vielleicht besinnen sich die Herren Trinks und Dew der ererbten Wurzeln, warum Theater als Hüter der Moral überhaupt sinnstiftend sein kann in unserer Gesellschaft, in der – leider – vieles im Argen liegt. Aber die narzisstische Wichtigtuerei der beiden Streithanserl, der Ausdruck sei erlaubt, weil sie sich tatsächlich auf Komödienstadel-Niveau begeben, bleibt nur noch peinlich, unerträglich und lächerlich.
Auf einen kleinen Unterschied indes sei hingewiesen: Während John Dew auf eine theatergeschichtlich relevante Lebensleistung zurückblicken und verweisen kann, darf Konstantin Trinks daran noch arbeiten. Der Posse allerdings ist genug.
Eckhard Britsch, 20.12.2011
P.S.: Inzwischen hat die Ministerin Trinks ihrerseits "bis auf Weiteres von der Erfüllung seiner dienstlichen Aufgaben unter Fortzahlung seiner Bezüge" freigestellt. Kühne-Hörmann fühlt sich zu diesem Schritt gezwungen, weil das Verhalten Trinks' Anlass zur Sorge gebe, die "reibungslose Durchführung des Spielplans in der nächsten Zeit - insbesondere während der bevorstehenden Feiertage" sei möglicherweise nicht gewährleistet.
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