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KOMMENTAR

November 2013


 


 

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Wenn Bürger begehrlich werden

Mehr Bürgerbeteiligung in der Politik – das ist eine Forderung, die immer lauter wird. Jetzt zeigen Bürger einer Stadt in der rheinischen Provinz, wie man den demokratischen Gedanken pervertieren kann. Immerhin gibt es auch einige Bürger, die sich um die Begrenzung des Image-Schadens für die Stadt bemühen.

Ein paar Mal im Jahr noch fällt die bundesdeutsche Journaille in der ehemaligen Bundeshauptstadt ein. Dann gilt es, über wichtige kulturelle Ereignisse wie das Beethovenfest oder eine Opernpremiere zu berichten. Ansonsten könnte die Stadt wohl allmählich in einen tiefen Dornröschenschlaf versinken – gäbe es nicht immer wieder die selbst verursachten Skandälchen und die offen zur Schau gestellte Kulturfeindlichkeit.

Während in anderen deutschen Städten Bürgerinnen und Bürger auf die Straße gehen, um für den Erhalt der Kultur und ihrer Theaterhäuser zu kämpfen, wollen ein paar Bonner Bürger den Spieß umdrehen und ihrer Oper den Garaus machen. Eine Gruppierung, die sich Initiative Bürgerbegehren Bonner Oper nennt, sammelt Unterschriften, damit Gelder für die Oper gekürzt und diese an soziale Einrichtungen umverteilt werden und zur Haushaltskonsolidierung der Stadt dienen. So die offiziell verkündete Version. 10.000 Unterschriften wären notwendig, um ein Bürgerbegehren zu bewirken. Was klingt wie ein Klacks, ist nicht ganz einfach zu bewerkstelligen, hat der Gesetzgeber doch die Hürden bewusst hoch gehängt, um die Maßnahme der bürgerlichen Beteiligung vor Schindluder zu schützen. Der Bonner General-Anzeiger hat in seiner Ausgabe vom 13. November dieser Gruppierung und ihrem Sprecher Franz Veit viel Platz eingeräumt. Raum genug jedenfalls, um für reichlich Krach in der Stadt zu sorgen. Die einen beeilen sich, sich von der Initiative zu distanzieren, die anderen können gar nicht oft genug betonen, dass es nicht darum ginge, der Oper zu schaden, sondern eine gerechtere Verteilung erreicht werden solle. Die Argumentation ist perfide. Würde man die Zuschüsse der Oper um die verlangten zehn Millionen Euro kürzen, käme das einem Bankrott des Hauses gleich. Das bestätigt Bernhard Helmich, Generalintendant der Oper. Allerdings, das sagt er auch, würde das für die Stadt ein ziemlich teurer Spaß. Denn echte Einsparungen seien nur noch durch Personalabbau zu erreichen – und da würden Abfindungen und andere Kosten fällig, von Prozessen wegen möglicher Vertragsverletzungen einmal ganz abgesehen.

Wie aber kann es überhaupt sein, dass Veit und seine Mannen einen derartigen Sturm im Wasserglas entfachen können – und die Lokalzeitung darauf einsteigt? Nun, die 15 Anhänger der Initiative ernten nur den Sturm, nachdem Jürgen Nimptsch, Oberbürgermeister der Stadt Bonn, SPD, lange genug Wind gesät hat. Wenn ein Oberbürgermeister offen gegen eine der wichtigsten Kulturinstitutionen seiner Stadt wettert, versucht, die Zuschüsse zu kürzen, wo immer möglich – und sei es durch Fusionen mit anderen Häusern – öffentlich verkündet, er werde die Oper nicht mehr besuchen, weil er so hoch subventionierte Eintrittskarten nicht annehmen wolle; dann darf sich niemand wundern, wenn kulturferne Mitbürger einen Nutzen daraus ziehen wollen.

Auch die Oper – hier wie andernorts – ist nicht ganz unschuldig an dieser Entwicklung. Nur langsam, viel zu langsam, setzt sich die Erkenntnis in den Köpfen der Verantwortlichen durch, dass die Oper als „Golfclub der Musik“ ausgedient hat. „Ich sehe die Sache einerseits gelassen, andererseits weiß ich, dass wir zeigen müssen, dass wir für alle da sind“, schätzt Helmich die Bonner Situation ein. Er sieht die vordringliche Aufgabe, die Oper stärker in die Stadt zu öffnen, klarzustellen, dass diese Kunstform für alle Bürger da ist. Aktivitäten außerhalb des Hauses sind für ihn allerdings kein geeignetes Mittel. „Wir müssen das Opernhaus als Opernhaus positionieren“, sagt er. Dazu will er noch mehr Veranstaltungen anbieten, die auch Menschen ohne Opernerfahrung auf Anhieb begeistern. Außerdem will er über theaterpädagogische Maßnahmen ein stärkeres Bewusstsein für die Notwendigkeit des Musiktheaters schaffen. Das setzt allerdings voraus, dass kulturferne Menschen überhaupt erst einmal ins Haus kommen. Solange die damit beschäftigt sind, Sportvereine und andere kulturell-soziale Einrichtungen gegen das Musiktheater in Stellung zu bringen, dürfte da wenig Aussicht auf Erfolg bestehen.

Bleibt zu hoffen, dass die übrigen 300.000 Bürgerinnen und Bürger in Bonn Wege und Mittel finden, dem Rest der Welt zu zeigen, dass die Kulturfeindlichkeit einiger weniger nicht für die Geisteshaltung der Stadt steht. Andernfalls wären die Folgen fatal.

Michael S. Zerban, 14.11.2013

Kommentare geben die persönliche Meinung der Verfasserin oder
des Verfassers, aber nicht in jedem Fall die Auffassung von Opernnetz wieder.


Bis heute bietet die Oper Bonn
Inszenierungen, deren Bedeutung weit
über die Stadt hinaus reicht und damit
entscheidend zur positiven
Außenwirkung beiträgt.


Bernhard Helmich, Generalintendant
der Bonner Oper, will darauf hinwirken,
dass die Akzeptanz aller Bonner Bürger
weiter wächst.


Gastregisseure wie Florian Lutz sorgen
in Bonn auf der Bühne für aufregende
Inszenierungen. Außerhalb des
Bühnenraums besorgen das eher
Dilettanten.


Als Churchill gefragt wurde, ob man
die Ausgaben für die Kultur kürzen
solle, um den Krieg zu finanzieren,
fragte er: „Wofür führen wir dann
Krieg?“


Oberbürgermeister Jürgen Nimptsch,
SPD, hat großen Anteil am Klima in
seiner Stadt. Möglicherweise ist es für
ihn an der Zeit zu überdenken, ob
dieses Klima wünschenswert ist.

Fotos: Tilo Beu, bis auf 5: Stadt Bonn