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KOMMENTAR

November 2012


 


 

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Schlag ins Gesicht

Der Bundestagswahlkampf hat begonnen, und die Bundesregierung verteilt erwartungsgemäß ihre Geschenke. Dabei gibt es auch gleich mal 100 Millionen Euro mehr für die Kultur. Das ist schick und macht sich gut in der Öffentlichkeit. Für die Kulturinstitutionen auf kommunaler Ebene bedeutet die Zuteilung – gar nichts.

Es gibt mehr Geld für die Kultur. Der Haushaltsausschuss des Bundestages hat beschlossen, 100 Millionen Euro mehr für die Kultur auszugeben. Allerdings geht das Geld vollständig an den Etat des Kulturstaatsministers Bernd Neumann. Und der hat es auch schon verteilt. Mehr als 30 Millionen Euro sollen in den Denkmalschutz fließen, der Deutsche Filmförderfonds bekommt zusätzliche Gelder und der Aufbau der Barenboim-Said-Akademie, ein Ausbildungszentrum des West-Eastern-Divan-Orchestra von Daniel Barenboim, soll unterstützt werden. Während Neumann von einem „Glückstag für die Kultur“ spricht – das ist schließlich seine Aufgabe – dürfte diese Nachricht für viele Kulturschaffende auf kommunaler Ebene eher ein Schlag ins Gesicht sein. Die müssen mit ihren Ratsherren vielerorts inzwischen um Hunderttausende ringen, um ihre Institutionen aufrecht zu erhalten. Vollends zynisch wird es, wenn der Kulturstaatsminister den Beschluss als „politisches Signal“ an die Bundesländer verstanden wissen will, „auch in schwierigen Zeiten bei der Kultur nicht zu kürzen“.

Man mag über Subventionen für Kulturbetriebe wie Theater, Opernhäuser oder auch die so genannte Freie Szene denken, wie man will; aber hier scheint ja wohl in der Verteilung der Gelder einiges mächtig schief zu laufen. Traditionshäuser, die die Kultur in die Fläche tragen, bangen täglich um ihren Erhalt, reduzieren ihr Angebot, um überhaupt noch etwas anzubieten, und erleben dann, wie der Bund die Steuergelder in Renommierobjekte pumpt. Wenn in Schwerin oder Rostock, um nur zwei Beispiele zu nennen, die Lichter ausgehen, wird es den Bürgern in Mecklenburg-Vorpommern ziemlich egal sein, ob es in Berlin eine satte Filmförderung oder eine weitere Akademie gibt. Mit 70 Millionen Euro hätte es einen ausreichend großen Rettungsfonds geben können, um eine Kulturkrise in der Fläche abzuwenden – um nur ein Beispiel zu nennen.

Verfügungsgewalt über hohe Geldsummen bedeutet auch eine hohe Verantwortung. Und die muss sich ja wohl immer um das Wohl wenn schon nicht aller, so doch vieler, auf keinen Fall einzelner bemühen. Dass die derzeitige Bundesregierung ein vollständig anderes Verständnis von einer solchen Verantwortung hat, hat sie in den vergangenen Jahren ja mehr als ein Mal bewiesen. So bleibt denn den Kulturbetrieben, die nicht mehr ein noch aus wissen, wie sie ihre Bürger mit Kultur versorgen sollen, die Hoffnung, dass sich möglichst viele Wählerinnen und Wähler an dieses „Wahlgeschenk“ erinnern, wenn es Zeit ist, das Kreuz an der richtigen Stelle zu setzen.

Michael S. Zerban, 9.11.2012

Kommentare geben die persönliche Meinung der Verfasserin oder
des Verfassers, aber nicht in jedem Fall die Auffassung von Opernnetz wieder.