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KOMMENTAR

Oktober 2013


 


 

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Theaterpakt: Signal und Vorbild

Euphorisch und wenig reflektiert berichten lokale und regionale Medien über ein Papier, das zunächst mal nichts weiter als ein Papier ist. Positiv ausgedrückt, hat das Land mit dem so genannten Theaterpakt einen ersten Schritt unternommen. Nichts weniger als die Zukunft der Kultur in Nordrhein-Westfalen steht zur Disposition. Zur Beruhigung besteht noch lange kein Grund.

Das Echo ist durchaus geteilt, aber tendenziell positiv. Klar, dass die Unterzeichner Kultusministerin Ute Schäfer und der Vorsitzende des Städtetages Nordrhein-Westfalen (NRW), Norbert Bude, den Theater- und Orchester-Pakt positiv sehen, eine Vereinbarung, die sie am 14. Oktober 2013 in Düsseldorf zur dauerhaften Unterstützung der Stadttheater und kommunalen Orchester unterzeichneten. „Unsere Vereinbarung stellt in dieser Form bundesweit ein Novum dar. Dabei ist für mich die Planungssicherheit das wichtigste gemeinsame Ziel, das wir im Theater- und Orchesterpakt NRW formuliert haben. Wir wollen für die Theater und Orchester einen verlässlichen Rahmen schaffen“, begrüßt Ministerin Schäfer den Pakt. Für das Land sei die Kulturszene ein „unverzichtbarer künstlerischer Entwicklungsmotor und kritischer Fortentwickler der Kulturlandschaft“. Bode, Oberbürgermeister in Mönchengladbach, sieht in dem Pakt die „gemeinsame Sicherung“ und „Weiterentwicklung“ der vielfältigen Theaterlandschaft. Geht ein lange geäußerter Wunsch der Kulturhäuser in Erfüllung – endlich? Das Land NRW sichert mit dem Pakt den Theatern und Orchestern jährlich insgesamt 19 Millionen Euro Landeszuschüsse zu. Auf die einzelnen Häuser herunter gebrochen, wird die Summe sehr überschaubar.

Doch das Intendantenecho ist nicht unfreundlich. „Der Pakt löst nicht alle Probleme, aber er ist ein wichtiger Hinweis, ein Wink an die Kämmerer und Oberbürgermeister“, gibt sich Michael Schmitz-Aufterbeck, Intendant des Aachener Theaters, optimistisch. Sein Haus erhalte nun 200 000 Euro direkt, nicht über den Stadtkämmerer, deshalb könne er den Bereich Theaterpädagogik „aufrüsten“. Mit 18 Stadttheatern und vier Landestheatern, dazu noch 15 Orchestern verfügt NRW über die dichteste Theater- und Orchesterlandschaft in Deutschland. Damit weist NRW, das „Bundesland der Städte“, alle Vorteile auf, die eine urbane Infrastruktur attraktiv machen, verfügt aber auch über alle Problemfelder, die sich in strukturschwachen Städten konzentrieren.

Natürlich vergisst Ute Schäfer nicht, auf den Haushaltsvorbehalt des Landtages hinzuweisen und die Städte zu ermahnen: Die Kommunen seien ihrerseits verpflichtet, „allerhöchsten Wert darauf zu legen, dass die Theater und Orchester erhalten bleiben“. – Also doch: Sparen, sparen, sparen! Ein Kenner der Szene, Intendant Michael Becker, Tonhalle Düsseldorf, sieht eine weitere Aufgabe der seit 2011 eingerichteten Theaterkonferenz. Ihm erscheint es als „typisches Problem, dass alle so vor sich hin machen“. Er sieht eine Bringschuld der Häuser und eine Chance, wenn hier „die Profile der Häuser besprochen werden“. Hagens Intendant Norbert Hilchenbach wertet den Theaterpakt als positives Signal. „Das Gute ist, dass Land, Städtetag und Intendanten gemeinsam im Gespräch bleiben über den sehr, sehr notwendigen Erhalt der Theater- und Kulturlandschaft.“ Hagens Kämmerer Christoph Gerbersmann ist skeptischer, realistisch: „Ich gehe davon aus, dass die Beteiligung des Landes an der Theaterfinanzierung dazu dient, dass der Anteil der Stadt am Theaterbudget reduziert werden kann“. Kann das Land, das Kultusministerium verhindern, dass sein durch den Theaterpakt garantierter Zuschuss zur Kompensation anderer Finanzlücken genutzt wird ?

Ein Pakt, vom lateinischen pangere = befestigen, einschlagen abgeleitet und meist mit „ Vereinbarung, Bündnis, Vertrag“ übersetzt, ist eine Verabredung, in der mehrere Parteien ihre unterschiedlichen Interessen „friedlich“ zu regeln versprechen. Sie sollen und wollen sich „ver-tragen“! Wesentliche Voraussetzung dafür ist, dass sich alle Parteien an die Absprachen halten. Selbst wenn der Landtag dem Pakt zustimmt, wollen, können und werden die Kommunen dem folgen – auch diejenigen, die unter Haushaltsaufsicht oder Notfinanzierung stehen? „Wir sind ein Kulturstaat! Eine kulturelle Grundversorgung der Bürger muss auch in verschuldeten Kommunen unangetastet bleiben“, sieht das politische Urgestein Gerhart Baum, Sprecher des Kulturrates NRW, das Land in der Pflicht. Gibt es dafür verfassungskonforme Modelle? Der Theaterpakt ist eine Absichtserklärung, die „möglichst große Planungssicherheit“ schaffen soll, mehr nicht. Aber damit wäre ja schon etwas gewonnen.

Vorbild für andere Bundesländer ? Natürlich ist dies nicht der erste Kulturvertrag, das erste Sanierungskonzept, Strukturpapier, Landeskulturkonzept und wie die wohl meinenden Sparbücher alle heißen, in denen Ministerien und Landesparlamente die Kulturetats zusammenstreichen. Es sind Papiere, die von den Ministerien selbst, dem Kulturausschuss, einem Sachverständigenrat, im schlimmsten Fall von fachfremden Agenturen – so in Mecklenburg-Vorpommern – erstellt und häufig genug von den Parlamenten zu Aktionslinien gemacht werden, oft ohne Beteiligung der Betroffenen. Wenigsten das ist in NRW anders, hier hat die Kulturkonferenz, die es seit 2011 gibt, mit diskutiert. Doch den kulturtragenden Kommunen stehen neue, ungewisse „Fördervereinbarungen“ bevor, die in einem „Kulturfördergesetz“ geregelt werden sollen. Was das Land NRW dann unter Planungssicherheit versteht, wird in Kürze deutlich werden. Seit dem 17. April liegen dem Kulturausschuss Eckpunkte für das vielfach angekündigte Kulturfördergesetz zur Beratung vor. Zwei Passagen verdienen bereits jetzt, hervorgehoben zu werden. „Kultur ist unverzichtbar“, stellt der Entwurf fest. Außerdem soll das Land Kulturpolitik „noch stärker als bisher als Strukturpolitik verstehen“, was immer das dann konkret heißt. Natürlich fehlt nicht der Hinweis darauf, dass alle „zur Verfügung stehenden Mittel effizient genutzt werden“ müssen. Ferner sollen jährlich ein Kulturbericht vorgelegt und die Verfahren zur Kulturförderung vereinfacht werden. Weitere Einzelheiten lassen sich erst nach den Beratungen beurteilen. Immerhin: Es bewegt sich etwas! Alle im Kulturbetrieb Tätigen sind gut beraten, sich mit dem Entwurf und den folgenden Beratungen intensiv zu befassen und zu überprüfen, wer hier die Feder führt. Sie sollten sich an der öffentlichen Diskussion intensiv beteiligen und sich darüber informieren, welche Mitglieder im Kulturausschuss anzusprechen sind. Das Gesetz, wenn es denn verabschiedet wird, dürfte für viele Jahre die „Bibel“ der Kulturpolitik und ihrer Finanzierung in NRW werden.

Ach ja, noch eines: Von Eisleben über Köln bis nach New York zur Met drehen Systemoptimierer und Effektivisten den Häusern die finanzielle Schraube zu und nehmen ihnen die Luft für künstlerisch freie Arbeit. In vielen Bereichen haben diese Organisationsmanager den Primat der Politik ausgehebelt und entwickeln aus so genannten „Systemzwängen“ heraus Kriterien und Handlungsoptionen, die möglicherweise im Moment Geld sparen, aber den Patienten Kultur tothungern. Kulturpolitik als Strukturpolitik sieht anders aus! Hier öffnet sich ein Feld politischer Aufgaben, auf dem die sich abzeichnende Große Koalition ihre politische Glaubwürdigkeit beweisen könnte. Das sollten alle Kulturschaffenden überprüfen und immer wieder einfordern.

Horst Dichanz, 28.10.2013

Kommentare geben die persönliche Meinung der Verfasserin oder
des Verfassers, aber nicht in jedem Fall die Auffassung von Opernnetz wieder.


Planungssicherheit ist für Ute Schäfer,
Kultusministerin des Landes Nordrhein-
Westfalen, das wichtigste Ziel.


Norbert Bode, Oberbürgermeister in
Mönchengladbach und Vorsitzender
des Städtetages NRW, sieht in dem
verabschiedeten Papier einen
Entwicklungsmotor.


Michael Becker, Intendant der
Tonhalle Düsseldorf, sieht die
Notwendigkeit, dass die Häuser
zusammenrücken.


Werden die Gelder des Landes dazu
genutzt, die Kommunen zu entlasten,
oder kommen sie den Theatern zu
Gute? Michael Schmitz-Aufterbeck,
Intendant am Theater Aachen, hat so
seine Zweifel.