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KOMMENTAR

April 2014


 


 

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Beide Seiten sind gefordert

Wer im Kulturbetrieb unterwegs ist, kennt das: Die Jagd nach Subventionen, Förder- und Sponsorengeldern. Wenn die Politik kein Geld mehr gibt, muss eben die Privatwirtschaft ran. Ein gefährliches Spiel, wie das aktuelle Beispiel einer Musikhochschule zeigt.

Befragt man Theaterleiter und Politiker, dann werden Sponsorengelder immer nur für „zusätzliche Aufgaben“ eingeworben. Halten die Sponsoren ihr Engagement nicht aufrecht, drohen also keine Einbrüche in der künstlerischen Leistung eines Hauses. Solche Sprüche braucht niemand zu glauben – sie stimmen nicht. Eine Überprüfung hält der Wirklichkeit nicht stand. In diesem Jahr ist es der Robert-Schumann-Hochschule (RSH) nicht gelungen, die üblichen Sponsorengelder für die Inszenierung der Opernklasse zu akquirieren. In der Folge lautet die offizielle Sprachregelung sinngemäß: Das Wesentliche an der jährlichen Opernaufführung ist die Konzentration auf die Leistungen von Bühnenakteuren und Musikern. Die Inszenierung wird aus den Mitteln der RSH und des Fördervereins bestritten und findet statt. Das ist löblich und notwendig. Trotzdem fällt das Bühnenbild entsprechend einfacher aus, die Kostüme passen eher notdürftig zur Inszenierung, die Motivation des Leitungsteams ist etwas geringer. Mal abgesehen davon, dass das eigentliche Ziel, den Studenten das Gefühl einer „echten“ Operninszenierung zu vermitteln, kräftig ins Wanken gerät. Keine Auswirkung auf die künstlerischen Leistungen? Von wegen. Allein dem Engagement des Leiters der Opernklasse und dem unglaublich hohen Einsatzwillen der Studierenden ist zu verdanken, dass auch in diesem Jahr eine erstklassige Operninszenierung im Partika-Saal der Hochschule über die Bühne geht. Das Publikum ist trotz der Schmälerungen begeistert.

Für alle anderen im Kulturbetrieb ist es warnendes Beispiel. Wer allen Ernstes glaubt, sein Haus, Festival oder Event dauerhaft über Sponsoring finanzieren zu können, hat auf Sand gebaut. Auch so genannte langfristige Verträge dauern in der Regel genau so lange, wie der Sponsor das will. Wenn’s gut geht, geht man in „freundlichem Einvernehmen“ auseinander, das Fässchen Bier auf der Premierenfeier oder der besonders dekadente „VIP-Shuttle-Service“, der ältere Herrschaften nach der Oper nach Hause bringt, entfallen. Wenn es schlecht läuft, bleibt die Institution anschließend noch auf Folgekosten sitzen, die aus leichtsinnigerweise eingegangenen Verträgen auf der Grundlage des Sponsorships resultieren. Intendanten, die glauben, Kürzungen seitens der Politik über Sponsoring auffangen zu können, werden genauso enttäuscht werden wie kurzsichtige Politiker, die sie in solchem Glauben noch bestätigen, weil es ihren Zielen entgegenkommt. Man braucht kein Prophet zu sein, um hier in den kommenden Jahren noch mancherlei unangenehme Überraschungen zu erwarten.

Auf der anderen Seite ist es auch für potenzielle Sponsoren ein Warnzeichen. Kurzfristige Strategien gibt es nicht. Die heißen dann Taktik, und Taktieren war noch nie eine gesunde Unternehmensstrategie, egal, ob es um Mergers and Acquistions oder um Sponsoring geht. Wer als Sponsor taktiert oder anders ausgedrückt: sein Geld nach dem Gießkannen- oder Lustprinzip verteilt, verspielt Vertrauen. Und zwar nicht nur das Vertrauen der kulturellen Institutionen, sondern auch und vor allem das Vertrauen derer, um die es einem Unternehmen beim Sponsoring eigentlich geht: das Vertrauen der Kunden.

In welchem Ausmaß sich Sponsoren, also Unternehmen, die Geld für Projekte oder Institutionen geben, sich wo engagieren, ist, bleibt und muss bleiben – auch wenn die Politik ein solches Engagement steuerlich begünstigt – die Entscheidung der Investoren. Trotzdem ist die Frage an die Unternehmen erlaubt, ob sie wirklich die Sympathien ihrer Kunden auf sich ziehen, indem sie Institutionen mit einem Jahresbudget von beispielsweise 40 Millionen Euro „unterstützen“ oder ob sie auf den Nachwuchs in der Kultur setzen, dem ein Bruchteil einer solchen Summe zur Verfügung steht. Übrigens nicht, ohne dafür auch nur auf einen Bruchteil eigenen Vergnügens verzichten zu müssen, wie die Inszenierung in der RSH dieses Jahr wieder gezeigt hat.

Beiden, also Kulturschaffenden wie auch privatwirtschaftlichen Unternehmen, sei empfohlen, auch die Formen des Sponsorings weiterzuentwickeln. Das Logo im Programmheft und die namentliche Nennung der Sponsoren in der Dankesrede des Intendanten während der Premierenfeier oder womöglich gar die Rede des Sponsorvertreters, nach Möglichkeit auch noch ein Mensch mit einem akademischen Titel, wie auch immer erworben, sind so abgelutscht wie ein nicht mehr vorhandener Drops. Hier hat mit der Hatz auf das weniger werdende Geld längst das Denken aufgehört – aber gerade auf diesem Gebiet sind kreative Lösungen gefragt. Vielleicht stellt man diese Fragen dem Nachwuchs. Nachdem man eine vernünftige Ausbildung finanziell unterstützt hat.

Michael S. Zerban, 27.4.2014

Kommentare geben die persönliche Meinung der Verfasserin oder
des Verfassers, aber nicht in jedem Fall die Auffassung von Opernnetz wieder.


Dekadenz, die dem Intendanten
gefällt und Geld bringt: VIP-Shuttle
für die Oper.


In Amerika lief der Opernbetrieb
lange Jahre von Sponsoren finanziert.
Jetzt läuft in vielen Häusern nichts
mehr: Die Sponsoren sind weg.


Sehr beliebt im Sponsoring: Wenn
Einzelprojekte gefördert werden, ist
das Risiko gering. Die Firma Wegener
wirbt mit ihrem Engagement für einen
Bühnenboden.


Wenn Markennamen den Weg auf die
Bühne finden, steht die
Glaubwürdigkeit der Institution auf
dem Spiel. Vielen fehlt das inzwischen
das nötige Feingefühl - wenn's nur
Geld bringt.