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KOMMENTAR

Juli 2015


 


 

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Von der großen Oper zum Kasperle-Theater

In nur drei Jahren sollte in Köln ein ganzer Bühnenkomplex für vergleichsweise kleines Geld saniert werden. Da staunten nicht nur die Experten vom Bau. Seit dem 23. Juli ist es offiziell: Alles Schall und Rauch. Jetzt ist Krisenmanagement gefragt.

Der Blick nach vorn treibt uns an. Wir präsentieren Ihnen die Oper Köln als Vermittlerin großer Musiktheater-Erlebnisse, als Forum für offene Begegnung, als Brücke in die Moderne. Feiern Sie mit uns die Wiedereröffnung des denkmalgetreu sanierten Opernhauses am Offenbachplatz!“ so begrüßt die Intendantin der Kölner Oper, Birgit Meyer, am 23. Juli immer noch unter der Überschrift „Wiedereröffnung des Opernhauses – Premiere am 7. November 2015“ Besucherinnen und Besucher im Internet. Seit heute sind solch vollmundige Ankündigungen passé, die Not ist groß. Hochmut kommt vor dem Fall, weiß der Volksmund, und bei der Oper Köln wird der Fall nicht nur tief, sondern voraussichtlich auch richtig teuer.

Die Kölner Stadtverwaltung hat die Reißleine gezogen und offiziell verkündet, dass der Termin der Wiedereröffnung im Opernhaus am Offenbachplatz nicht gehalten werden kann. Kulturdezernentin Susanne Laugwitz-Aulbach will sich dabei nicht auf einen neuen Termin festlegen, will aber alles daran setzen, dass die Wiedereröffnung im Herbst kommenden Jahres stattfindet. Das ist nicht nur eine bauübliche Verzögerung, sondern da liegt richtig was im Argen. Baudezernent Franz-Josef Höing versucht sich in hanebüchenen Erklärungen. Normal sei Planen, Bauen, fertig. Aber bei der Kölner Oper handelt es sich um einen denkmalgeschützten Bau von 1957. Da entdecke man jeden Tag Planabweichungen. Deshalb müsse man parallel planen und bauen. Schwierigkeiten bei der Sanierung eines historischen Baus? Das ist in der Tat eine Überraschung.

Viel wahrscheinlicher ist, dass die Verantwortlichen gewaltig geschlampt haben. Statt ein Baulogistik-Unternehmen zu beauftragen, dass für Ordnung auf der Baustelle sorgt und die Koordination der Gewerke sicherstellt, wie es jeder vernünftige private Bauherr bei einem solchen Bauvolumen tun würde, hat man sich wohl darauf beschränkt, ein „externes Baukosten-Controlling“ durchführen zu lassen. Hier wäre, falls es so ist, dringender Handlungsbedarf. Schließlich sind die Baulogistiker auch im Krisenmanagement zu Hause.

Und im Moment sieht es so aus, als könnten die städtischen Verantwortlichen jede Hilfe brauchen. Sonst laufen ihnen die Kosten gewaltig aus dem Ruder. Angefangen hatte man mit einer „limitierten Bausumme“ von 235 Millionen Euro. Als absehbar wurde, dass es sehr knapp mit der Fertigstellung werden würde, wurde der Etat auf 271 Millionen Euro aufgestockt. Durch die Verzögerung ist die Rede von weiteren „mindestens 20 Millionen“ an reinen Baukosten. Eine Summe, an die wahrscheinlich nicht einmal die glauben, die sie nennen.

Ach ja, es gibt ja noch die Oper. Also – ob es die in der kommenden Spielzeit tatsächlich noch gibt, steht derzeit in den Sternen. Die Ausweichquartiere wie der Musical Dome am Hauptbahnhof sind alle gekündigt. Die stehen nicht mehr zur Verfügung. Es liefen momentan Verhandlungen, mit wem, wolle man nicht sagen, um dieselben nicht zu gefährden, gibt sich die Intendantin, Birgit Meyer, gewohnt wortkarg. Noch allzu gut in Erinnerung sind die ewig währenden Diskussionen über die Ausweichspielstätten vor Beginn der Sanierung. Es spricht nichts dafür, dass das jetzt anders sein könnte. Andererseits: Den Spielbetrieb einfach mal ein Jahr auszusetzen, ist auch keine Option. Ausfallhonorare und Einnahmeausfälle würden wohl ebenfalls in die Millionen gehen. Eine Situation, in der man mit Mauscheleien nicht weit kommt.

Viel Freude haben die Kölner an Schauspiel und Oper – mal wieder – nicht. So könnte auch der Zeitpunkt der Bekanntgabe zu erklären sein. Da erfahren sehr viele Bürgerinnen und Bürger nur aus der Ferne, dass in der Heimatstadt viele Millionen Euro ihrer Steuergelder im Wortsinn in den Sand gesetzt werden. Trotzdem werden viele Fragen auch nach dem so genannten Sommerloch zu beantworten sein. Und nicht nur auf der politischen Ebene. Obwohl die Bauverzögerung längst bekannt war, lässt die Oper neue Spielzeithefte drucken, verpflichtet fröhlich Künstler und tut heute noch so, als sei nichts gewesen. Das spricht nicht für Weitsicht und sorgsamen Umgang mit dem Geld anderer Leute.

Michael S. Zerban, 23.7.2015

Kommentare geben die persönliche Meinung der Verfasserin oder
des Verfassers, aber nicht in jedem Fall die Auffassung von Opernnetz wieder.


Reichlich ungeordnet scheint es bei
der Sanierung zuzugehen - da dauert
es schon mal länger, bis man fertig ist.


Als wäre nichts gewesen: Die Startseite
der Oper Köln bejubelt die Eröffnung
am 7. November - und zwar 2015.


Baudezernent Franz-Josef Höing will
„mit Sorgfalt weiterbauen“ - koste es,
was es wolle?


Kulturdezernentin Susanne Laugwitz-
Aulbach ist sehr „traurig“ über die
aktuelle Entwicklung. Wer hatte sich
eigentlich um die Sanierung zu
kümmern?