Fundus   Kommentar    Backstage     Medien     Medientipps     Kontakt     Impressum    Wir über uns  
   Dossier    Kleinanzeigen     Links     Facebook     Partner von DuMont Reiseverlag  
     

KOMMENTAR

Oktober 2013


 


 

zurück       Leserbrief

Elite-Oper nach Wiener Art

Nachdem erste Opernhäuser mit kostenlosen Livestream-Übertragungen von Opern gezeigt haben, wie Demokratisierung von Oper im Internet geht, vielleicht sogar neue Besuchergruppen erschlossen werden können, legt die Wiener Staatsoper die Bezahlschranke vor - mit Preisen, die niemanden mehr begeistern.

Immer häufiger tauchen auf der Menükarte des Internets Klassikangebote auf. Einen aktuellen musikalisch-kulinarischen Höhepunkt stellt derzeit die Bayerische Staatsoper in München zur Verfügung: Kostenlose Live-Übertragung via Internet auf den heimischen Computer. Natürlich gibt es auch eine Elite-Einheit, die ihre Angebote kostenpflichtig anbietet: Jüngstes und prominentes Beispiel ist jetzt die Wiener Staatsoper, die ab Ende Oktober eine ganze Serie von Opernübertragungen in die Welt senden wird – und dabei Gefahr läuft, die kostenfreie Opernwelt für den finanziell Benachteiligten kaputt zu machen.

Wie schön einfach und bequem ist doch die Welt des Internets. Einfach den Laptop an den heimischen Fernseher anschließen, Abendessen vorbereiten und anrichten, ein paar Klicks – und schon befindet man sich ganz nah am Vorhang der Bayerischen Staatsoper in München. Keine Anfahrt, kein Schicki-Micki, kein Hotel. Alles, was zwischen dem Zuschauer und dem Opernvergnügen stehen kann, sind technische Probleme. Das ist wirklich Oper für alle. Die Staatsoper in München hat es vorgemacht. Nun zieht die Staatsoper in Wien nach und gibt auch richtig Gas. Hier wird technische Opernrevolution betrieben: Denn es wird nicht einfach nur eine Oper übertragen. Acht Kameras zeichnen in High Definition auf. Über Zusatz-Programme, sogenannte Apps, können Untertitel und digitale Programmhefte herunter geladen werden. Dazu gibt es in dem eigens eingerichteten Internetportal auch Oper on demand, also Aufzeichnungen auf Abruf. Allerdings kostet all das Geld, 14 Euro gibt man allein für die Übertragung aus. Natürlich ist das völlig legitim, dafür Eintritt zu nehmen, wie bei einer normalen Karte auch: Schließlich werden hier personelle und technische Kräfte gebündelt, die das Opernhaus sicher eine Menge Geld kosten werden. „Vom ersten Stream an (…) geht ein fairer Teil der Einnahmen an die Künstlerinnen und Künstler. Das laufende Budget der Wiener Staatsoper wird durch die Anfangsinvestitionen und Kosten des Projekts dank der großzügigen Unterstützung der Sponsoren und Partner nicht belastet“, lassen die Wiener verlauten. Das liest der österreichische Steuerzahler doch gerne. Ein Logenplatz vor dem Fernseher ist außerdem komfortabler als die Sicht auf den Hinterkopf des zu groß geratenen Vordermanns, für die man eigentlich nicht das Geld ausgegeben hat. Und die kommerzielle Welt lehrt ja bekanntlich, das umsonst nicht immer gut bedeutet. Wer Qualität erwartet, ist auch bereit dafür zu zahlen.

Sieht man von technischen Startschwierigkeiten ab, bekommt man Qualität aber auch an der Staatsoper in München – und das kostenfrei. Wenn das in München funktioniert, warum nicht auch in Wien? Darf man – nein, muss man jetzt in Wien nicht sogar mehr erwarten, wenn man dafür Geld bezahlt? Wer garantiert denn eine störungsfreie, ordentlich gefilmte Aufführung? Hier lohnt ein Blick in die Nutzungsbedingungen: „Im Falle technischer Störungen auf Seiten der von der Wiener Staatsoper bereitgestellten Streamingdienste wird sich die Wiener Staatsoper bemühen, diese – soweit technisch möglich – schnellstmöglich zu beheben. Kann der Streamingdienst auf Grund der technischen Störung nicht oder nur erheblich gestört genutzt werden, wird die Wiener Staatsoper dem/der Nutzer/in fallabhängig eine Ausgleichsleistung anbieten.“ Wirklich überzeugend klingt das nicht.

Auch ist die Frage, für wen sich so ein Internet-Ticket rechnet: Bei einer Übertragung in München lohnt es sich auch mal eben noch, in die Finalszene einzuschalten, wenn man zu spät nach Hause kommt. Das Wiener Angebot ist ein privater Opernabend, der keinerlei Ablenkung zulässt. Immerhin stört es nur den Nutzer zu Hause, wenn das Telefon klingelt. Wer das Geld hat, sich eine Karte im Opernhaus selber zu leisten, der hat natürlich auch keine Probleme damit, sich noch die ein oder andere Vorstellung im Internet anzuschauen. Mit ihrem kostenpflichtigen Angebot zwingt das Management aber das Publikum zur Entscheidung, welche Oper es sich denn jetzt mal gönnen kann, für das eine freie Übertragung sehr viel interessanter wäre. Gerade der absolute Opernneuling weiß auf Anhieb nicht, welche Oper er aus dem Programm auswählen soll. Denn bis Ende 2013 sind allein sieben Übertragungen geplant. Hier muss man selektieren und dafür schon eine Ahnung haben, was sich für das Geld lohnt.

So sehr man den technischen Fortschritt und die damit verbundenen Möglichkeiten auch begrüßt, sollte man ihn doch nicht dem Konsumenten aufzwingen. Es wäre doch ganz einfach, von einigen ausgewählten Vorstellungen eine schlicht gefilmte, völlig zusatzfreie Version der Übertragung kostenlos anzubieten. So bekäme jeder die Gelegenheit, völlig entspannt, ohne irgendwelche Auswahlkriterien, die Wiener Staatsoper durch das Medium Internet zu besuchen und sich ein Bild von dem Angebot zu machen. Doch irgendwie kommt das Gefühl auf, dass die Wiener Staatsoper gar nicht möchte, dass jeder mal einen Blick auf ihre berühmten Bretter, die bekanntlich die Welt bedeuten, werfen soll. In vielen Köpfen des normalen Bürgers ist ein Opernbesuch schon mit einem Elite-Gedanken verknüpft. Jetzt muss man aufpassen, dass die Opernübertragungen nicht auch den Ruf einer Elite-Veranstaltung bekommen. Denn eins ist klar: Geht das Konzept der Staatsoper auf, werden die kostenlosen Übertragungen immer seltener werden. Das Nachsehen hat dann wieder der der finanziell eingeschränkte Bürger. Überdies sollten alle Theater, die sich nun entscheiden, auf dieser Welle der Live-Übertragungen mit zu schwimmen, eines nicht aus den Augen verlieren: Wenn zukünftig bald jede Woche Oper im Internet und im Kino serviert wird, ist die digitale Oper bald so bekannt wie das berühmte Wiener Schnitzel mit Pommes. Das bekommt man aber bekanntlich auch in fast jeder billigen Imbiss- Bude. Hauptsache ist, dass die eigentlichen Restaurants dann nicht leer bleiben.

Christoph Broermann, 20.10.2013

Kommentare geben die persönliche Meinung der Verfasserin oder
des Verfassers, aber nicht in jedem Fall die Auffassung von Opernnetz wieder.


Schon seit zwei Jahren sitzt der
Zuschauer via Internet live in der
Bayerischen Staatsoper.


Ganz unkompliziert und kostenlos
kann man mit einer stabilen
Internetverbindung ausgewählte
Opern anschauen.


Auch Vorstellungen aus der Wiener
Staatsoper wird der Internetnutzer in
Zukunft live besuchen können.


Über dieses Portal kann man – so ist
es geplant – allein noch dieses Jahr
sieben verschiedene Vorstellungen
anschauen – allerdings kostenpflichtig.


Im Internet gibt es zahlreiche
Klassikangebote. Auch von
theaterunabhänigen Seiten.