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KOMMENTAR

November 2014


 


 

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Verheißungen ohne Fundament

Bislang hat sich die Landesregierung Nordrhein-Westfalen nicht unbedingt mit einer progressiven Kulturförderung hervorgetan. Wer bei Hannelore Kraft in Sachen Kulturpolitik nachfragt, stößt auf eisiges Schweigen. Jetzt will Ministerin Ute Schäfer mit Macht ein Kulturfördergesetz durchsetzen, das reichlich Fragen offen lässt.

Präambeln haben immer recht, deshalb sind sie meist langweilig – aber wohl doch unverzichtbar? Der Entwurf zum neuen Kulturfördergesetz NRW (KFG) besteht zu einem erheblichen Teil aus „präambelähnlichen“ Sätzen, die Bekenntnis- oder Glaubenscharakter haben wie etwa der Eingangssatz: „Kultur ist unverzichtbar. Sie ist geistige Lebensgrundlage der Menschen und ein wichtiger Bestandteil der öffentlichen Daseinsvorsorge.“ Auch die Leistungen der Kultur könnten einem Weihnachts-Wunschzettel entstammen: „Kultur initiiert und fördert die freie Entfaltung der Persönlichkeit des Einzelnen, wirkt als identitätsstiftender und integrierender Faktor einer Gesellschaft“. Diese „abstrahierende und generalisierende Sprache des Gesetzes“ kritisiert Eric Steinhauer, Professor für Kulturwissenschaft, und fragt, ob das Gesetz „bei den Kulturschaffenden im Land die verdiente und wohl auch erhoffte politische Aufmerksamkeit bekommen wird“.

Was „mehr Klarheit, mehr Transparenz“ bringen und den Kulturinstitutionen mehr Planungssicherheit geben soll, verbreitet viel Bühnennebel und überlässt die Transparenz weitgehend den Kulturinstituten. Ein künftig auf fünf Jahre angelegter Kulturförderplan benennt Ziele und Schwerpunkte, die das Land in dieser Zeit finanziell fördern will. Das Gesetz zielt auf eine Intensivierung und Verbesserung der Kooperation und Kommunikation zwischen Land und Gemeinden, auf ein besseres Ineinandergreifen dieser beiden Ebenen der Kulturförderung. Es soll mittel- bis langfristig die Schwerpunkte der Kulturpolitik festlegen, kommunale Kultureinrichtungen sichern und die dazu erforderlichen beiderseitigen Finanzierungsbeiträge festlegen. Diese Förderung soll an einen „kulturellen Bildungsauftrag“ gebunden sein – was das wohl heißt, wer das wohl festlegt? Den Kulturrat NRW überzeugt das nicht. „Die Kulturförderung des Landes ist nach wie vor unzureichend“, erklärt Gerhart Baum, Vorsitzender des Kulturrats.

Förderung des öffentlichen Diskurses

Kulturministerin Ute Schäfer, SPD, möchte mit diesem Gesetz „die politische Bedeutung der Landeskulturpolitik“ unterstreichen und aktuell wie in Form eines jährlichen Kulturberichtes eine „kulturpolitische Standortbestimmung“ vornehmen. Das KFG soll den „öffentlichen Diskurs“ über Kunst und Kultur fördern ... Hehre Ziele, die wohl zum Werkzeug des parlamentarischen Geschäfts gehören. Der Referentenentwurf hat am 30. Oktober dieses Jahres den Kulturausschuss beschäftigt und wird weiter beraten, bevor er als Beschlussvorlage ins Plenum geht. Schäfer will ihre Kulturpolitik ausdrücklich „stärker als bisher als Strukturpolitik verstehen“. Was das konkret meint, deutet der Satz an, dass die Kulturförderung „sich im Spannungsfeld zwischen dem finanziell Möglichen und dem zur Erhaltung und Entwicklung der kulturellen Infrastruktur Notwendigen bewegen“ und sich zwischen Land und Kommunen „gegenseitig sinnvoll und effizient“ ergänzen soll. Zwar will das Land „Städte, Kreise und Gemeinden … mit den erforderlichen finanziellen Ressourcen“ versorgen und damit die „Grundakzeptanz der Bedeutung von Kunst, Kultur und kultureller Bildung in einem Gemeinwesen“ sicherstellen, weist aber immer wieder darauf hin, dass „die für Kulturaufgaben zur Verfügung stehenden Mittel effizient genutzt werden“ müssen. Letztlich wollen die Kulturpolitiker „einen verlässlichen Rechtsrahmen und damit Stabilität und Transparenz für die Kulturförderung des Landes schaffen …“. Hoffnung machen die Forderungen nach einem jährlichen Kulturbericht, einem stärkeren, ressortübergreifenden Zusammenwirken der Landespolitik und – endlich und wieder einmal – die Vereinfachung der Förderverfahren und der Abbau bürokratischer Barrieren.

Als neuen Schwerpunkt entdeckt die Regierung die kulturelle Bildung. Was sich hinter diesen beiden interpretationsvolumigen Begriffen verbirgt, bleibt freilich nebulös. Sie sieht darin „eine Aufgabe, die in alle Bereiche der Kulturförderung hineinreicht und die kulturelle Teilhabe aller Menschen erst ermöglicht“. Über diesen kompensatorischen Ansatz sollen „solche Kinder und Jugendliche angesprochen werden, für die kulturelle und soziale Teilhabe nicht selbstverständlich ist.“ Die Liste solch wohl gemeinter Zielsetzungen lässt sich weiter fortsetzen, sie wird dadurch nicht konkreter. Überraschend im Referentenentwurf ist, dass die Begriffe Theater, Theaterkultur oder andere Kultursparten im Papier nicht vorkommen. Lediglich die Bibliotheken werden besonders erwähnt.

Kulturpolitische Unverbindlichkeiten

Der Gesetzentwurf wird parlamentarisch öffentlich diskutiert, die Stellungnahmen streuen breit. „Das ist kein Gesetzestext, sondern die Darstellung kulturpolitischer Unverbindlichkeiten“, moniert Thomas Sternberg, CDU. Und weiter: „Kultur ist und bleibt das fünfte Rad am Wagen dieser Landesregierung“. Im Kernbereich des Gesetzes, also bei rechtlichen und finanziellen Festlegungen bleibe der Gesetzentwurf eine bloße Absichtserklärung. Ingola Schmitz, FDP, reklamiert „künstlerische Freiheit und kulturelle Vielfalt“ und wünscht sich „mehr Mut zum Abbau bürokratischer Hürden“.

Landtagspräsidentin Carina Gödecke zieht am Ende Oktober eine Zwischenbilanz und entdeckt „grundsätzliche Zustimmung, aber auch deutliche Kritik“ in den Stellungnahmen.

Ministerin Schäfer hofft, das Gesetz noch in diesem Jahr durch den Landtag zu bringen. Ob das Plenum tatsächlich noch vor Jahresschluss den Entwurf verabschiedet, ist angesichts der umfangreichen Einwände der angehörten Verbände eher unwahrscheinlich geworden. Schäfer und die Landesregierung, deren Saldo in der Kulturpolitik bisher nicht besonders positiv ausfällt, wären gut beraten, den sensiblen Punkt der Kultur nicht übers Knie zu brechen. Schnellschüsse in der Kultur werden schnell zu Fehlschüssen, wie die jüngsten Verkaufsaktionen zeigen. Wenn der Gesetzentwurf wirklich den Kultursektor fördern soll, sind eine ohne Zeitdruck erfolgte grundlegende Diskussion und eine möglichst breite Zustimmung erforderlich. Finanzminister Norbert Walter-Borjans reiht sich mit seiner Sichtweise von Kunst im öffentlichen Raum als „Betriebsvermögen“ in die unheilvolle Phalanx der Durchökonomisierer ein, die den Intentionen des Kulturfördergesetzes einen Bärendienst erweist – Kultur ist unverzichtbar.

Horst Dichanz, 23.11.2014

Kommentare geben die persönliche Meinung der Verfasserin oder
des Verfassers, aber nicht in jedem Fall die Auffassung von Opernnetz wieder.


Ute Schäfer, Ministerin für Familie,
Kinder, Jugend, Kultur und Sport des
Landes NRW, SPD, sieht in dem neuen
Gesetz auch eine Signalfunktion.


Die abstrahierende und
generalisierende Sprache des
Gesetzestextes ist für den
Kulturwissenschaftler Erich Steinhauer
ein Dorn im Auge.


Für nach wie vor unzureichend hält
Gerhart Baum, FDP, Bundesminister
a. D. und Vorsitzender des Kulturrats,
die Kulturförderung des Landes.


Thomas Sternberg, CDU, sieht in
dem neuen Gesetz nicht mehr als
die Darstellung kulturpolitischer
Unverbindlichkeiten.