Fundus   Kommentar    Backstage     Medien     Medientipps     Kontakt     Impressum    Wir über uns  
   Dossier    Kleinanzeigen     Links     Facebook     Partner von DuMont Reiseverlag  
     

KOMMENTAR

Dezember 2012


 


 

zurück       Leserbrief

Der Kultur in Deutschland geht's Gold

Der Kulturfinanzbericht dieses Jahres liegt vor. Die Zahlen sind eindrucksvoll, und im Fazit ist mit der Finanzierung der Kultur in Deutschland alles in Ordnung. Vor Ort drohen Theater- und Orchestersterben. Ist also die Reduktion von Spielstätten und deren Personal tatsächlich notwendig? Oder liegt der Fehler im System?

Private Haushalte als Rezipienten kultureller Angebote geben neben der öffentlichen Hand ein festes Budget für Kultur aus, hat der Arbeitskreis Kulturstatistik in seinem diesjährigen Kulturfinanzbericht herausgefunden. Danach stellte 2009 der Erwerb von Zeitungen und Zeitschriften mit 252 Euro und von Büchern mit 144 Euro den bedeutendsten Posten dar. Für den Besuch kultureller Veranstaltungen wurden 129 Euro je Haushalt aufgewendet. Letztere ist eine Summe, die bei den Kulturinstituten eher unter ferner liefen in den Einnahmen auftaucht.

Dabei ist unstrittig, dass Kultur kein Freizeitspaß ist, mit dem das Volk ruhig gestellt werden kann. „Kultur ist vielmehr notwendig, um ein funktionsfähiges Gemeinschaftsleben zu organisieren. Daraus kann grundsätzlich die Förderung von Kunst und Kultur als eine der Kernaufgaben staatlichen und kommunalen Handelns abgeleitet werden“, findet der Arbeitskreis. Und zeigt auch gleich ein ausgesprochen positives Bild der Kultur in der Bundesrepublik Deutschland auf. Es habe sich – bedingt durch den föderalen Aufbau des Staates – eine vielseitige und vielschichtige Kulturszene entwickelt und etabliert. „Im Gegensatz zu manchen anderen Staaten dominieren hier nicht wenige Metropolen, […]. In zahlreichen Städten und Gemeinden Deutschlands trifft man auf ein reichhaltiges und mannigfaltiges Kulturangebot, das nicht nur Museen, Sammlungen, Bibliotheken, Kinos, Theater und Musik umfasst, sondern auch eine Vielzahl soziokultureller Zentren, Heimatvereine und regionalspezifischer Kulturangebote, die einem breiten Publikum zugänglich sind.“ Dass immer mehr Menschen von dieser gesellschaftlichen Teilhabe ausgeschlossen sind, erwähnt der Bericht nicht, aber das ist vielleicht auch nicht seine Aufgabe.

Vielmehr zeigt er die Ausgaben für „die Kultur“ in Deutschland, die bis 2009 tatsächlich stattgefunden haben beziehungsweise für die Jahre 2010 bis 2012 vorgesehen sind. Das größte Manko des Berichts: Die Ausgaben der Kommunen werden im Einzelnen nicht ausgewiesen. Begründet wird das mit der „andauernden Umstellung des kommunalen Rechnungswesens“. Eine nur schwer nachvollziehbare Argumentation, würde sie doch bedeuten, dass die Städte und Gemeinden überhaupt nicht wissen, was sie eigentlich tatsächlich für die Kultur ausgeben, aber immer mehr von ihnen beständig für Kürzungen plädieren.

Trotzdem lohnt ein Blick auf die Ausgaben, die bei Bund und Ländern geflossen sind. 2009 stellte die öffentliche Hand insgesamt rund neun Milliarden Euro zur Verfügung. Das entspricht 111,48 Euro je Einwohner und bedeutet eine Steigerung von etwa 22 Prozent gegenüber 1995. Was viel klingt, ist in der Relation zur Wirtschaftskraft eine verschwindend geringe Summe: Die Ausgaben für Kultur machen einen Anteil von 0,38 Prozent am Bruttoinlandsprodukt aus. Fast die Hälfte der Gelder wird für Theater und Musik aufgewendet, an zweiter Stelle folgen Museen und schließlich die Bibliotheken. Etwas anders verhält sich die Ausgabenverteilung auf Bundesebene, was am Engagement des Bundes an deutscher Kultur im Ausland liegt. Aber das ändert nicht wesentlich die Relationen.

Damit ist doch eigentlich alles in Ordnung: Es wird ein Haufen Geld für die Kultur ausgegeben, das meiste davon für die, die am meisten brauchen. Dennoch gerät alles in Schieflage. Das erinnert an die Sparzwänge, die uns permanent von Politik und Medien eingebläut werden, während die Steuereinnahmen nie geahnte Höhenflüge erreichen, die Wirtschaft boomt und die Börse sich über eines ihrer besten Jahre ihres Bestehens freut. Die Kommunen berufen sich permanent auf das Haushaltssicherungsgesetz. So wie sie es bei ihren Straßennetzen behaupten, die in manchen Städten längst das Niveau von Feldwegen erreicht haben, oder bei der Sozialfürsorge, die sich in anderen Städten inzwischen auf das Einrichten von Lebensmittelversorgungsstellen beschränkt.

Zwei Fragen seien dazu erlaubt: Wer hat eigentlich dafür gesorgt, dass Schulden in unglaublicher, nein, unglaubwürdiger Höhe auflaufen, und ist dafür nicht zur Rechenschaft gezogen worden? Und: Wer erlässt Gesetze, die das Gemeinwohl bedrohen, ohne dafür zur Rechenschaft gezogen zu werden? Seit Jahren werden in einem Land, das sich der Sozialen Marktwirtschaft verschrieben hat und nicht etwa dem neoliberalen Kapitalismus, die Dinge nur noch nach ihrem finanziellen Nutzwert bemessen. Das funktioniert nicht, am wenigsten in der Kultur. Und so zeigt der Kulturfinanzbericht in erster Linie eines: Die finanzielle Ausstattung stimmt, die Verteilung auch hier nicht. Etwas ist inzwischen ziemlich faul im Staate Deutschland.

Michael S. Zerban, 29.12.12

Kommentare geben die persönliche Meinung der Verfasserin oder
des Verfassers, aber nicht in jedem Fall die Auffassung von Opernnetz wieder.


Kultur ist nicht nur schön, sondern
auch notwendig. Äußerlich ist alles in
Ordnung, trotzdem stimmt etwas nicht.


Wie in Schwerin steht vielen
Kulturinstitutionen das Wasser längst
bis zum Hals. Im Kulturfinanzbericht
liest sich das ganz anders.


Neun Milliarden Euro stellten Bund,
Länder und Gemeinden 2009 zur
Verfügung. Die Bergischen
Symphoniker stehen dank einer
kräftigen Kultursparpolitik so gut wie
vor dem Aus.


Für Denkmalschutz und -pflege steht
nur ein Bruchteil der Kulturausgaben
zur Verfügung.


Brauchtumspflege wie hier beim
Urdenbacher Erntedankfest wird
vielfach schon zur Gänze von den
Bürgern getragen. Ist doch auch
ganz hübsch.