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KOMMENTAR

August 2014


 


 

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Käfighaltung im Luxushotel

Umwegrentabilität ist ein großes Stichwort, wenn es um Sinn und Unsinn kultureller Aktivitäten aus ökonomischer Sicht geht. Hier kann ein Vielfaches des Geldes verdient werden, das in die Kultur investiert wird. Kann. Etwa ein Viertel der Besucher von Aufführungen kommen als Touristen. Wenn die zufrieden sind, kommen sie wieder. Was sich allerdings im Hotelgewerbe abspielt, dürfte weder den Städten noch den Kulturinstitutionen nutzen.

Hotel und Reise sind gebucht, der Check-in via Internet für den Flughafen hat funktioniert und die Koffer sind gepackt. Eigentlich steht einem angenehmen Aufenthalt in der weit entfernten Stadt nichts entgegen. Immer mehr, vor allem ältere Herrschaften reisen gern mal, um eine besonders wichtig oder interessant erscheinende Aufführung irgendwo auf dieser Welt zu besuchen. Sei es der Lieblingssänger, der nur in der Ferne auftritt, sei es die Inszenierung, die Schlagzeilen gemacht hat: Inzwischen rechnen beispielsweise Opernhäuser mit einem Anteil von mindestens 25 Prozent an Touristen pro Aufführung. Das ist ein gewaltiges Potenzial. Nicht nur für die Eigeneinnahmen der Häuser, sondern vor allem für die so genannte Umwegrentabilität, also die Gelder, die aufgrund der kulturellen Veranstaltung in die Stadtkassen gespült werden.

Das lohnt natürlich nur, wenn alle an einem Strang ziehen und die Gäste so behandeln, dass sie zufrieden genug sind, um wiederzukommen. Da gewinnt ein Blick hinter die Kulissen eine ganz andere Bedeutung. Zum Beispiel ein Blick in die Hotels, die sich der höheren Kategorie zuschreiben. Und dieser Blick ist erschreckend. Was hier im Namen des Service stattfindet, hat mit Gastlichkeit so viel zu tun wie das Ende des Don Carlo mit dem Leben.

Da ist das Hotel in Bregenz, das einem Gast nach einer 700-Kilometer-langen Anreise nicht einmal einen Parkplatz in der hoteleigenen Tiefgarage anbieten kann, sondern stattdessen auf öffentliche Parkräume verweist, noch das harmloseste, was dem Gast widerfahren kann.

Man muss sich wundern, was für Gäste in so genannten Luxusherbergen auftauchen. Wie sonst ist es zu erklären, dass der Gast beim „Check-in“, also bei der Ankunft, erst einmal eine Kreditkarte zücken oder noch besser 150 Euro als Sicherheitsleistung für die Mini-Bar und Bezahlfernsehen hinterlegen muss? Eine Frechheit schlechthin. So geschehen in München, Amsterdam und Helsinki. Das hat nichts mehr mit Gastlichkeit zu tun, sondern ist eine Kaninchenhaltung, eine Schreckstarre, um Verlusten vorzubeugen, die gutbetuchte Gäste nach dem Genuss eines Bitter Lemon aus der Mini-Bar des Hotelzimmers unterschlagen könnten.

140 Euro verlangt ein Hotel in einer Seitenstraße von Helsinki, damit der Gast eine Nacht im Zimmer dieses Hotels verbringen darf. Wenn er es denn schafft, zu dem Zimmer vorzudringen, werden doch inzwischen die Fahrstühle mit Sicherheitsvorrichtungen versehen, damit nicht einfach ein Urlauber in das Stockwerk gelangt, in das er geschickt wird. Nach der Auseinandersetzung mit der Technik der Zimmertür und dem Trick, dass man die Zugangskarte nicht einfach ablegt, sondern an den dafür vorgesehen Platz einsteckt, empfängt den Gast beispielsweise in Helsinki dröhnende Musik aus dem Fernseher, ein unangenehmer Geruch, der an die Ausdünstungen billiger Möbel erinnert, die in der Tat einen Großteil der Zimmerausstattung ausmachen, und das Rauschen der Klimaanlage. Kein Problem. Einfach mal weit die Fenster aufreißen, um frische Luft hereinzulassen. Aber nicht in den Häusern der gehobenen Kategorie. Da sind die Fenster fest verschlossen. Das weckt Knastgefühle. Gefangen im Käfig, in dem der Ventilator der Klimaanlage dröhnt. Unaufhörlich, wenn man nicht aufpasst, 24 Stunden am Tag. Im Bad braucht man sich ohnehin keine Gedanken über Fenster zu machen. Es gibt sie nicht. Stattdessen auch dort dröhnende Gebläse und Fußbodenheizung, damit der Fußboden bei der ganzen Kaltluft nicht komplett auskühlt. An der Wand das Schild, das ein Handtuch auch eine Woche oder länger reichen kann, wenn es der Umwelt dient. Zuvörderst dürfte es der Gewinnmaximierung nutzen. Ebenso wie die Werbebroschüre über die hauseigenen Wellness-Angebote im Bad statt der früher üblichen hilfreichen Hinweise in der Mappe, die im Zimmer auslag.

Selbstverständlich ist auch das Rauchen im eigenen Zimmer längst nicht mehr gestattet. Hier greifen die Häuser inzwischen gern auch zu drastischen Drohungen. Wer raucht, zahlt. Bis zu 200 Euro für eine Zimmerreinigung, ist zu lesen. So hat man also schier bewegungslos ausreichend Gelegenheit, sich die von den Möbeln absplitternden Beschichtungen anzuschauen. Weniger Pflege der Zimmer spart noch einmal viel Geld.

Immerhin, der Aufwand an Technik ist enorm. Wofür ein Zimmer acht Lampen braucht, erschließt sich nicht unmittelbar. Das ist dann wohl endlich der Luxus, von dem in Prospekten und auf miserablen Websites permanent die Rede ist. Inzwischen bürgert es sich mehr und mehr ein, WLAN auf dem Zimmer kostenlos anzubieten, was eigentlich seit Jahren eine Selbstverständlichkeit sein sollte. In Italien ist das beispielsweise seit mindestens fünf Jahren üblich. Aber wehe, wenn das Gerät sich nicht absolut automatisch in das WLAN einklinkt. Dann hat der Gast verloren. Auf Hilfe vom Hotel hofft er vergebens.

Die teuren Hotelketten scheinen es sich offenbar leisten zu können, ihre Gäste mehr und mehr zu gängeln und zu bevormunden. In vielen Häusern gibt es an den Wänden inzwischen mehr Verbotsschilder als Hinweise oder gar Kunst. Das Problem eines solchen Service-Verständnisses ist auch gar nicht in erster Linie die Bettenbelegung. In Zeiten (noch) zunehmender Mobilität erledigt sich die Frage nach den Belegungszahlen quasi von selbst. Was Manager, die ihre Häuser auf solche Art und Weise führen, übersehen, ist, dass sie nicht nur dem eigenen Unternehmen, sondern vor allem auch der Stadt einen gewaltigen Imageschaden zufügen. Da können die Stadtväter dann noch so viel Geld in die Kultur pumpen, um ihre Städte attraktiv und besucherfreundlich zu gestalten. Wenn der Gast zuerst in die Zelle muss, ehe er zum Opernbesuch schreiten kann, wird er sich einen neuerlichen Besuch gründlich überlegen. Für diese Art der Gewinnmaximierung gab es übrigens früher einen Begriff: Milchmädchenrechnung nannte man das.

Michael S. Zerban, 16.8.2014

Kommentare geben die persönliche Meinung der Verfasserin oder
des Verfassers, aber nicht in jedem Fall die Auffassung von Opernnetz wieder.


Verriegelt und verrammelt: Besonderer
Luxus im Hotel sind verschlossene
Fenster, die die frische Luft vor der Tür
lassen.


Technik als Luxus-Symbol: Das
Rauschen der Klimaanlage im lampen-
und steckdosenüberfrachteten Raum
macht besondere Freude.


Der Paradigmenwechsel von der
Service-Mentalität zur Profit-
Maximierung findet sich nicht nur in
Helsinki, sondern beispielsweise auch
in Amsterdam.


Nach 700 Kilometern im Auto heißt es
in Österreich erst mal: Parkplatz
suchen. Weil das Hotel nicht auf die
Idee kommt, einen Garagenplatz zu
reservieren.


Kostenloses WLAN im Hotel ist kein
Luxus, sondern Selbstverständlichkeit -
in Italien seit vielen Jahren. Im Rest
der Welt setzt es sich langsam durch.

Fotos: Opernnetz