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KOMMENTAR

Februar 2014


 


 

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Fallstrick an der Eingangstür

Endlich fangen viele Theater- und Opernhäuser an, ihre Türen zu öffnen und ihre wichtigsten Botschafter, Schauspieler und Opernsängerinnen, in die Stadt zu schicken, damit auch kulturferne Bevölkerungsschichten Zugang zur Kunst bekommen. Gleichzeitig werden mehr oder minder heimlich die Eintrittskosten – zumeist auf Weisung oder in Absprache mit den Stadträten – erhöht. So werden vernünftige Ideen konterkariert, und das wichtigste Kapital der Häuser, das Vertrauen des Publikums, wird weiter verspielt.

Eigentlich leben wir in einer großartigen Zeit. Angesichts finanziell enger werdender Rahmenbedingungen sind Opern- und Theaterhäuser mit Musiktheater-Angeboten gezwungen, die elitären Schranken zu heben und, statt auf dem Olymp der hohen Kunst zu verharren, sich den Niederungen der Stadt zu öffnen. Plötzlich müssen die Marketingexperten der Opernhäuser kreativ werden und die Anbindung an die Stadt suchen, deren Bürgerinnen und Bürger das Haus bislang zumeist nur als opulente Architektur wahrgenommen haben. Plötzlich erleben diese Bürgerinnen und Bürger das Musiktheater als Opernrallye, Flashmob, Liederabend, Stadtteilprojekt oder Workshop im Kaufhaus. Die Diva wird auf einmal wahrgenommen als eine Frau, die wunderbar singen kann, so schön, wie man das noch nie gehört hat. Menschen, die noch nie mit der Oper in Berührung gekommen sind, sehen sich überrascht wundervoller Musik gegenüber, die weit entfernt von der Populärmusik das Herz anrührt. Oper oder – allgemeiner – Musiktheater erfährt eine nie erlebte Demokratie. Und das ausgerechnet deshalb, weil Politiker ihren grundgesetzlichen Auftrag vergessen haben und versuchen, der Kultur die Gelder wegzunehmen, die ihr von Gesetzes wegen zustehen. Weil sie fälschlich von Subventionen reden, um zu suggerieren, Kultur sei ein Unterstützungsbetrieb, was schlicht gelogen ist.

Von einer solchen Entwicklung lassen sich kulturfeindliche Politiker nicht abschrecken. Und fordern von den Häusern die scheinbar plausible Entwicklung, die Eigeneinnahmen zu erhöhen. Wie die Lemminge – und hier ist das Ausrufezeichen – bemühen sich die Intendanzen nun darum, Eintrittsgelder zu erhöhen, Dienstleistungen zu streichen oder sie bezahlen zu lassen. Damit treffen sie die, die sie eben noch dafür begeistern wollten, Musiktheater zu entdecken, an der empfindlichsten Stelle – im Geldbeutel. Im Keim erstickt, so scheint es, die Diskussion, ob man so genannte Restkarten stark verbilligt an Bedürftige abgibt. Stattdessen beugen sich die Institutsleitungen allzu willig dem politisch-kommunalen Diktat. Obwohl entgegen anderslautender Behauptungen keine wirkliche Notwendigkeit besteht, werden – meist stillschweigend – die Eintrittsgelder erhöht. Damit gerät die „Öffnung in die Stadt hinein“, die viele Häuser für sich deklamieren, bestenfalls zur billigen Werbemaßnahme, schlimmstenfalls zur Farce. Das kann bei den der Kultur ohnehin misstrauisch gegenüberstehenden Bevölkerungsschichten schnell zum falschen Signal missraten.

Die Erkenntnis einer solchen Fehlentwicklung kann natürlich nicht sein, findige, kreative Ideen, kulturferne Bürgerinnen und Bürger für das Geschehen an den Theatern zu begeistern, über Bord zu werfen. Vielmehr darf von den Verantwortlichen verlangt werden, dass sie endlich aufhören nachzudenken und anfangen zu antizipieren, was beispielsweise kurzfristige, oft genug scheinbare, Mehreinnahmen tatsächlich bewirken. Dass das mit Unannehmlichkeiten verbunden ist, weil das Schulterklopfen von Kulturreferent und Bürgermeister ausbleibt, würde dann damit belohnt, dass man sich tatsächlich in der Stadt verankert – und bei den nächsten Kürzungsversuchen, die so sicher kommen wie die Kollekte in der Kirche, von einem ganz anderen Fundament aus argumentiert. Denn das Vertrauen von Bürgerinnen und Bürgern aller Bevölkerungsschichten ist eine starke Waffe. Vor der haben neoliberale Politikerinnen und Politiker mindestens so viel Angst wie vor einer Kultur, die nicht vor den scheinbar Mächtigen in die Knie geht.

Michael S. Zerban, 4.2.2014

Kommentare geben die persönliche Meinung der Verfasserin oder
des Verfassers, aber nicht in jedem Fall die Auffassung von Opernnetz wieder.


Die Volksoper Wien macht mit einer
spektakulären Aktion auf das eigene
Haus aufmerksam. Öffentliche
Institutionen spielen da gerne mit.


Das Staatsballett Berlin entwarf gar
eine eigene Choreografie, um auf
den Zauberer von Oz aufmerksam
zu machen. Kleine Aktionen, die
wirken, wenn sie nicht als Werbung
empfunden werden.


Eine völlig neue Form, die Oper in die
Stadt zu tragen, fand die Deutsche
Oper am Rhein
mit der Opernrallye.
Unter Federführung von
Marketingleiterin Heide Koch war
das nur der Auftakt.


In Münster zeigte der offizielle
Empfang zu Beginn dieses Jahres,
dass Lippenbekenntnisse nicht mehr
reichen.