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Oktober 2011


 
 

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Der Lehrer macht's

Helga Matthus gründete 2009 das Internationale Gesangsstudio Berlin unter der Schirmherrschaft von Eva Wagner-Pasquier. Ihr Ziel ist es, hochbegabten Sängerinnen und Sängern eine Aus- oder Weiterbildung speziell in italienischer Gesangstechnik zu ermöglichen. Dafür konnte Opernsänger Cesare Colona gewonnen werden.

Opernnetz Was sind für Sie die Vorzüge der privaten Stimmausbildung und was die Vorzüge der institutionalisierten Stimmausbildung?

Helga Matthus Ob private oder institutionalisierte Stimmausbildung – das Wichtigste ist ein guter Lehrer beziehungsweise eine Lehrerin. Als ich mit 17 Jahren nach dem Abitur mein Gesangsstudium an einer Musikhochschule begann, hielt ich alle Gesangsprofessoren für Halbgötter und fühlte mich im siebenten Himmel, war ich doch aus vielen Bewerbern gewählt worden. Ich machte brav und fleißig alles, was man mir sagte - bis meine Stimme krank wurde. Erst später erfuhr ich, dass die Schuld nicht bei mir lag. Es ging auch anderen Sängern wie mir. Mein Staatsexamen bestand ich dann mit Hilfe einer privaten Lehrerin, die ich mir suchte. Ihr habe ich auch zu verdanken, dass ich die Fähigkeit erwarb, meine Theaterlaufbahn anzutreten.

Seit 20 Jahren höre ich mir als Jury-Mitglied der Kammeroper Schloß Rheinberg im In- und Ausland jedes Jahr etwa 500 Sängerinnen und Sänger beim Vorsingen an. Die meisten studieren noch an Hochschulen, eher selten privat. Leider sind die gut ausgebildeten Sänger in der Minderheit. Eigentlich müssten wir vielen sagen, dass sie den Lehrer oder die Lehrerin wechseln sollten. Aber das ist zeitlich nicht zu schaffen; da muss man sehr behutsam vorgehen.

Was ist ein guter Lehrer? Er – oder sie – sollte selbst über eine gute Technik des Singens sowie über Berufserfahrung verfügen. Aber selbst wenn beides vorhanden ist, heißt das noch lange nicht, dass sie auch die Fähigkeit haben, ihr Können an den Nachwuchs weiterzugeben. Auch das ist eine große Begabung.

 

Opernnetz Was ist das Besondere, das das Internationale Gesangsstudio in Berlin auszeichnet?

 

Matthus Es ist der außergewöhnlich gute Lehrer: Cesare Colona. Nur seinetwegen habe ich das Studio gegründet. Ich wollte den jungen Gesangstalenten helfen, und mit diesem Lehrer kann ich es. Als ich vor etwa drei Jahren Cesare Colona und seine Schüler kennenlernte, konnte ich es kaum fassen. Ja, das gibt es: eine Technik, ein Handwerk, auf das man sich zu hundert Prozent verlassen kann; eine Technik, die ein müheloses, angstfreies und gesundes und schönes Singen ermöglicht. Und das geht auch noch relativ schnell. Ob Anfänger, Weiterzubildende oder junge Sänger mit stimmtechnischen Problemen: Cesare Colona bringt sie in erstaunlich kurzer Zeit zum Singen.

Die meisten jungen Sängerinnen und Sänger haben jedoch kein Geld für ein Privatstudium. Also gründete ich das Internationale Gesangsstudio Berlin als gemeinnützigen Verein. Wir sind angewiesen auf Spenden und Mitgliedsbeiträge, was die Sache nicht immer leicht macht. Aber so können wir jungen Talenten auch finanziell den Unterricht ermöglichen. Und wenn ich sehe, wie glücklich sie nach jeder Gesangsstunde bei Colona sind, und wie froh, wieder in der Lage zu sein, am Theater zu arbeiten – und damit ihre Existenz zu retten – dann bin auch ich glücklich!

 

Opernnetz Was sind die häufigsten Fehler, die junge Talente bei der Stimmausbildung machen? Zu ehrgeizig? Zu unbekümmert?

 

Matthus Die jungen Talente können selbst keine Fehler bei der Stimmausbildung machen, wenn sie bei einem guten Lehrer studieren. Es sei denn, sie sind zu faul zum Arbeiten, was ich aber selten erlebt habe. Allerdings sollten sie auch im Berufsleben, zum Beispiel wenn sie am Theater engagiert sind, weiterhin unter der Kontrolle des Lehrers bleiben; denn der wird dann auch darauf achten wird, dass sie nicht Partien singen, die ihrer Entwicklung schaden. Der Ehrgeiz, große und schwierige Partien zu singen, ist oft groß und kann sehr gefährlich sein.

Opernnetz Gibt es Anzeichen, die frühzeitig auf eine Fehlentwicklung hinweisen?

 

Matthus Ja, natürlich hören wir in der Jury schon sehr früh eine Fehlentwicklung. Aber die jungen Sänger darauf hinzuweisen, dafür fehlt uns einfach die Zeit.

Opernnetz Welchen Rat geben Sie jungen Talenten – als “Rezept” – für ihre Ausbildung?

 

Matthus Ein "Rezept" für ihre Ausbildung gibt es leider nicht. Jeder Sänger und jede Sängerin ist eine eigenständige Persönlichkeit und muss dementsprechend behandelt werden. Man kann nur raten, äußerst sorgfältig mit dem Talent umzugehen und einen guten Lehrer zu finden. Ob privat oder im Institut – das spielt aus meiner Sicht keine Rolle; denn natürlich gibt es auch an Musikhochschulen gute Lehrerinnen und Lehrer.

Die Fragen stellte Ulrike Naim am 3.10.2011