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DVD-Besprechung

La Traviata

9.3.2012


Points of Honor                      

Musik

Gesang

Regie

Bühne

Publikum

Kamera
Ton

Chat-Faktor


Cover





 

 

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Italienisches Feuer

Im Mittelpunkt der neuen Traviata-DVD steht Natalie Dessay, die in der aufgezeichneten Vorstellungserie in Aix en Provence aus dem Jahr 2011 ihr Europa-Debüt in dieser Rolle gibt. Es ist schon bemerkenswert, wie die Dessay die Rolle mit dem Körper ausdrückt. Da wirkt keine Geste zufällig, aber auch nie gekünstelt abgerufen. Auch gesanglich wirft sie sich mit vollem Elan in die Rolle, wobei man ihr anmerkt, dass die Violetta Valery durchaus eine grenzwertige Partie für sie ist. Wie auch ihre zierliche Gestalt vermittelt die Stimme eine gefährliche Zerbrechlichkeit, die der Rolle überaus gut steht. Ihre Höhe allerdings strahlt längst nicht mehr den Glanz vergangener Tage aus. Für den nicht notierten Acuti am Ende von Sempre libre opfert sie sogar einige Takte ihres beseelten Gesangs.

In der Inszenierung von Jean-Francois Sivadier gehört die Bühne ganz ihr, die begehrte Kurtisane wird fast mit einer großen Künstlerin gleichgesetzt, die die Gesellschaft um den Finger wickeln, sie zugleich aber auch spalten kann. Der Regisseur verzichtet auf allen pompösen Prunk um die Person sondern macht eine menschliche Geschichte in aller Natürlichkeit aus dem Werk. Das Bühnenbild von Alexandere de Dardel kommt mit wenigen Prospekten und Requisiten aus, Virginie Gervaises Kostüme sind schön schlicht, die Lichtregie von Philippe Berthomé unterstützt die Szene genial. Die Personenführung ist umso detaillierter, die Reaktionen der Akteure transportieren ihren Charakter. In der Beziehung zu ihrem Alfredo erkennt man in dem Spiel der Dessay die emotionale Unsicherheit. Charles Castronovo singt ihn insgesamt recht ordentlich mit robusten, aussagekräftigen Tenor, der sich in der Höhe aber etwas unschön verengt. Ein Highlight der DVD ist sicher der zweite Akt, wo die Dessay auf Ludovic Tezier trifft. Der darf den Giorgio Germont mit väterlicher Sorge spielen, fernab von kalkulierter Bosheit. Auch sein Verdi-gerecht strömender Bariton passt zu der Rolle. Er bietet stimmlich die beste Leistung der Aufnahme. Junge, dynamische Typen in den Nebenrollen, die angeführt werden von Silvia de la Muela als Flora, ergänzen diese drei Hauptrollen. Adelina Scarabelli ist als mütterliche Annina die einzige Ausnahme im jungen Ensemble. Auch der Estonian Philharmonic Chamber Chor in der Einstudierung von Mikk Üleoja spielt und singt seine Rolle im Konzept zur vollsten Zufriedenheit. Das London Symphonie Orchestra unter der inspirierten Leitung von Louis Langrée fasst das Geschehen in Töne, lässt die vielen Momente der Ruhe in der Inszenierung zu, vermag aber auch das italienische Feuer zu entfachen.

Glücklicherweise ist der Ton der DVD so gut, dass die Musik immer über den Bühnengeräuschen steht. Die Stimmen sind sehr ausgewogen nebeneinander gestellt. Der ungetrübte Hörgenuss wird unterstützt durch die Kameraführung, die natürlich auch Natalie Dessay in den Mittelpunkt stellt, ohne aber das Geschehen auf der Bühne zu vernachlässigen. Für die EMI-Tochter Virgin Classics mag die Veröffentlichung der DVD ein Gewinn sein, gespart haben sie aber bei der kargen Ausstattung. Untertitel sind ja längst fast ein Muss, doch ansonsten werten keine weiteren Extras die DVD auf. Völlig belanglos ist das beidseitig bedruckte Faltblatt, das ein paar Fotos und die Namen parat hat. Ansonsten gibt es nichts zu lesen. Angesichts dieser Produktion kaum zu glauben.

Christoph Broermann

Fotos: EMI