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Buchbesprechung

Traumberuf Opernsänger


Autor



Kaufinformationen

Gerd Uecker:
Traumberuf Opernsänger - Von der Ausbildung zum Engagement

Henschel

ISBN 978-3-89487-675-3

Paperback, 176 Seiten, 17 Euro


Points of Honor                      

Buchidee

Stil

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Preis/Leistung

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Zwischen Banalität und Glamour

Wann entscheidet sich, dass ein Kind OpernsängerIn werden will? Wenn es mit sechs Jahren seine erste Oper besucht, anschließend ein Instrument erlernt, Gesangsunterricht nimmt? Der Chorleiter in der Schule seine Begabung entdeckt? Gerät es womöglich im Zuge einer musiktheaterpädagogischen Maßnahme in den Bann der Opernwelt? Viele Wege sind denkbar, nur einer ist eher unwahrscheinlich: Dass sich der Jugendliche gegen Ende der Schullaufbahn entscheidet, er wolle jetzt Opernsänger werden, und ein entsprechendes Studium aufnimmt. Dieser Eindruck entsteht aber, wenn Gerd Uecker über den Traumberuf Opernsänger schreibt.

Auf mehr als 170 Seiten bemüht sich der Lehrer und ehemalige Intendant, mit Vorurteilen aufzuräumen, die Traumfabrik Oper ein wenig ins rechte Licht zu rücken – und manchem die Leviten zu lesen, was seine allzu überhöhten Vorstellungen des Traumberufs angeht. „Die Spitze der Pyramide leuchtet und verführt leicht zur Meinung, diese Spitze stelle den Normalfall dar. Dabei sind es aber nicht einmal hundert Opernsänger auf der ganzen Welt, die in unserer Medienwelt zu Stars werden können“, erklärt Uecker in seinem Vorwort. Recht hat er, lässt sich aber in seinem Werk nicht auf die Diskussion ein, dass an den Hochschulen ständig Überschuss produziert wird, als gäbe es einen unendlichen Bedarf an OpernsängerInnen.

Ansonsten lässt er kaum einen Aspekt aus, der den Beruf des Opernsängers beleuchtet. Das macht die Stärke des Buchs aus. Viel Wert legt der Autor auf die „alten Tugenden“, die bis heute nichts von ihrer Aktualität verloren haben. Rebellion und Avantgarde sind das eine, Präzision und Fleiß das andere. „Gerade bei Vorsingearien bin ich immer wieder verblüfft, welche Ungenauigkeiten oder gar Fehler der musikalische Vortrag enthält. Der Notentext ist als eine unanfechtbare Vorlage zu betrachten.“ Dabei hält Uecker, wie es sich für einen guten Lehrer gehört, nicht den moralischen Zeigefinger hoch, sondern wägt das eine mit dem anderen ab.

Schön, dass er nicht zu erwähnen vergisst, was eigentlich passiert, wenn der angehende Opernsänger an einen schlechten Lehrer gerät – und davon gibt es offenbar mehr, als man denkt – oder nach seiner Ausbildung feststellen muss, dass seine Stimme einer Laufbahn nicht standhält. So ist dieses Buch vielleicht viel eher für die Eltern beseelter  angehender SängerInnen geeignet, die sich voller Sorge fragen, was passiert, wenn sie ihren Töchtern oder Söhnen eine solche Ausbildung ermöglichen. Denn hier gewinnen sie einen Einblick in die „Traumwelt“ ihrer Zöglinge und eine Argumentationsgrundlage für vernünftige (!) Gespräche mit dem Nachwuchs, der eigentlich Banker oder zumindest Betriebswirtin werden sollte. Das sind glücklicherweise nicht wenige, denn trotz aller bizarren Diskussionen über Kultur in der Öffentlichkeit haben die Kultur und ihre Berufe nichts von ihrer Anziehungskraft für Jugendliche verloren.

Leichter wird dabei nichts: „Opernsänger heißt, in einem harten, permanenten öffentlichen Wettbewerb zu stehen. Die Konkurrenz ist international, eher zahlenmäßig wachsend und unerbittlich. Nur Qualität setzt sich dabei durch und garantiert, dass man sich in den oberen Riegen des Berufes etabliert.“ Dennoch kommt Uecker zu einem versöhnlichen Ergebnis, und das macht das Werk auch für Menschen interessant, die vielleicht gar nicht erst OpernsängerInnen werden wollen, sondern sich ganz einfach für den Beruf interessieren. Oder für die immer faszinierende Welt der Oper: Hier wird sie nicht mystifiziert, sondern in die Wirklichkeit geholt. Und das ist ganz schön spannend.

Michael S. Zerban, 26.6.2012