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Buchbesprechung

Klassischer Gesang als Beruf und Berufung - Geschichte, Ausbildung, Praxis


Autor



Rudolf Piernay studierte Gesang, Klavier und Dirigieren in Berlin und London. Danach absolvierte er eine internationale Karriere als Konzertsänger, ehe er seine Hochschullehrertätigkeit begann. Gastprofessuren und Meisterkurse beschäftigen den international renommierten Bassbariton vor allem in Amerika und Deutschland. Darüber hinaus ist er bei zahlreichen internationalen Gesangswettbewerben als Juror unterwegs.


Kaufinformationen

Rudolf Piernay:
Klassischer Gesang als Beruf und Berufung - Geschichte, Ausbildung und Praxis

Bärenreiter Henschel

ISBN 978-3-7618-2279-1

Paperback, 160 Seiten, 17 Euro


Points of Honor                      

Buchidee

Stil

Erkenntnis

Preis/Leistung

Verarbeitung

Chat-Faktor


 

 

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Mit langem Atem

Stimmbildung für Kinder leidet allgemein darunter, dass in Kindergärten und ähnlichen Einrichtungen oft Erzieher arbeiten, die stimmlich ungenügend informiert und ausgebildet sind. Sie singen mit den Kindern oft in viel zu tiefen Lagen. Es treten dadurch bereits im Vorschulalter irreversible Schäden in der Entwicklung der Kinderstimme und eine bedauerliche Verrohung des Tonempfindens durch forcierten Gebrauch der Bruststimmfunktion auf, die falsche Weichen für eventuelle spätere Gesangsstudenten stellen.“ Rudolf Piernay mag mit seiner Aussage Recht haben. Aber welche Konsequenzen hat das? Überspannte Gesangsexperten, die Bücher schreiben, nicht mehr zu Wort kommen zu lassen, oder der Ausbildung der Erzieher noch eine Gesangsausbildung hinzufügen? Die Antwort auf diese Frage bleibt Piernay in seinem Buch Klassischer Gesang als Beruf und Berufung – Geschichte, Ausbildung, Praxis schuldig. So, wie er insgesamt ein klares Profil vermissen lässt. Formal scheint die Gliederung schlüssig. Über die historische Entwicklung und Ausbildung der Solostimme über die gegenwärtige Ausbildung, das internationale phonetische Alphabet hin zum heutigen Berufsbild des professionellen Sängers reichen die Kapitel. Inhaltlich findet der Leser auch eine Fülle interessanter Informationen. Aber je weiter die Lektüre voranschreitet, desto häufiger fragt man sich: Was bringt mir diese Auskunft? „Die italienische Manier des Singens liebt Gleitprozesse […] – damit befindet sie sich im Vergleich zu der der Nordeuropäer nicht nur in größerem Einklang mit der Natur des menschlichen Gesangsorganes, sondern erzielt darüber hinaus auch emotional berührendere Ergebnisse. Die nördliche Singweise überträgt im Allgemeinen bereits im Kindesalter beim sauberen Absingen von Volksliedern die Stufigkeit der Tasteninstrumente auf den Gesang und neutralisiert ihn damit gefühlsmäßig. Ein weniger emotional packendes Musizieren ist meistens auch später noch die Folge.“ Die Konsequenz: Nordeuropäer müssen die Gleitbewegung lernen. Ein Hinweis für Gesangslehrer? Denen möchte man solche Kenntnisse und Notwendigkeiten doch als Basiswissen unterstellen. Also eher ein Tipp für den Gesangsschüler, in seiner Ausbildung darauf zu achten, dass ihm auch die Gleitbewegung beigebracht wird? Wohl kaum, ist der doch – hoffentlich – schon im Vorfeld seines Studiums mit dem Portamento italienischer Musik in Berührung gekommen. Auch dem gesanglich interessierten Laien will diese Information nur bedingt nützlich erscheinen. Mit solcherlei Wissen füllt der international anerkannte Gesangspädagoge annähernd 160 Seiten, um zu dem Schluss zu kommen, dass „zunächst und allgemein in den ersten Jahren, nachdem das Instrument einige technische Stabilität erworben hat, das Studium stimmlich und musikalisch auf breitester Basis betrieben werden sollte, um alle Möglichkeiten für eine spätere Ausrichtung offenzuhalten“. Aha.

Das schmale, überdies schlecht verarbeitete Buch richtet sich mit Basiswissen, so sagt es der Buchrücken, an Studierende, Profis und Gesangslehrer. Auch die sind heute im Internet unterwegs. Neben einer Literaturliste, die sich mit zahlreichen amerikanischen Titeln „schmückt“, gibt es aber keine Hinweise etwa auf Diskussionsforen, Ratgeberseiten oder Anlaufstellen im Netz. Das ist kein Muss, zeugt aber doch von Gegenwartsbezug, der auch einem Werk gut zu Gesichte steht, dessen Autor sich nicht im pädagogisch-theoretischen Elfenbeinturm verschließen will. Natürlich wird auch dieses Werk seine Anhängerinnen und Anhänger finden – mindestens die Schüler Piernays, von denen vermutlich nicht nur der Bariton Michael Volle ihm in tiefer Dankbarkeit zugetan ist, wie er im Vorwort offenherzig und ausführlich zur Kenntnis gibt.

Michael S. Zerban, 29.11.2012