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Buchbesprechung

Oper mit Herz -
Das Musiktheater des
Joachim Herz


Autor



Kaufinformationen

Michael Heinemann, Kristel Pappel (Hg.):
Oper mit Herz - Das Muiktheater des Joachim Herz

Verlag Dohr

ISBN 978-3-936655-97-1

Gebunden, 1048 S., 90 Euro


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Buchidee

Stil

Erkenntnis

Preis/Leistung

Verarbeitung

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Der Herz der Oper

Bis zuletzt, heißt es, habe er mit Hand angelegt bei der Gesamtausgabe seiner Schriften. Mit 86 Jahren ist Joachim Herz im vergangenen Herbst gestorben. Michael Heinemann hat unter Mitarbeit von Herz‘ zweiter Ehefrau Kristel Pappel die Redaktion zu Ende geführt und nun die dreibändige Gesamtausgabe mit über 1.000 Seiten vorgestellt.

Nach eigener Aussage ist er stets auf der Suche nach dem „erfüllten Augenblick“. Herausgekommen ist dabei, dass Herz als einer der wichtigsten Wegbereiter und Bewahrer des realistischen Musiktheaters gilt. Als Schüler und Assistent von Walter Felsenstein verwahrt sich Herz stets gegen das „Opernmuseum“. Er sucht  nach dem Kern eines Werkes, den er herausarbeiten will. Dabei verlangt er „eine neue Sicht auf die Werke“, nicht aber ein neues Stück, „während Musik und Text das alte abwickeln wie ein Ritual“.

In den drei Bänden finden sich, in chronologischer Folge, Diskurse, Essays, nachgedruckte Vorträge und dramaturgische Schriften zu seinen eigenen Inszenierungen, aber auch Kommentare und Polemiken seiner Kolleginnen und Kollegen. Dabei schreibt Herz, wie er spricht, was mitunter zu einer eigentümlichen Diktion führt. In Partizipien schwelgend, kümmert er sich wenig um die Stellung seiner Sätze, weil es nicht um Grammatik geht, sondern darum, einen besonderen Gedanken zu erklären und festzuhalten.

Das passt zu dem schroffen Arbeitsstil, dem man Joachim Herz zu Lebzeiten nachsagt. Es geht ihm weniger darum, Rücksichten auf die Befindlichkeiten einzelner zu nehmen – insbesondere auch das DDR-Regime bekommt seine Unbekümmertheit des Häufigeren zu spüren, was ihm nicht nur Sympathien einbringt – als vielmehr darum, so konkret, wie es ihm möglich ist, seine Ideen zu formulieren und vor allem deren Umsetzung zu erreichen.

Herz hat die Oper vom Barock bis zur Moderne beschrieben, indem er einzelne Werke aufgreift – und so mögen die drei Bücher so manchen als Nachschlagewerk  dienen, wenn es um einzelne Inszenierungen geht. Was den Menschen Joachim Herz angeht, bleibt auch das Kompendium unbefriedigend. Er schreibt nicht, um sich zu rechtfertigen, sondern um zu erklären; aber eben nicht das eigene Empfinden, sondern er beschränkt sich auf die scheinbar rationale Ebene. Allein, wenn er Briefwechsel berücksichtigt, leuchtet etwas von seiner inneren Haltung auf. Da schreibt er beispielsweise einem Pressesprecher (!) seine Meinung zu einer Aufführung. Nichts gegen Pressesprecher, aber ist das die Diskussionsebene für einen Regisseur, Operndirektor in Leipzig, Intendanten in Berlin oder Chefregisseur in Dresden?

So einer, der 1.000 und mehr Seiten braucht, um sich zu erklären, ist vermutlich unzufrieden, weil ihm der enge Raum nicht ausreicht. Aber er hat uns einiges hinterlassen, was die Details einer ganzen Theaterepoche beleuchtet. Damit ist die Gesamtausgabe vom Musiktheater des Joachim Herz ein prächtiger Schmöker für Opernfreaks und ein historisches Nachschlagewerk für Theatermacher und Archäologen des Regietheaters.

Michael S. Zerban, 17.12.2011