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DVD-Besprechung

Montezuma

2.7.2012


Points of Honor                      

Musik

Gesang

Regie

Bühne

Publikum

Kamera
Ton

Chat-Faktor


Cover





 

 

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Kein Glück mit der Gutmütigkeit

Friedrich II. von Preußen – besser bekannt als Friedrich der Große – erfährt in diesem Jahr wegen seines 300. Geburtstages besondere Aufmerksamkeit. Ausstellungen und Publikationen nehmen Leben und Werk des Monarchen in den Blick. Da scheint es nur angemessen, auch an der von Friedrich dem Großen mit besonderer Hingabe betriebenen Berliner Hofoper als Instrument höfischer Repräsentation zu gedenken. Friedrich stand dieser Institution nicht nur als kunstbeflissener Regent voran, er beteiligte sich in entscheidendem Maß an der Repertoirebildung. Zu einigen Opern, die sein Hofkomponist Carl Heinrich Graun vertont hat, hat er die – in französischer Sprache geschriebene, er äußerte sich schriftlich fast ausschließlich auf französisch – Prosavorlagen verfasst, die dann in ein italienisches Libretto transformiert worden sind. Eines dieser Werke ist die Oper Montezuma, die von der spanischen Eroberung Mexicos, handelt. Uraufgeführt im Jahr 1755, ist Montezuma heute eine der ganz wenigen Opern aus der Zusammenarbeit zwischen Friedrich II. und Graun, die gelegentlich Beachtung finden. Im Januar dieses Jahres hat eine Aufführung direkt am Geburtstag des Königs, am 24. Januar, in einer Produktion der Staatsoper, der früheren Hofoper, stattgefunden. Bereits 1982 hat die Deutsche Oper Herbert Wernicke mit einer Neuinszenierung, auf der Grundlage einer Neuübertragung des Librettos ins Deutsche, betraut. Diese Produktion ist nun bei Arthaus auf DVD erschienen.

Zu sehen ist allerdings nicht eine Aufführung, die in Berlin stattgefunden hat. Die Deutsche Oper ist zu einem Gastspiel nach Bayreuth gereist und hat die Aufführung dort im Markgräflichen Opernhaus gegeben. Dieses Theater bietet nicht nur einen dem zeitlichen Umfeld der Entstehung der Oper entsprechenden Rahmen, es steht in einer besonderen Beziehung gerade zu diesem Werk. Markgräfin Wilhelmine von Bayreuth, Friedrichs ältere Schwester, ist von ihrem Bruder während der Entstehung des Montezuma mehrfach um Rat gefragt und in vielen Aspekten mit einbezogen worden, wie der Briefwechsel der Geschwister dokumentiert.

Die Eroberung Mexicos durch die Spanier ist ein beliebter Opernstoff im 18. und 19., einige Beispiele gibt es sogar noch im 20. Jahrhundert. Montezuma wird in Friedrichs und Grauns Oper als das Idealbild eines gütigen, besonnenen Herrschers dargestellt. Er steht kurz vor der Heirat mit seiner Eupaforice, die sein Glück perfekt machen würde. Den mahnenden Worten seines Generals Pilpatoe von den einmarschierenden Spaniern schenkt er wenig Gehör, will den Fremden trotz ihrer offensichtlichen Absichten mit Freundlichkeit und Gastfreundschaft entgegenkommen. Die Spanier mit Ferdinando Cortes und seinem Hauptmann Narves an der Spitze nutzen dieses Entgegenkommen Montezumas aus, nehmen ihn gefangen. Montezuma lehnt den Verzicht auf den Thron ab, stellt sich seinem Schicksal und gibt so der Vereinnahmung Mexicos durch die Spanier und letztlich der Vernichtung seines Staates freie Bahn. Herbert Wernicke, Regisseur und Ausstatter in Personalunion, wählt einen in vielerlei Hinsicht überdenkenswerten Ansatz für seine szenische Umsetzung. Bereits im langsamen Teil der Ouvertüre öffnet sich der Vorhang und gibt den Blick frei auf einen das Flötensolo spielenden jungen Mann, offensichtlich soll das Friedrich II. selbst sein, der ja ein begeisterter Flötist gewesen ist. Mit Beginn der Handlung wird sofort klar, dass Montezuma selbst der musizierende junge Mann ist. In der wissenschaftlichen Beschäftigung mit dieser Oper ist immer wieder die Frage kontrovers diskutiert worden, inwiefern Friedrich mit seiner Darstellung des Montezuma sich selbst ein Denkmal setzen will. Wernicke gibt dieser Frage nun aus der theaterpraktischen Sicht ebenfalls Relevanz. Das ganze Stück spielt in einem Ambiente, durch Bühnenbild und Kostüme wirkungsvoll unterstrichen, dass eindeutig dem friderizianischen Preußen entstammt, von Mexico ist kaum eine Spur. Zum Ende dann erschließt sich, dass Wernicke tatsächlich die Zeit Friedrichs II. hervorkehren will, wenn vor der Schlusszene ein Text eingesprochen wird, der das zu der Zeit aktuelle politische Gefüge in Europa und Friedrichs Rolle darin thematisiert. Montezuma wird hier also zu einem Stück über die europäische Geschichte. Damit zeigt Wernicke eindringlich, dass die äußere Handlung hier letztlich nur sekundär ist. Es geht vielmehr darum, ein Herrschaftsgefüge darzustellen, aus der Sicht eines in höchstem Maße kunst- und kulturbeflissenen Regenten. Da spielt die Darstellung der in Text und Musik suggerierten Affekte eine wesentlich größere Rolle als das Abbilden des äußeren Rahmens. In dieser Hinsicht erweist sich Wernicke also durchaus als intimer Könner seines Fachs.

Musikalisch und sängerisch gerät die Aufführung auf durchweg hohem Niveau. Einige Details, die zu kleinen Trübungen führen, wären heute, gut 30 Jahre nach Entstehen dieser Produktion, nicht mehr denkbar. Die Besetzung männlicher Rollen mit Tenor und Bariton etwa ist sicher möglich, entspricht jedoch nach heutigen Ansprüchen nicht mehr dem Bestreben, möglichst dicht an das Aufführungsideal der Zeit heranzukommen. Hier sind, als Mittel der Abgrenzung, die spanischen Herren mit Herren besetzt, die mexikanischen mit Damen, früher waren es natürlich Kastraten. Walton Grönroos gibt dem Cortes mit vollmundigem Bariton verschlagene Autorität, Karl-Ernst Mercker mit spitzem Tenor dem Narves Hinterlistigkeit. Mit wunderbar weich strömendem Alt schafft Alexandra Papadijakou einen gelungenen Gegensatz als Montezuma. Sophie Boulin als Eupaforice und Gudrun Sieber als ihre Vertraute Erissena agieren stimmlich mit noblen, koloraturgewandten Soprani auf Augenhöhe. Eindringlich in der Sorge um das Land und in der Verzweiflung über den uneinsichtigen Montezuma gestaltet Barbara Vogel den General Pilpatoe äußerst nahegehend. Catherine Gayer reiht sich als Minister Tezeuco in dieses Ensemble nahtlos ein.

Georg Quander, zur Zeit dieser Produktion als Musikredakteur und Dramaturg in Berlin beschäftigt, hat eine neue deutsche Übertragung des Textes vorgenommen, die Rezitative sind teilweise erheblich gekürzt. Zu Grauns musikalischer Sprache passt der etwas hölzerne Duktus der Sprache nur bedingt. Unklar bleibt, warum die Spanier Teile ihres Rezitativtextes in Spanisch sprechen, warum einige Arien, etwa der Eupaforice, im italienischen Original bleiben. Hier wäre es schön, wenn das recht knapp gehaltene Beiheft etwas mehr Informationen über die Intentionen der Inszenierung geben würde.

Dirigent Hans Hilsdorf, der die Partitur für diese Produktion neu eingerichtet hat, führt das Orchester der Deutschen Oper mit feinem Gespür für den Graunschen Stil durch die Partitur, betont die sparsam eingesetzten instrumentalen Farben kongruent zur Szene und sorgt somit für eine insgesamt straffe, konzentrierte Wiedergabe.

Ein hilfreicher Einfall zur Orientierung in diesem weitgehend unbekannten Stück ist, dass zwischen den Szenen kurze Zusammenfassungen des Inhalts eingeblendet werden. Die Kamera holt immer wieder Szenen gleichsam plastisch an den Zuschauer heran, lässt den schlichten Blick auf die Totale da stehen, wo einfach insgesamt schön anzusehende Bilder entstehen. Insgesamt trägt die Kameraführung jedenfalls zur Belebung der Aufführung bei und macht das Verfolgen am Bildschirm leicht. Ebenfalls gut ist die Aussteuerung des Tons, die stets für ein gutes Gleichgewicht zwischen Orchester und Stimmen sorgt.

Auch wenn die deutsche Sprache der Komposition Grauns wenig entgegenkommt – das größte Manko der Produktion – ist diese Musik nicht nur für Liebhaber von Raritäten eine Entdeckung wert. Die Oper als Gesamtereignis ebenso. Schade ist, dass keinerlei Publikumsreaktionen zu sehen oder hören sind.

Aus dem Repertoire der Berliner Hofoper zur Zeit Friedrichs II. sind offenbar noch manche Schätze zu bergen.

Christian Schütte

Fotos: Kranichphoto