Archiv     Kommentare     Dossier     Backstage     Kleinanzeigen     Links     Buch/DVD     Kontakt     Impressum    Wir über uns  
 Partner von DuMont Reiseverlag  
 
     

DVD-Besprechung

George London - Between Gods and Demons

7.1.2012


Points of Honor                      

Musik

Gesang

Regie

Bühne

Publikum

Kamera
Ton

Chat-Faktor


Cover





 

 

zurück       Leserbrief

Ein Bassbariton von Weltformat

George London gehört, dass lässt sich bedenkenlos und ohne Zweifel behaupten, zu den ganz Großen seines Faches. Er ist sicher nie ein Weltstar mit glamouröser Aura gewesen wie etwa Maria Callas, mit der er einige Male auf der Bühne stand. Vielmehr machen ihn der ausgesprochen charakteristische Klang, das volle, runde, dabei stets männliche und metallische Timbre seines Bassbaritons zu einem unverwechselbaren Sänger. Seine Stimme verfügt über genügend Flexibilität in der mittleren und hohen Lage, um Partien wie Graf Almaviva in Mozarts Le Nozze di Figaro oder die Titelpartie in Don Giovanni mühelos singen zu können; daneben hatte sie die düster-dunklen Farben und eine ausgeprägte Tiefe, um etwa die Titelpartie in Mussorgskis Boris Godunow zu einer der zentralen Rollen des Sängers zu machen. Neben der Kraft seiner vokalen Möglichkeiten hat er stets durch seine blendende, fast schon aristokratische Erscheinung und als charismatischer Darsteller für sich eingenommen. Das neu veröffentlichte Porträt auf dieser DVD erinnert an den Künstler, dessen Karriere infolge einer Stimmbandlähmung ein frühes Ende fand. Der Untertitel Between Gods and Demons nimmt Bezug auf die zentralen Partien, die einige Götter- und Dämonenfiguren umfassen.

George Londons Frau Nora hat zwei Bücher über Leben und Wirken ihres Mannes herausgegeben, das zweite ist 2009 erschienen und hat den Anstoß gegeben, das gut 60 Minuten dauernde Porträt zu produzieren. Nora London kommt darin oft in liebevollen, aber auch sehr ehrlichen Erinnerungen an ihren Mann zu Wort. Sie sagt, er sei eine tragische Gestalt gewesen, ihn würde mit der Titelpartie in Wagners Fliegendem Holländer, die er oft sang, verbinden, nie gefunden zu haben, wonach er suchte und daran letztlich gescheitert zu sein. Das Porträt vermittelt den Eindruck einer faszinierenden Künstlerpersönlichkeit, einer wirklichen Ausnahmeerscheinung, zugleich eines ebenso fragilen wie bedenkenvollen Charakters. Mit Hilde Zadek und Waldemar Kmentt erinnern sich ehemalige Sängerkollegen an der Wiener Staatsoper ebenso an den gefeierten Sänger wie etwa Deborah Polaski, Neil Shicoff und Catherine Malfitano, Sängerpersönlichkeiten einer späteren Generation, die mit London als Lehrer gearbeitet haben. Das Bild, was von George London entsteht, lässt er jedoch ganz entscheidend auch selbst entstehen. In Ausschnitten aus Fernsehproduktionen und Momentaufnahmen aus Meisterkursen späterer Jahre tritt er nicht nur als Sänger, sondern auch – in Interviewausschnitten – als Mensch in Erscheinung. In der großen Linie spannt das Porträt den Bogen von seinen Anfängen in Wien und bei den Bayreuther Festspielen bis zu seinen letzten Jahren, als er neben seiner gesangspädagogischen Tätigkeit auch die Oper in Washington leitete. Das Ergebnis ist eine informative, in ihrer Gestaltung recht brave Dokumentation. Die Abfolge von Ausschnitten bereits vorhandenen Materials und Einspielern der für den Film neu geführten Interviews ist bisweilen etwas unruhig, weil die einzelnen Sequenzen mitunter recht kurz sind. Nicht störend oder irritierend, gleichwohl aber auffallend ist, dass Nora London in ein und derselben Interviewsituation mal auf deutsch, mal auf englisch antwortet. Das wäre sicher zu vereinheitlichen gewesen.

Im Anschluss an das Porträt ist eine Reihe von Ausschnitten zu sehen, die den Sänger in einer Auswahl seiner großen Partien zeigen. Daneben sind Ausschnitte aus Musicals und ein paar klassische Lieder zu sehen und zu hören. Als Materialsammlung ist alles das sicher wertvoll und vermittelt als Ergänzung zum Porträt noch einmal mehr einen Eindruck von der Bandbreite der Fähigkeiten George Londons. Leider sind jedoch alle Ausschnitte Fernsehproduktionen, denen die Spannung einer Aufführung auf der Bühne merklich fehlt. Dazu kommt, dass das überwiegend aus den 1950-er und 1960-er Jahren stammende Material inzwischen im Hinblick auf Ton- und Bildqualität zu wünschen übrig lässt. Dennoch, wie gesagt, als historische Dokumentation ist der Wert unbestritten.

Im dreisprachigen Beiheft zur DVD ist zu lesen, dass eine einzige Aufführung mit London vollständig aufgezeichnet worden ist, eine Tosca aus Stuttgart von 1961, und die sei in den USA schon vor längerem auf DVD erschienen. Schade, dass davon gar nichts zu sehen ist, zumal das Material vom SWR produziert worden ist und im Archiv ja noch verfügbar sein müsste. Das Porträt macht jedenfalls große Lust darauf, einmal eine vollständige Aufführung mit George London zu erleben. Die Stuttgarter Tosca auch für den europäischen Markt zugängig zu machen, wäre sicher eine dankbar aufgenommene Maßnahme.

Allen Fans von George London und Freunden außergewöhnlicher Stimmen sei die DVD insgesamt doch als gute Ergänzung der eigenen Sammlung empfohlen.

Christian Schütte

 

Fotos: George London Foundation