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Buchbesprechung

Visionen - Aufbrüche. Der Weg ins 21. Jahrhundert.


Roswitha Sperber

Kaufinformationen

Theater und Orchester Heidelberg (Hrsg.):
Visionen - Aufbrüche. Der Weg ins 21. Jahrhundert

Wunderhorn

ISBN 978-3-88423-396-2

Gebunden, 290 Seiten, 20 Euro


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„Mekka der Komponistinnen“

25 Jahre Heidelberger Künstlerinnenpreis – das klingt nach einer Jubiläumsveranstaltung unter vielen. Ein lokales Ereignis, das zudem historisch überholt scheint. Im 21. Jahrhundert haben wir wohl die Notwendigkeit überwunden, Frauen durch einen eigenen Preis zu fördern, sollte man meinen.

Da ist es nur gut, dass anlässlich des Jubiläums bei Wunderhorn eine Dokumentation mit dem Titel Visionen – Aufbrüche erschienen ist, die die weltweite Bedeutung dieses Künstlerinnenpreises aufzeigt. „Traditionell wird in Heidelberg der Künstlerinnenpreis verliehen. Mit dem Preisträgerinnenkonzert eröffnet die Stadt das musikalische Jahr. Diese Tatsache zeugt von der besonderen Stellung des einzigen und einzigartigen Musikpreises der Stadt Heidelberg“, erläutert Eckart Würzner, Oberbürgermeister Heidelbergs, die örtliche Bedeutung des Preises. Allerdings ist der Künstlerinnenpreis auch bis heute der weltweit einzige Preis, der nicht nur die Entstehung und Aufführung von Neuer Musik im Allgemeinen fördert, sondern besonders die Komponistinnen im Blick hat. Yordan Kamdzhalov, Generalmusikdirektor der Stadt Heidelberg, bringt es auf den Punkt: „Die Existenz dieses Preises empfinde ich als ein riesiges Kompliment nicht nur für die Stadt Heidelberg und für ganz Deutschland, sondern auch für die gesamte Kultur weltweit.“

Das rund 280 Seiten umfassende Buch kommt nicht nur seinen dokumentarischen Pflichten nach, indem es den 1987 von Roswitha Sperber initiierten Preis, seine Verleihungen und die damit verbundenen Konzerte sowie Porträts der Preisträgerinnen aufzeichnet. Vielmehr verdeutlicht es auch, warum ein solcher Preis als Politikum notwendig ist. Verschiedene Texte aus dem letzten Vierteljahrhundert zeigen die Öffnung zwischen Ost und West, zwischen Asien und Europa, die Entdeckung von Komponistinnen in aller Welt, aber auch die Geschichte und intellektuelle Auseinandersetzung mit dem Festival Gegenwelten, einem Festival der Neuen Musik in der Romantikstadt Heidelberg. Nicht zuletzt ist das Buch auch eine – unaufdringliche – Würdigung der Arbeit von Roswitha Sperber.

Die Porträts der Preisträgerinnen in Form von Laudationes, Interviews, persönlichen Stellungnahmen und Arbeitsbeispielen können als schöner Querschnitt der Komponistinnenszene weltweit betrachtet werden – und spätestens hier lohnt sich die Lektüre dieses Buches für jeden Musikinteressierten. Eckhard Britsch, langjähriger Journalist und Rezensent im Opernnetz, hat die Redaktion dieser Dokumentation übernommen und eine Textauswahl getroffen, die zwar die offiziellen Aspekte berücksichtigt, aber in ihrer Vielfalt und ihrem Abwechslungsreichtum für größtmögliche Kurzweil sorgt. Lobenswert ist die Beilage einer CD, auf der zwei Orchestermitschnitte von Misato Mochizuki und Kaijo Saariaho zu hören sind.

Eines ist nach dieser Textcollage jedenfalls klar: Die Notwendigkeit eines Frauenpreises im Bereich der Komposition ist keineswegs überholt, sondern muss uns ganz offensichtlich auch in den kommenden 25 Jahren noch beschäftigen.

Michael S. Zerban, 5.8.2012