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DVD-Besprechung

JESUS CHRIST SUPERSTAR

4.3.2013


Points of Honor                      

Musik

Gesang

Regie

Bühne

Publikum

Kamera
Ton

Chat-Faktor


Cover





 

 

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Hohes Tempo für gute Unterhaltung

Der meterhohe Monitor als Rückwand der Bühne spuckt zu Beginn winzige Fetzen von Fernsehnachrichten ins Publikum und katapultiert so das Musical Jesus Christ Superstar mit diesem einfachen, aber effektiven Kunstgriff ins Hier und Jetzt. Ein bisschen latente Kritik am Börsengeschehen, ein paar verhuschte Guy-Fawkes-Masken, Demonstrationen - schnelle Schnitte, routiniert von aufgedonnerten Fernsehsprechern verlesene Texte sorgen von Anfang an für Tempo. Später zeigt der Monitor, stark vergrößert und in guter Bildqualität, das Bühnengeschehen unter der Regie von  Laurence Connor für die vielen begeisterten Zuschauer der Live-Show im Detail. Die NIA Halle ist nicht nur riesig groß, sondern anscheinend auch bis auf den letzten Platz besetzt, wie es sich sonst für ein großes Rockkonzert gehört. Der Film schneidet elegant nun verschiedene Perspektiven und Entfernungen zusammen, lässt fantastische Großaufnahmen und beeindruckende Totalen einen anscheinend perfekten Eindruck der Show auf den heimatlichen Monitor transportieren. Und gängelt zugleich das Auge, das nicht frei über die gesamte Bühne schweifen kann sondern, wie bei vielen Mitschnitten üblich, sich auf eine vielleicht nicht immer gewünschte Auswahl beschränken muss.

Im straffen Tempo wirbeln, singen und tanzen Musiker, Sänger und Tänzer über die mit einer großen, sich zum Publikum neigenden, grauen Treppe ausgefüllten Bühne. Ein paar Requisiten wie ein riesenhaftes, beleuchtetes Kreuz am Ende werden von der Decke herab gelassen oder schnell auf die Bühne gefahren, ansonsten reicht der Monitor, um Tempel oder Garten Gethsemane durch leicht surreale Projektionen anzudeuten.

Ein bisschen allerdings nutzen sich straffes Tempo und immer auf die Spitze getriebene Dramatik als Aneinanderreihung von Höhepunkten ab und etwas gekonnte Entspannung, beispielsweise in der Nummer I don‘t know how to love him, täte gut. Trotzdem, die bunte Inszenierung unterhält hervorragend und jeder gibt hörbar und sichtlich sein Bestes.

Die Sänger kommen nicht aus dem Belcanto-Reich, zeigen statt dessen aber beachtliche Schauspiellust und leisten sich, allen voran Judas und Jesus, ein paar gewollt schrille Schreie, die man in Jesus Christ selten so herzzerreissend vernahm. Jesus, Ben Forster, gefällt durch sehr engagiertes Spiel, seine Verzweiflung scheint fast echt. Stimmlich kommt er allerdings an seine Grenzen, und Kondition und Intonation leiden ein wenig. Melanie C, ehemaliges „Spice Girl“, bringt eine sympathische und sehr menschliche Maria Magdalena auf die Bühne, verfügt aber leider nicht über übermäßig viele stimmliche Ausdrucksmöglichkeiten. Trotzdem, Anhören und Ansehen ist hier nicht unangenehm. Tim Minchin, der Judas dieser Inszenierung, macht einen sehr guten Eindruck und mit Dreadlocks und auffallend frisch gebügeltem Arabertuch ist er ein bisschen der sympathische Outlaw von nebenan, der ewige Verlierer, der nur das Gute will und das denkbar Böseste deshalb tut. Chris Moyles als dekandenter Herodes ist ein kleiner Höhepunkt. Seine überdrehte Fernsehshow, denn das Regieren übernehmen die Römer für ihn, ist eine hübsche Persiflage. Pontius ist ein auffallend sportlicher Mann in den besten Jahren und bei Alex Hanson hervorragend aufgehoben. Seine stimmlichen Mittel setzt er überlegt ein, sehr schön. Die Priester Caiaphas und Annas, Pete Gallagher und Gerard Bentall, sind ein brandgefährliches, zugleich grotesk lächerliches Paar, das die Gegensätze seiner Stimmen auf die Spitze treibt. Die Jünger Peter, gegeben von Michael Pickering, und Simon, Giovanni Spano, gehören ebenfalls zu den Solisten.

Die Choreografie Kevan Allens nutzt die Möglichkeiten der Treppe, doch ein bisschen Showtreppe des vergangenen Jahrhunderts ist stets dabei und neue Impulse zur Treppennutzung durch Tänzer gibt es nicht.

Wer ältere Einspielungen oder Verfilmungen im Ohr hat, mag hier ein bisschen Glanz und Technik der Stimmen und der brav am Notentext arbeitenden Instrumentalisten - allem voran ein wahrhaft preußischer E-Gitarrist - vermissen. Aber viel Spaß macht diese neue Inszenierung, die so gerade auf Tournee ist, allemal. Und das nicht zu knapp.

Heike Eickhoff

Fotos: Tristram Kenton