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DVD-Besprechung

Le Nozze di Figaro

12.3.2012


Points of Honor                      

Musik

Gesang

Regie

Bühne

Publikum

Kamera
Ton

Chat-Faktor


Cover





 

 

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Spanischer Schöngeist

Kein Stillstand auf dem Figaro-Markt. Naxos bringt jetzt eine ganz harmonische Deutung von Mozarts Oper heraus, die ganz im Sinne des Werkes steht, aber auch nicht den möglichen sozialen Sprengstoff der Oper anrührt. Im Bühnenbild von Daniel Bianco gibt es im Teatro Real Madrid spanischen Hochglanz-Prunk der Barockzeit zu sehen. Allein die kleine Terrasse vor Figaros Zimmer im ersten Akt ist schon ein optisches Highlight. Sie wird aber noch übertroffen durch den nächtlichen Garten mit wanderndem Vollmond. Dagegen ist der rote Vorhang, der für die Aktauftakte durchscheinend wird, durchaus dekorativ aber nicht DVD-tauglich, zumal er teilweise viel zu lange unten bleibt. Renata Schussheim kreiert traumhafte Kostüme: Adeliges weiß als Grundfarbe, kombiniert mit warmen mediterranen Farben. Emilio Sagi zeichnet für die gute Regie verantwortlich. Ihm gelingt durchaus eine recht anschauliche Deutung, in der alles an seinem rechten Platz ist. Basilio, Bartolo und Antonio sind keine Witzfiguren, aber doch der Komödie verhaftet. Das Grafenpaar sowie Susanna und Figaro treiben die Handlung voran, zwischen den Welten ist Cherubino ein getriebener, selbstbewusster Page. Schön ist es, wie das einfache Volk die Entwicklungen am Hofe immer wieder heimlich beobachtet oder daran teilnimmt. Doch trotz aller schöner Farben, trotz aller kleinen Einfälle - wie der Fandango zur Hochzeitszeremonie - bleibt Sagis Regie irgendwie an der Oberfläche, taucht nur selten in den Kosmos der Möglichkeiten ein, den die Symbiose aus Text und Musik schafft. Die Aufnahmeleitung hat deutlich gefallen an den optischen Vorzügen, die sie dem Zuschauer auch sehr detailliert vor Augen führt. Zuweilen fehlt es am richtigen Blickwinkel: So sieht man deutlich, wie Cherubino nach seinem „Sprung“ aus dem Fenster ebenerdig weiter läuft, womit dem Zuschauer die Illusion von seinem Sprung hinab in den Garten geraubt wird.

Seltsamerweise ist auch das Dirigat von Jesus López Cobos dem gleichen Schöngeist verhaftet wie die Regie. Wobei schön nicht immer auf das Orchester zutrifft, wo sich gerade im Streicherbereich einige Unsauberkeiten eingeschliffen haben, was ein sehr sauberer Klang schonungslos offenbart. López Cobos dirigiert sehr souverän, schwelgt mit langsamen Tempi in den schönen Melodien, offenbart gerade in den Holzbläsern feine Zwischentöne. Aber wirklich mitreißen kann dieser Figaro nicht. Bei den Sängern haben die Männer das vokale Heft fest in der Hand. Ludovic Tézier bewahrt in jedem Augenblick die gräfliche Contenance. Sein Bariton mit sicherem Stimmsitz verfügt über die dementsprechenden Mittel, die Rolle ohne übereifriges Chargieren rein gesanglich zu gestalten. Luca Pisaroni ist ein sympathischer Figaro wie aus dem Bilderbuch, fern des revolutionären Geistes, dafür fehlt es ihm auch an stimmlicher Potenz. Doch die genaue Artikulation, die Freude an der Differenzierung offenbaren einen gewitzten Gegenspieler, der um seine Ehre und seine Frau kämpft. In den Nebenrollen sind zwei Altmeister zu erleben, die die Szene enorm bereichern: Carlos Chausson ist ein herrlicher Bartolo und Raúl Giménez ein unübertriebener intriganter Basilio mit immer noch beachtlichen stimmlichen Mitteln. Dass es bei den Damen nicht ganz auf diesem Niveau läuft, zeigt die Tatsache, dass Jeanette Fischer als Marcellina sich keinesfalls hinter der Gräfin und Susanna zu verstecken braucht. In Barbara Frittolis wundervolles Timbre hat sich ein vibrato-ähnliches Flackern geschlichen, das gerade in den Höhen unschön zur Geltung kommt. Ihre elegante Phrasierung sowie die noble Erscheinung qualifizieren sie dennoch für eine glaubhafte Contessa. Isabell Rey ist der Susanna mit herber Tiefe und spitzer Höhe stimmlich aber auch äußerlich entwachsen, wenngleich sie ein Aktivposten auf der Bühne ist. Auch der stimmlich unstete Cherubino von Marina Comparato kann nur bedingt zufrieden stellen. Rollendeckend agieren Miguel Sola als Antonio, Soledad Cardoso als Barbarina und Enrique Viana als Richter Don Curzio. Peter Burian hat den Chor für seine kurzen Auftritte sicher präpariert.

Ein mehrsprachiges Booklet mit kleiner Einführung und Inhalt, sowie schönen Fotos demonstrieren die Freude an dieser Oper. Auch der dreizehn minütige Sonderbeitrag A perfect opera?, in dem Emilio Sagi und Jesus Lopez Cobos sich begeistert über Komposition, Strukur und Vorstellungen äußern, huldigt dem Meisterwerk. Erwähnenswert sind auch die vielen Tracks auf den beiden DVDs, so dass man seine Lieblingsstelle schnell erreichen kann.

Christoph Broermann