Der Gesang der Frauen
Der Gesang ist einer der wichtigsten Merkmale des Musiktheaters. Aber wer von uns hat sich schon einmal ernsthaft Gedanken über die Wirkung des Gesangs beim Sänger, bei der Sängerin gemacht? Wohl die wenigsten, wenn nicht gerade eine Biografie verfasst werden soll. Und selbst da bleibt es meist bei der Äußerlichkeit. Saskia Fetten hat sich in ihrer Magisterarbeit, die nun als Buch vorliegt, mit dieser interessanten Frage beschäftigt. Dabei greift sie auf Frauen in den Werken von Joseph von Eichendorff und E.T.A. Hoffmann zu.
Zugegeben, der Titel Der romantische Frauengesang als Existential ist etwas sperrig. Und leider wird im Buch der Begriff des Existenzials nur kurz als das „Innere des Menschen, also sein psychisches und seelisches Dasein“ erläutert. Gemeint dürfte aber wohl der Begriff im Sinne der Heideggerschen Existenzialphilosophie sein, nach der der Philosoph verschiedene Seins-Gründe festmacht, wie beispielsweise Individualität, Sozialität, Weltlichkeit und so weiter. Dementsprechend feingliedrig gestaltet sich die Analyse der Frauenbilder bei Fetten.
Während Eichendorffs Frauen „nur“ privat singen, singen die Frauen bei Hoffmann auch beruflich. Und das ist aus Sicht des Musiktheaters dann wohl auch der interessantere Teil. Denn „ihr Gesang ist für sie […] nicht irgendein Broterwerb, nein, er ist vor allem innere Berufung und spielt daher eine zentrale Rolle im Leben der Sängerinnen. So definieren sich die Frauen nur und ausschließlich durch ihre Stimme und ihr Singen“.
Ob sie so zu Außenseiterinnen in der Gesellschaft werden oder Außenseiterinnen sind, die ihr Anderssein durch den Gesang äußern, wird im Buch untersucht. Dabei gefällt insbesondere der Stil von Saskia Fetten, der abseits jeder überfrachteten Wissenschaftsterminologie locker und elegant durch das Thema führt.
Ein Wermutströpfchen stellt sicher die sehr einfache Ausstattung des Buches dar. Immerhin ist es vernünftig korrigiert, so dass sich das Lesen der rund 120 Seiten angenehm gestaltet.
Die Frage, ob die theoretischen Erkenntnisse sich auch auf lebende Personen beziehungsweise überhaupt auf Personen jenseits der Literatur übertragen lassen, bleibt in dem Werk offen. Das will aber das Buch auch gar nicht leisten. Wenn der Leser sich nach der Lektüre vielleicht mit einem geänderten Bewusstsein in die nächste Aufführung begibt, hätte die Frage nach dem, was der Gesang bei den SängerInnen bewirkt, ja schon Wirkung gezeigt. Und also ist das Buch auch deshalb lesenswert.
Michael S. Zerban, 7.12.2011
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