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Buchbesprechung

Hanns Eisler - Komponist. Weltbürger. Revolutionär l


Autorin



Privatdozentin Dr. Friederike Wißmann, 1973 in Münster geboren, verheiratet, zwei Kinder, nimmt die Lehrstuhlvertretung Historische Musikwissenschaft an der Goethe-Universität in Frankfurt am Main wahr. Sie ist Mitglied im Schriftenbeirat der Hanns Eisler Gesamtausgabe und beschäftigt sich bereits in ihrer Magisterarbeit mit Hanns Eislers Hölderlin-Fragmenten.


Kaufinformationen

Friederike Wißmann:
Hanns Eisler - Komponist. Weltbürger.Revolutionär

Edition Heidenreich

ISBN 978-3-570-58029-5

Gebunden, 304 Seiten, 20 Euro


Points of Honor                      

Buchidee

Stil

Erkenntnis

Preis/Leistung

Verarbeitung

Chat-Faktor


 

 

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Vorwärts und nicht vergessen

Runde Geburtstage bekannter Künstlerpersönlichkeiten treiben die Buchverlage zu den immer gleichen Ritualen. 2010 war Chopin-, 2011 Liszt-Jahr. Was kommt als nächstes? Richtig geraten: Wenn der Büchermarkt im kommenden Jahr mit Komponistenbiographien überschwemmt wird, weiß jeder, dass Giuseppe Verdi und Richard Wagner ihren 200. Geburtstag feiern. Es ist kein Geburts-, sondern ein Todestag – der 50., um genau zu sein – der Anlass für die Edition Elke Heidenreich war, eine Biographie über Hanns Eisler herauszubringen.

Der Name Eisler ist heutzutage etwas verblasst – vielleicht, weil er als Schüler Schönbergs genauso im Schatten von Alban Berg und Anton Webern steht wie als Brecht-Komponist in dem Kurt Weills. Vielleicht, weil sein bekanntestes Werk, Auferstanden aus Ruinen, die Nationalhymne eines Landes ist, das nicht mehr existiert. Vielleicht auch, weil seine Arbeiterlieder wie das berühmte Solidaritätslied heute genauso angestaubt wirken wie ein KP-Parteitag in China oder Nordkorea – den Agitprop-Soundtrack der Postmoderne liefern eher Atari Teenage Riot. Schaut man allerdings auch nur grob über die Lebensdaten Eislers, dann steckt in diesem Künstlerleben das ganze 20. Jahrhundert: Geboren und aufgewachsen ist der Komponist im Wien der untergehenden k.u.k.-Monarchie, er gehörte nach dem ersten Weltkrieg als Schüler Arnold Schönbergs der musikalischen Avantgarde an, ging nach Berlin, komponierte in den 1920-er Jahren Arbeiterlieder, musste als Jude und Kommunist 1933 ins Exil gehen, arbeitete als Komponist für Filmmusik in Hollywood, wurde in der McCarthy-Ära aus den USA ausgewiesen, lebte bis zu seinem Tod abwechselnd in Wien und Ost-Berlin und komponierte schließlich die Nationalhymne der DDR.

Friederike Wißmann, die von 1998 bis 2002 Mitarbeiterin der Hanns-Eisler-Gesamtausgabe war, hat dieses von Widersprüchen gekennzeichnete Künstlerleben auf rund 230 Seiten zusammengefasst. Der ausführliche Anhang fasst unter anderem die von Eisler vertonten Texte zusammen: ein Sammelsurium von Friedrich Hölderlin über Christian Morgenstern bis hin zu Bertolt Brecht. Die Biographie gibt Einblicke in die einzelnen Lebens- und Arbeitsstationen des Komponisten. Etappe für Etappe wird abgearbeitet, Zusammenhänge zwischen seinen Werken und dem historischen Kontext werden hergestellt. Darin besteht die Stärke des Buches. Allerdings ergeben sich zum Teil Sprünge. Personen, die im Leben Eislers eine wichtige Rolle spielten, werden vorgestellt, abgehandelt und verschwinden nach einem Kapitel rasch wieder – als Beispiel sei Arnold Schönberg genannt. Einige Passagen, die Eislers Privatleben ausleuchten – gerade wenn es um das freundschaftliche Verhältnis der verschiedenen Eisler-Frauen untereinander geht – schrammen um Haaresbreite am Bunte-Niveau vorbei. Es sei allerdings lobend erwähnt, wie die Autorin die Werke des Komponisten erklärt. Das ist kenntnisreich und verliert sich glücklicherweise nie in akademischer Kleinteiligkeit mit einhergehender, lebensferner Wissenschaftssprache. Stattdessen werden Leben und Werk des Komponisten schnörkellos beschrieben.

Friederike Wissmann gelingt eine gute Einführung in Leben und Werk Hanns Eislers. Die Autorin schließt damit eine Lücke auf dem Büchermarkt – allein schon deshalb, weil der Band über den Komponisten innerhalb der Rowohlt-Monographien vergriffen ist. Wer eine Eisler-Biographie im Umfang von Martin Gregor-Dellins Buch über Richard Wagner erwartet, wird wohl enttäuscht. Für alle anderen, die neugierig auf Eisler sind, den Komponisten wiederentdecken oder überhaupt das erste Mal kennen lernen wollen, ist diese Biographie absolut zu empfehlen.

Sascha Ruczinski, 29.4.2012