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Opulent und vielsagend
Wenn ein Opernhaus 100 Jahre alt wird, ist das ein Grund zum Feiern. Aber wie feiert man richtig? Die Deutsche Oper Berlin macht es uns vor. Neben den üblichen Festakten und einer DVD-Serie von historischen Aufführungen bringt die Deutsche Oper Berlin ein Buch heraus: Hundert Jahre Deutsche Oper Berlin – Geschichte und Geschichten aus der Bismarckstraße. Das rund 290 Seiten umfassende Werk ist im sperrigen Querformat in der Edition Braus erschienen und bietet weitaus mehr als die in solchen Fällen oft übliche Selbstbeweihräucherung.
Den Herausgebern Jörg Königsdorf, Leo Seidel und Curt A. Roesler gelingt es nicht nur, eine 100-jährige Geschichte mit wahrhaft interessanten Interviews, edlen Fotos aus dem Archiv oder von Seidel selbst und der obligaten Chronik wiederzubeleben, sondern auch, einen Ausschnitt deutscher Opernkultur aufzuzeigen. Da werden Namen, nein, Personen wieder lebendig, die heute schon nur noch als Mythos existieren. Die Interviews im ersten Teil sind nicht etwa „jubiläumsgeschönt“, sondern spiegeln gelassenen und oft auch humorvollen Wortes eine Wirklichkeit wider, die vielleicht erst heute so bewusst wahrgenommen wird. Der Leser wird mitgenommen vom Tal der Tränen bis auf die Gipfel der Opernkunst. Ein soziologisches Panoptikum einer wechselvollen Geschichte, das operngleich vom Humor bis zur tragischen Stunde die Stimmungen abbildet, die das Schicksal des Hauses begleitet haben.
Im mittleren Teil herrschen die Bilder, die wie die intelligent geführten Interviews Einblicke in die glamouröse Welt der – Deutschen – Oper bieten. Auch die Chronik ist reichhaltig bebildert und lädt zum Schmökern und Staunen ein. Liebevoll ausgestattet und durchaus nicht unkritisch, ist so ein Werk entstanden, das nicht nur den Bücherschrank des Intendanten schmückt, sondern auch Opernfans neue Erkenntnisse bietet. Sieht man vom obligaten Grußwort des Regierenden Oberbürgermeisters Klaus Wowereit und einem Vorwort des Intendanten Dietmar Schwarz ab, gibt es kaum aktuelle Bezüge, geschweige denn visionäre Blicke in die Zukunft. So ist ein zeitloses Buch entstanden, das den Duft der Geschichte und der Kultur atmet.
Michael S. Zerban, 4.11.2012
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