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DVD-Besprechung

Die Liebe der Danae

8.1.2012


Points of Honor                      

Musik

Gesang

Regie

Bühne

Publikum

Kamera
Ton

Chat-Faktor


Cover





 

 

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Göttliche Wonnen

Richard Strauss‘ vorletztes Bühnenwerk Die Liebe der Danae hatte ein paar Anlaufschwierigkeiten. Die für die Salzburger Festspiele 1944 geplante Uraufführung ist der kurzfristigen, durch das Attentat vom 20. Juli bedingten Absage der Festspiele zum Opfer gefallen, nur eine öffentliche Generalprobe ist über die Bühne gegangen. Die eigentliche Uraufführung hat Strauss nicht mehr miterleben können, sie fand im Rahmen der Salzburger Festspiele 1952 statt. Überragender Erfolg ist dem Werk bis heute nicht beschieden gewesen. In jüngster Zeit immerhin häufen sich Neuinszenierungen an größeren Häusern. Die Dresdner Oper hat sich der Danae genauso angenommen wie die Deutsche Oper Berlin im Januar des vergangenen Jahres. Kirsten Harms hat damit zugleich ihre letzte Inszenierung am Haus vorgelegt. Die Produktion ist nun bei Arthaus Musik auf DVD erschienen. Ein lohnenswertes Unterfangen, dass dem musikalisch überaus dankbaren Stück vielleicht wieder zu mehr Bekanntheit verhilft.

Die Geschichte des Stücks ist etwas kompliziert und nur mit Kenntnis der Vorgeschichte verständlich. Der Göttervater Jupiter hat sich in Danae, Tochter des Pollux, verliebt. Um sich ihr von seiner Gattin unbemerkt nähern zu können, entwirft er eine List. Midas, ein armer Eseltreiber, erhält von Jupiter die Gabe, alles, was er anfasst, zu Gold zu machen, dafür muss er Jupiter seine Gestalt leihen, Midas lässt sich darauf ein und wird durch seine neue Gabe rasch ein berühmter, wohlhabender Mann und zugleich König von Lydien. Das Bühnengeschehen setzt in dem Moment ein, als die Gläubiger von dem einigermaßen verschuldeten König Pollux ihr Geld verlangen. Dieser hofft, seine Lage durch eine reiche Heirat seiner Tochter retten zu können. Midas ist der auserwählte Bräutigam. In dessen Gestalt versucht nun Jupiter, Danae zu gewinnen, Midas selbst hatte sich auf die Bedingung eingelassen, von Danae zu lassen. Er erscheint als Bote, um ihr ein goldenes Ehrenkleid zur Hochzeit zu überreichen. Der „richtige“ Midas verliebt sich natürlich doch in Danae, sie sich in ihn auch, dafür findet sie Jupiter nicht wirklich anziehend. Der verflucht die beiden daraufhin zu ewigem Menschsein, bringt durch kräftige Blitze den Palast des Pollux zum Einsturz. Midas wird ohne Jupiters göttliche Zuwendung wieder ein armer Eseltreiber. Jupiter versucht Danae zu bedrängen, diese bleibt jedoch standhaft in ihrer Liebe zu Midas. Davon gerührt, segnet Jupiter schließlich Danaes und Midas‘ Liebe.

Kirsten Harms‘ Herangehensweise ist fast vorsichtig. Sie nimmt die Geschichte beim Wort und versucht gar nicht erst, allzu komplexe Tiefen oder Metaebenen in ihr zu finden. Das kommt der Sache sehr zu Gute. Nicht ohne Grund haben Strauss und sein Librettist Joseph Gregor die Oper im Untertitel eine „Heitere Mythologie in drei Akten“ genannt. Trotz aller mythologischen Schweren und Wülste behält die Geschichte eine spielerische Leichtigkeit, der Harms ganz vertraut und ihrer Regie etwas ebenso Leichtes, Schwereloses gibt.  Für den ersten und zweiten Akt hat Bernd Damowsky einen grauen Einheitsbühnenraum gebaut, mit verschiebbaren Wänden im Hintergrund. Durch den Zorn Jupiters bricht dieser Raum konsequenterweise am Ende des zweiten Aktes zusammen, der dritte spielt schließlich auf den umgefallenen Wänden. Bleibendes Element auf der Bühne ist ein Flügel, der nur in der ersten Szene am Boden steht, während des Zwischenspiels zur zweiten Szene, Danaes erstem Auftritt, nach oben gezogen wird und für den Rest der Aufführung kopfüber von der Decke hängt. Vielleicht ist es als Symbol für den Komponisten Strauss und die Schwierigkeiten mit dem Werk gedacht, das Arbeitsinstrument des spiritus rector auf den Kopf zu stellen, vielleicht geht es um etwas anderes. Die Vieldeutigkeit dieses Details ist einer der vielen Punkte der Regie, die nachdenklich stimmen, die Zeichen setzen, die dem Zuschauer Raum geben. Die Kostüme von Dorothea Kratzer deuten teils die Entstehungszeit an, sind in Bezug auf einige der Göttergestalten aber auch sehr fantasievoll, das Gold des Jupiter-Kostüms bei seinem ersten Auftritt in der Gestalt des Midas ist einfach prachtvoll. Dichte Bilder voller poetischer Stimmungen gelingen Harms auch durch die effektvolle Lichtregie von Manfred Voss. Eine Inszenierung, die einfach zum Hinschauen einlädt, ist da gelungen, zum Hinhören ist sie nicht weniger.

Die Aufführung besticht vor allem durch das glänzend auf Strauss‘ farbige, schillernde, sowohl kammermusikalisch delikate als auch derb auftrumpfende Partitur eingestimmte Orchester der Deutschen Oper unter der souveränen Leitung von Andrew Litton. Manuela Uhl ist eine wundervoll schwärmerische, verträumte Danae und kann ihren runden und warmen, lyrischen Sopran in allen Lagen stets mühelos, leuchtend und klar zur Geltung bringen. Wie auch beim übrigen Ensemble lässt einzig die Textverständlichkeit zu wünschen übrig. Es empfiehlt sich, die Untertitel von Beginn an einzuschalten. Abgesehen von diesem Manko agiert das gesamte Sängerensemble auf hohem Niveau. Matthias Klink ist mit strahlendem, schlankem Tenor ein mitreißender Midas, Mark Delavan mit machtvoll-profundem Bariton ein ebenso autoritärer wie furchteinflößender Jupiter. Burkhard Ulrich als Pollux und Thomas Blondelle als Merkur bestechen mit charakterstarken Tenören, Hila Fahima, Martina Welschenbach, Julia Benzinger und Katharina Bradic sind das stimm- und ausdrucksstarke Göttinnenquartett Semele, Europa, Alkmene und Leda. Hulkar Sabirova bleibt mit ihrer runden, üppigen und schön auf Linie geführten Stimme als Danaes Dienerin Xanthe im Gedächtnis. Die übrigen Partien sowie der von William Spaulding einstudierte Chor ergänzen ebenso kompetent.

Das Aufnahmeteam unter der Leitung von Myriam Hoyer sorgt immer wieder für Einstellungen, die den Fokus ganz auf die innere Dynamik der Geschichte und der daran beteiligten Personen lenken, dabei durchaus die Totale des Bühnengeschehens außer Acht lassen, wenn es Details zu betonen gilt. Das lässt in einigen Momenten so suggestive, beinahe filmische Bilder entstehen, dass fast in Vergessenheit gerät, hier einen live-Mitschnitt der Oper auf einer großen Bühne zu sehen. Dieses Verfahren hilft dem Zuschauer sehr gut dabei, die Geschichte noch besser zu verstehen, weil die Bildregie es auf sehr kluge Weise schafft, den Betrachter hier mitten hinein zu ziehen. Die Tonqualität lässt den Wert der musikalischen Wiedergabe in nahezu jeder Einzelheit erkennen. Schade ist, dass kaum Publikumsreaktionen eingefangen sind.

Nicht nur für Strauss-Liebhaber ist diese DVD jedenfalls eine ganz besondere Empfehlung.

Christian Schütte

 

Fotos: Barbara Aumüller