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DVD-Besprechung

Le Comte Ory

10.3.2012


Points of Honor                      

Musik

Gesang

Regie

Bühne

Publikum

Kamera
Ton

Chat-Faktor


Cover





 

 

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Drei Sänger und ein Baby

Schon allein für die Discographie ist die Veröffentlichung vom Comte Ory notwendig, da es auf DVD bislang nur eine Alternative gibt. Sicher ist Rossinis Oper dramaturgisch kein großer Wurf. Die Eskapaden des Grafen Ory, der versucht mit albernen Verkleidungstiraden „schutzlose“ Frauenzimmer zu erobern, sind nur Aufhänger für ein grandioses Musikspektakel. Die fulminanten Arien, Duette und Ensembles sind so gut komponiert, dass sie gleich für zwei Opern reichen: Il vaggio a Reims und Le Comte Ory.

Die EMI nutzt nun das Material der Live-Übertragungen aus der Metropolitan Opera New York im Kino und veröffentlicht dankenswerterweise die Aufnahme vom 9. April 2011. Denn die Besetzung hält den hörenswerten Genuss, den drei Namen versprechen. Die hervorragende Mezzosopranistin Joyce DiDonato ist ein vitaler Page Isolier mit virilem Timbre und brauner Lockenpracht. Die Besetzung der Titelpartie durch Juan Diego Florez ist mit einem Kuriosum verbunden. Der peruanische Star-Tenor erreicht das Theater erst dreißig Minuten vor der Vorstellung, da er wenige Minuten zuvor Vater seines Sohnes Leandro geworden ist. So nutzt er die ersten Phrasen auf der Bühne, um sich etwas warm zu singen, und erst dann einen vokalen Höhenflug hinzulegen. Die Euphorie des Tages ist ihm in jeder Phrase anzumerken. Diese beiden Männerrollen haben das gleiche Ziel: Die Gräfin Adele ist optisch wie vokal bei Diana Damrau ein feminines Ereignis. Ihre stupende Höhe, die belcante Verzierungskunst im agilen Gesang ist ein wahrer Genuss. Was diese drei Künstler an Koloraturen, technisch versierten Gesang und schauspielerischer Aktion vor die Kamera bringen, versetzt den Opernfreund in Entzücken. Der aufgeweckte Stephane Degout hat als Orys Freund Raimbaud den baritonalen Schalk im Nacken. Susanne Resmark ist die in Stimme und Erscheinung stattliche Gouvernante Ragonde. Michele Pertusi fällt gegen diese Stimmen etwas ab, spielt aber den Erzieher des Ory mit autoritärer Gestalt. Beim von Donald Palumbo einstudierten Chor, der szenisch aus dem Vollen schöpft, haben die Männer leicht den Vorzug gegenüber den Frauen, die zuweilen in der Höhe etwas scharf klingen. Maestro Maurizio Benini, dem man die Erfahrung im Rossini-Metier anmerkt, leitet das schlank und filigran aufspielende Orchester der Met. Die zügigen Tempi machen Freude, befeuern die eh schon halsbrecherischen Phrasen, doch in Punkte Raffinesse bleibt Benini hinter den Erwartungen zurück.

Regisseur Bartlett Sher inszeniert die Oper als Theater im Theater und kann so einen bunten Spaß auf die Bretter stellen. Die Musik benutzt er dabei stets als Motor für die Reaktionen und Gänge seiner Protagonisten. Michael Yeargans schön schmucklose Holzbühne voller niedlicher Requisiten wird von den farbenreichen Kostümen von Catherine Zuber bereichert. Ein kleiner Coup de Theatre wird aus dieser Mischung das Terzett zwischen den Hauptfiguren: Ein Bett, das sich sängergerecht aufrichten kann, die Damrau im rosa Plüsch-Kleid, der ihr nachstellende Florez, dazwischen Sängerin DiDonato in der Hosenrolle des Pagen. Bartlett Sher entlockt dieser Travestie-Szene unterschwellige Erotik im Stile einer ménage a trois. Der Applaus in New York ist angesichts dieser Klasse entsprechend frenetisch.

Da die Met-Übertragungen auch diverse Pausenfüller bieten, findet sich auf der DVD nicht nur die überschwängliche Moderation von Renée Fleming, sondern auch ein paar schöne Interviews als Bonus-Material. Die vielen Kameras, zum Teil beweglich, haben unglaublich viel zu beobachten. Sehr gerne schauen sie auf die Dekolletés der Damen. Glücklicherweise sind die Schnitte nur selten hektisch, wenngleich sie eine recht hohe Frequenz haben. Auch die gesamte Bühne wird dem Zuschauer immer wieder gezeigt. Der Ton stellt in seiner Abmischung sehr zufrieden. Die DVD – so lässt es das dünne Booklet ohne deutschsprachige Texte erscheinen – repräsentiert die französisch-amerikanische Freundschaft. Insgesamt aber eine äußerst erfreuliche Veröffentlichung einer französischen Oper auf amerikanischem Boden.

Christoph Broermann

Fotos: Marty Sohl/Metropolitan Opera