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DVD-Besprechung

Die Meistersinger von Nürnberg

7.10.2012


Points of Honor                      

Musik

Gesang

Regie

Bühne

Publikum

Kamera
Ton

Chat-Faktor


Cover





 

 

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Das englische Bayreuth

Im DVD-Booklet ist der Traum vom „englischen Bayreuth“, den John Christie hatte, als er 1933 das Festival in Glyndebourne ins Leben rief, beschrieben. 2003 wird mit Tristan und Isolde der Grundstein für die Realisierung des Traums gelegt. 2011 folgt mit den Meistersingern ein weiterer Erfolg, der nun auf DVD vorliegt. Mit David McVicar wird ein Regisseur mit Sinn für das Detail verpflichtet. Er bietet eine volksfreundliche, unterhaltsame Interpretation, die insgesamt zufrieden stellt. Ihm geht es vor allem darum, glaubhafte Personen auf die Bühne zu stellen, was ihm insbesondere bei Sachs und Beckmesser gelingt. Auch der Charakter der Eva wird recht interessant inszeniert, da man bei ihr merkt, dass auch der Schuster Sachs für sie eine Alternative wäre. Doch sie folgt ihrem Herzen und wählt den Ritter Stolzing, zu dem McVicar allerdings recht wenig eingefallen ist. Weitaus besser kommen bei ihm auch Randfiguren zur Geltung, etwa das Grüppchen der Meistersinger, in dem jeder ein eigener Charakter ist. Oder auch der Chor auf der Festwiese. Hier zeigt sich McVicar wirklich als Theatermensch, der die Zuschauer mitreißen und nicht provozieren möchte. Zusammen mit dem ansehnlichem Bühnenbild von Vicki Mortimer, der auch die farbenfrohen Kostüme entworfen hat, verlegt er die Handlung an den Anfang des 19. Jahrhunderts.

Die DVD-Veröffentlichung ist vor allem wegen zweier Meistersinger ein Muss für jede Heimsammlung. Da ist zuerst Gerald Finley zu nennen, der sich über das Fachdenken hinaus wagt und seinen lyrischen Bass-Bariton am Hans Sachs misst. Sein Rollendebüt meistert er im kleinen Haus in Glyndebourne hervorragend und bietet sogar noch Luft nach oben. Die Stimme klingt durchgängig ausgeglichen und beweglich, die Rolle wird gesungen und stets menschlich interpretiert. Dabei gelingen ihm auch in der Darstellung berührende Momente, wenn er zu Beginn des dritten Aktes das Bild seiner verstorbenen Frau betrachtet. An seiner Seite steht Johannes Martin Kränzle als urkomischer Beckmesser. Farbenreich und effektvoll zeichnet er mit gut gestütztem Bariton den eitlen Stadtschreiber. Die beiden großen Szenen dieser Sänger sind Musiktheater von seiner besten Seite.

Der Rest der Besetzung ist ordentlich gewählt, wenngleich nicht auf dem Niveau von Sachs und Beckmesser. Sehr gut sind Michaela Selinger als präsente Magdalene und Alastair Miles als sonorer Pogner. Topi Lehtipuu singt einen sympathischen David, dem es etwas an Courage in der Höhe mangelt. Marco Jentzsch hört sich nicht bestens disponiert an. Sein Stolzing könnte freier und frischer aufsingen. Seine Eva wird von Anna Gabler liebevoll gesungen. Vladimir Jurowski dirigiert im ersten Akt noch etwas pauschal, sucht die Details und zu wenig den großen Bogen der Partitur. Erst im letzten Akt kommt die Musik dann etwas mehr in Fahrt. Das London Philharmonic Orchester braucht den Vergleich mit Bayreuth in der Tat nicht scheuen, sein Wagner klingt ausgezeichnet, nie zu bombastisch und voller Leben. Nicht ganz auf den Punkt ist der ansonsten sehr gut von Jeremy Bines einstudierte Glyndebourne Chorus ausgerechnet in der heiklen Prügelfuge.

An der gleichen Stelle offenbaren sich bei der Tontechnik Vor- wie Nachteile. Die Techniker versuchen, Zwischenstimmen aufzupeppen, die man sonst im Gewusel der Chöre weniger hört. So ist die schöne Stimme von Michaela Selinger fast zu penetrant zu hören, das musikalische Geflecht eher gestört als transparent gemacht. Die Kamera ist immer bemüht, dem Zuschauer die vielen Details zu offenbaren, neigt daher etwas zu hektischen Bildschnitten. Ansonsten kann man mit der technischen Seite zufrieden sein, ebenso auch mit den wenigen Extras der DVD.

Christoph Broermann

Fotos: Naxos