Archiv     Kommentare     Dossier     Backstage     Kleinanzeigen     Links     Buch/DVD     Kontakt     Impressum    Wir über uns  
 Partner von DuMont Reiseverlag  
 
     

DVD-Besprechung

Macbeth

20.3.2012


Points of Honor                      

Musik

Gesang

Regie

Bühne

Publikum

Kamera
Ton

Chat-Faktor


Cover





 

 

zurück       Leserbrief

Wie im Kino

Für den neuen Macbeth auf DVD greift Opus Arte auf das Material einer Live-Übertragung ins Kino zurück. Denn neben der Met in New York hat auch die Royal Opera Covent Garden inzwischen auf dem Markt Fuß gefasst. Wer die Übertragung aus London verpasst hat, der erlebt nun auf DVD einen durchaus spannenden Macbeth, auch wenn die Inszenierung das nicht auf den ersten Blick vermuten lässt. Phyllida Lloyds Inszenierung gibt sich in den Kostümen von Anthony Ward traditionell, doch dessen Bühnenbild legt sich nicht auf einen genauen Ort fest. Ein Raum mit grauen Wänden wird durch die Beleuchtung von Paule Constable in das passende Licht gerückt, symbolisiert mehr einen Schicksalsraum, als ein konkretes Gemäuer. Die Rückwand kann sich heben für die weiten Szenen, wo man an Landschaften denkt, oder dahinter wird der Platz des Königs sichtbar: Eine Mischung aus blickfangendem Podest und goldenem Käfig, in dem Macbeth am Ende verendet.

Phyllida Lloyd erzählt die Handlung sehr verständlich, bei mehrmaligem Ansehen erkennt man immer mehr Details, die die beiden großen Komponenten der Handlung stark hervorheben. Da wird die zwischenmenschliche Abhängigkeit sichtbar: Nicht nur zwischen Lady Macbeth und ihrem Gatten, auch die Kinder von Macduff werden noch vor ihrer Ermordung durch Macbeth in den Armen ihres Vaters gezeigt. Das mystische Element der Hexen verbindet die Ereignisse, indem sie es sind, die den Boden für die nächste Station bereiten. Sie verstecken Banquos Sohn Fleance vor den Mördern, sie führen Macduffs Kinder in das Zimmer des mordenden Herrscherpaares und als Malcolm am Ende den Thron besteigt, klammern sich die Hexen von außen an den goldenen Käfig, belauern den nächsten König.

Die Kamera fängt diese zum Teil sehr kleinen Details sicher ein. Sie wählt oft eine mittlere Distanz, um immer auch die Umgebung des Sängers im Blick zu haben. Bis auf wenige Zooms bleibt die Kameraregie sehr bodenständig, dafür wird das Nachstellen der Schärfe auf das nächste Detail sehr schnell und sorgfältig umgesetzt. Der ruhige Blick der Kamera offenbart auch Simon Keenlysides Neigung dazu, durch stumme Lippenbewegungen die Gedanken des Macbeth auch in den Gesangspausen nach außen zu tragen. Nicht zu übersehen ist die Armschiene, die Keenlysides linken Arm umschließt, eine Muskelverletzung muss auskuriert werden. Und trotzdem spielt Keenlyside mit atemberaubender Intensität über dieses Handicap hinweg. Auch stimmlich schimmert sein autoritärer Macbeth wie ein Chamäleon. Seine Stärken hat er hörbar in den lyrischen Phrasen, wo die Person in der Selbstbetrachtung versinkt, für die dramatische Wucht muss er aufs Ganze gehen. An seiner Seite sorgt Liudmyla Monastyrska in der vertrackten Rolle der Lady Macbeth für einen Überraschungserfolg. Szenisch ist ihre Lady Macbeth in ihrer gefährlichen Kühle das passende Gegenteil zu Keenlysides aktivem Macbeth. Ihr Sopran ist technisch versiert um die Mischung aus Belcanto und Dramatik zu packen. Selbst wenn man zum Ende hin ein paar Ermüdungserscheinungen wahrnimmt, ist die Kondition der Stimme beachtlich. Ihre leuchtende Höhe schwingt sich mühelos über Chor und Orchester, doch bringt sie auch die ansonsten makellose Tontechnik an den Grenzen zum Klirren. Ausgewogen ist der gesamte Klang des Ensembles, das sich hören lassen kann: Angefangen beim Chor der Royal Opera, den Renato Balsadonna sehr genau auf die unterschiedlichen Aufgaben vorbereitet hat. Die Herren sind entsprechend stark als Soldaten und Mörder, die Hexen erhalten durch Damen unheimliche Dominanz. Raymond Aceto verkörpert den Banquo mit starkem Bass souverän. Dimitri Pittas ist mittlerweile der Macduff vom Dienst und macht auch auf DVD eine tolle Figur. Das Publikum, das man nur sehr selten sieht, reagiert vor allem auf die beiden Hauptrollen sehr enthusiastisch, aber großen Jubel bekommt auch der Dirigent.

Antonio Pappano wählt für den Macbeth vor allem leise Töne, die er mit dem beachtlichen Orchester der Royal Opera ganz bedrohlich steigern kann. Nur selten gießt er wirklich Öl ins Feuer der Partitur, so dass der bombastische Forte-Klang keine Selbstverständlichkeit ist. Auch sein Beitrag über die Proben zu Macbeth zeigt die Akribie des Dirigenten. Dazu kommen noch drei Interviews, die dankenswerterweise auch deutsche Untertitel haben. Das dreisprachige Booklet ist eine nette Zugabe.

Christoph Broermann