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DVD-Besprechung

Franz Lehár
- Operetta Films

19.2.2013


Points of Honor                      

Musik

Gesang

Regie

Bühne

Publikum

Kamera
Ton

Chat-Faktor


Cover





 

 

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Schmankerl fürs Auge

Operettenverfilmungen gehörten in den 1970-er Jahren zum Fernsehalltag und waren Straßenfeger. Damals gab es auch wenig Kontrastprogramm. Dieses Genre ist aus der modernen Fernsehlandschaft komplett verschwunden. Umso bemerkenswerter ist es, dass Arthaus nun drei dieser aufwändig für das Fernsehen produzierten Operettenverfilmungen von Franz Lehár in einer DVD-Box neu aufgelegt hat. Für Anhänger eines klassisch-konventionellen Operettenstils ist diese Box ein Schatzkästchen, für Lehár-Puristen allerdings nur bedingt tauglich.

Wunderbare Hauptdarsteller

Fürst Basil Basilowitsch hat sich unsterblich in die Sängerin Angèle Didier verliebt und fördert und beobachtet sie schon lange heimlich. Nun sinnt er verzweifelt auf eine Möglichkeit, sie zu ehelichen, denn es ist ihm verboten, eine bürgerliche Braut zum Altar zu führen. Da kommt ihm der verarmte Lebemann Graf René von Luxemburg gerade recht. Basil schlägt René einen Handel vor: Für eine halbe Million soll der Graf die Sängerin pro forma zu seiner Frau machen und sich nach drei Monaten, währenddessen er in Paris untertauchen solle, von ihr wieder scheiden lassen. Die Frau befände sich dann im Adelsstand, was ihm, Basil, die Heirat selbst ermöglichen würde. Graf René geht auf das Angebot ein. Die Trauungszeremonie wird auf eine Weise vollzogen, die René den Blick auf seine Braut verwehrt, und so bleibt sie für ihn völlig unbekannt. Die vereinbarten drei Monate sind beinahe vergangen, als der Zufall René in den Wintergarten des Palais der Sängerin verschlägt, wo diese gerade auftritt. Er verliebt sich auf Anhieb in die unbekannte Sängerin und auch Angèle findet Gefallen an ihm, der sich ihr als „Baron von Reval“ vorstellt. Als Angèle verächtlich von jenem Grafen von Luxemburg spricht, der sich für Geld zu einer Scheinheirat habe verführen lassen, sagt ihr René, wer er ist; und habe sie nicht ähnlich gehandelt, weil sie nur als „Gräfin“ Fürstin werden könne? Sie haben einander nichts vorzuwerfen; ihre Liebe bleibt bestehen - René hat dem Fürsten immerhin sein Wort verpfändet; darüber kann ihm weder Angèles Spott noch ihr Kuss hinweghelfen. Doch die Operettenlösung bleibt nicht aus. Basil muss auf des Zaren Befehl eine uralte Gräfin heiraten, und René erhält sein beschlagnahmtes Vermögen zurück.

Der Graf von Luxemburg gefällt vor allem durch die wunderbare Darstellung seiner Hauptdarsteller. Eberhard Wächter als René ist ein Charmeur alter Schule, überzeugt mit markantem Bariton und schauspielerischer Eleganz. Lilian Sukis spielt die Angèle Didier mit großer Eleganz und angenehmer Stimmführung. Erich Kunz als Fürst Basil ist ein Wiener Bass-Bariton alter Schule, die Idealbesetzung in dieser Verfilmung.

Das Münchner Symphonieorchester Kurt Graunke unter der Leitung von Walter Goldschmidt veredelt diese Aufnahme, war es doch wie kein anderes zu dieser Zeit auf Operetten spezialisiert. Der typisch silberne Klang Lehárs kommt hier wunderbar zum Ausdruck. Wolfgang Glück hat diese Verfilmung für das Fernsehen mit opulenten Bildern und Kostümen und einer für diese Zeit modernen Schnittführung in Szene gesetzt und mit diesem Werk durchaus einen Meilenstein der Operettenverfilmung gesetzt.

Teufelsgeiger und Liebesschwüre

Napoléon hat seiner Schwester Fürstin Anna Elisa den neugegründeten Staat Lucca geschenkt. Er existiert gerade einmal zwei Monate, und der Haussegen des Fürstenpaares Anna Elisa und Felice Bacciocchi hängt schief. Der Fürst ist ein Schürzenjäger und hat seit neustem Gefallen an der Sängerin Bella Giretti gefunden. Auf der Jagd bleiben der Fürst und Bella zurück, während Anna Elisa und Kammerherr Pimpinelli im Dorf Capannari Rast machen. Pimpinelli hält es zwar für unter seinem Stand, in einer Dorfschänke einzukehren, doch hat die Fürstin den Klang einer Geige vernommen und will den Spieler sehen. Es handelt sich um den Teufelsgeiger Paganini, der auf seinem Weg nach Lucca, wo er vor dem Fürstenpaar ein Konzert geben soll, in Capannari Rast gemacht hat. Die Fürstin ist sofort von Paganini fasziniert, verrät ihm jedoch ihren richtigen Namen nicht. Auch Paganini wünscht sich bald nichts mehr, als Anna Elisa wiederzusehen. Sein Agent Bartucci eröffnet ihm kurze Zeit darauf, dass er nicht in Lucca spielen darf. Einst soll er einen Edelmann im Streit erschlagen haben und dafür ins Gefängnis gekommen sein. Der Fürst selbst hat nun ein Konzert Paganinis untersagt. Paganini schimpft vor Anna Elisa auf Fürst und Fürstin und will nun nicht mehr auftreten. Wenig später erscheint zunächst Bella Giretti und kurz darauf Fürst Felice, dem sein Pferd durchgegangen war. Paganini erkennt, dass Anna Elisa die Fürstin ist und zieht sich zurück. Erst, als Anna Elisa den Fürsten befehlen lässt, dass Paganini für sie am Hof spielt, willigt er ein, nach Lucca zu kommen.

In Lucca steigt Paganini in kürzester Zeit auf. Er wird der Geliebte der Fürstin, wird ihr Günstling, später Hofkapellmeister und wohnt im Schloss. Die Affäre von Geiger und Fürstin ist Stadtgespräch, Fürst Felice jedoch ganz recht, steht er doch so nicht mehr im Zentrum des Klatsches. Paganini jedoch ist ein Spieler und verspielt an einem Tag nicht nur sein gesamtes Geld, sondern auch den von Anna Elisa geschenkten Schmuck und am Ende sogar seine Stradivari. Er verliert alles an Pimpinelli, wird jedoch von Bella Giretti getröstet. Beide landen zusammen im Bett. Am nächsten Morgen erscheint Pimpinelli und bringt Paganini seine Stradivari zurück. Er will im Gegenzug einen Tipp haben, wie er bei Bella Giretti landen könnte. Die hört alles von Paganinis Bett aus mit und ist amüsiert. Im Schlafgemach findet sie ein Lied, an dem Paganini gerade schreibt. Auf ihr Drängen hin schenkt er es ihr. Wenig später übergibt Paganini die Noten auch an Anna Elisa und meint, er habe das Lied nur für sie geschrieben. Pimpinelli wiederum übergibt eine Brosche, die er von Paganini im Spiel gewonnen hat und die der ursprünglich von Anna Elisa geschenkt bekommen hatte, als Zeichen seiner großen Verehrung an Bella Giretti.

Kaiser Napoléon erfährt von der Affäre seiner Schwester mit Paganini, der inzwischen zum Hauptmann der Leibwache befördert wurde. Der Imperator schickt Soldaten nach Lucca, die Paganini aus dem Fürstenpalast holen sollen. Anna Elisa jedoch verweigert eine Herausgabe Paganinis und gibt sich empört, dass Napoléon den Straßenklatsch von Paris über eine Affäre mit Paganini glaubt. Am Abend findet ein Konzert Paganinis statt. Zunächst singt Bella Giretti – das Lied, das Paganini beiden Frauen geschenkt hat. Da Anna Elisa auch die Brosche an ihrem Kleid sieht, die sie ursprünglich Paganini geschenkt hatte, ist sie empört und traurig. Sie stimmt nun einer Verhaftung Paganinis durch Napoléons Männer zu. Paganini spielt an diesem Abend so schön wie nie. Ergriffen hört Anna Elisa zu und hat Tränen in den Augen, als Paganini von den Soldaten abgeführt wird. Sie geht zu ihm, nimmt ihn am Arm und führt ihn in entgegengesetzter Richtung aus dem Saal. Fürst Felice ist amüsiert, kann Napoléon doch ganze Völker besiegen, wird jedoch immer an den Frauen scheitern. Paganini flieht kurze Zeit später, von Anna Elisa unbemerkt. Er hält an einer Schmugglerkneipe unweit der Grenze und arrangiert dort seinen heimlichen Grenzübertritt. Anna Elisa erscheint, als einfache Straßensängerin gekleidet, und sieht Paganini noch ein letztes Mal. Längst hat sie erkannt, dass er allen gehört, und gibt ihn frei. Nach einer Verabschiedung fahren Paganinis und Anna Elisas Kutsche in entgegengesetzten Richtungen davon.

Paganini entstand als Studio-Operetten-Verfilmung und lief 1973 in einer Inszenierung von Eugen York erstmalig im deutschen Fernsehen. Im Gegensatz zum Grafen von Luxemburg ist die TV-Adaption nur teilweise gelungen.

Teresa Stratas als Prinzessin Anna Elisa und Johannes Heesters als Prinz Felice sind die herausragenden Charaktere dieser Verfilmung. Als Sängerdarstellerin mit Stil und Größe beeindruckt die Stratas mit melancholischem Ausdruck und sängerischer Dramatik. Johannes Heesters, zum Zeitpunkt der Produktion schon 70 Jahre alt, besticht durch seine Grandezza und seine Eleganz. Antonio Theba in der Titelrolle fällt musikalisch vor allem gegenüber Teresa Stratas leider deutlich ab. Seine musikalische Interpretation des Paganini klingt langweilig, seine Höhen sind zu forciert und klingen unangenehm, insgesamt ist Theba mit dieser Partie stimmlich überfordert. Sein durchweg engagiertes Spiel kann dieses Defizit leider nicht wettmachen.

Peter Kraus als Giacomo Pimpinelli ist sehr bemüht, doch hier merkt man natürlich den großen stimmlichen Unterschied, wenn Rollen von Unterhaltungssängern gesungen werden und nicht von klassisch ausgebildeten Sängern. Dadurch gerät diese Verfilmung sehr nah an ein seichtes Image, mit dessen negativen Auswirkungen die Operette heute noch zu kämpfen hat. Ähnliches gilt für Dagmar Koller als Bella Giretti, die sich mehr dem Niveau von Peter Kraus anpasst und wenig eigene musikalische Akzente setzt.

Das Symphonie-Orchester Kurt Graunke wird sicher geleitet von Wolfgang Ebert, doch missfällt die musikalische Bearbeitung von Bert Grund, die mehr einem Zeitgeist der frühen 1970-er Jahre frönt und sich deutlich von der klassischen musikalischen Lehár-Orchestrierung entfernt hat.

Wildromantische Naturaufnahmen

Mit Zigeunerliebe schuf Franz Lehár 1910 ein kompositorisches Meisterwerk, das den Graben zwischen Operette und Oper überwinden sollte. Trotz exquisiter Orchestrierung und wirkungsvoller Szenen konnte sich die „Romantische Operette in drei Akten“ jedoch nie dauerhaft auf der Bühne durchsetzen. 1974 wurde Lehárs Zigeunerliebe in einer eigens von Bernard Thieme bearbeiteten Fassung im deutschen Fernsehen ausgestrahlt. Für die Regie war Václav Kašlík verantwortlich, der am Prager Nationaltheater wirkte und wegen seiner Opern- und Operettenverfilmungen Bekanntheit genoss. Ausgedehnte Spielszenen und Sprechdialoge brechen die von Lehár durchkomponierte Partitur auf, die zusätzlich noch von Bert Grund bearbeitet wurde; dennoch überzeugt das Ergebnis mehr als bei so manch anderer TV-Operette der Zeit, die ebenfalls bei Arthaus erschienen ist.

Mit sorgfältiger Personenregie, wildromantischen Naturaufnahmen, malerischen Schauplätzen und liebevoll gestalteten Kostümen schafft Kašlík einen dekorativen Rahmen, der sich nicht allein auf „Paprika-Romantik“ verlässt. Mit der Lebenswirklichkeit der osteuropäischen Roma thematisiert der Film aber auch Vorurteile, unter denen die Volksgruppe bis heute leidet: Wenn Dragotin eine Romni, die seiner Tochter aus der Hand lesen will, mit den Worten „Zigeuner muss man immer schlagen“, aus dem Haus prügelt, ist das für eine Operettenverfilmung schon ein sehr deutlicher Hinweis auf einen Rassismus, der bis heute auch in unserer Gesellschaft noch latent vorhanden scheint.

Im Mittelpunkt von Kašlíks Regiekonzept stehen opern- und operettenerfahrene Sänger: Die attraktive Janet Perry zeigt als Zorika beeindruckende Stimmbeherrschung, leuchtende Spitzentöne und dramatische Durchschlagskraft. Darüber hinaus spielt sie glaubhaft das zwischen Freiheitstraum und gesellschaftlichen Pflichten schwankende Mädchen. Ion Buzea verkörpert als Józsi überzeugend den faszinierenden Fremden, der Zorika in ihrer Zukunftsplanung verunsichert. Ihr Verlobter Jonel wird vom smarten Operettentenor Adolf Dallapozza textverständlich und geschmackvoll gesungen.

Colette Lorand gibt die blasierte Ilona mit viel Humor und reichlich Laszivität, bleibt aber mit matronenhaftem Ton und scharfen Spitzentönen stimmlich hinter ihrer Darstellung zurück. Kurth Großkurth in der Doppelrolle Mihály/Moschu und Heinz Friedrich als Dragotin sind für ihre Rollen ideal besetzt. Das Münchner Rundfunkorchester und der Chor des Bayerischen Rundfunks sorgen unter Heinz Wallberg für sinfonische Wucht, Geigenromantik und Walzerseligkeit.

Insgesamt sind die drei Aufnahmen auf dem technischen Stand der frühen 1970-er Jahre, wirken daher für das heutige Sehempfinden als deutlich veraltet, was aber durch die liebevollen Landschaftsaufnahmen, Kostüme und die insgesamt sehr aufwändige Produktion für die damalige Zeit ausgeglichen wird. Für Liebhaber klassisch-romantischer Operettenverfilmung ist diese Box mit den drei DVD empfehlenswert, wer aber als Kenner Lehárscher Werke seinen Anspruch an hohe musikalische und sängerische Qualität in entsprechender technischer Wiedergabe knüpft, sollte lieber auf eine klassische Einspielung auf CD zurückgreifen.

Andreas H. Hölscher

Fotos: Unitel