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DVD-Besprechung

La Forza del Destino

10.3.2013


Points of Honor                      

Musik

Gesang

Regie

Bühne

Publikum

Kamera
Ton

Chat-Faktor


Cover





 

 

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Die Macht der Langatmigkeit

Ein bisschen überflüssig ist er schon, dieser Mitschnitt von Verdis Forza del destino aus dem Teatro Comunale in Firenze aus dem Jahr 2007. Vielleicht liegt es daran, dass die einstige Regie von Nicolas Joel durch Timo Schlüssel wieder aufbereitet wurde – auf jeden Fall bleibt die Wirkung des Schicksals, das die Hauptpersonen zu den unmöglichsten Momenten auseinanderreißt und wieder zusammenführt, gänzlich verborgen. Wenn Nicolas Joel also eine Aussage treffen wollte und nicht nur eine Geschichte zu erzählen hatte, merkt man davon auf der DVD herzlich wenig. Bis auf die Szenen mit Fra Melitone, die auch nur sehr bedingt den Zuschauer abholen, kommt also kaum Stimmung welcher Art auch immer auf. Ganz brav lässt Joel die Personen auftreten, singen und abgehen. Das ist vor allem tödlich bei den Duetten zwischen den Feinden Carlos und Alvaro, die mit allerlei 08/15-Gesten versuchen, eine Art Rivalität darzustellen. Aber auch die Chorszenen sind geprägt von statischer Hilflosigkeit.

Wenige Impulse kommen auch vom Bühnenbild. Ezio Frigerio begrenzt die Bühne entweder mit einem religiösen Mosaik oder mit kriegsgeschädigten Mauern, das Kloster im vierten Akt kann man nicht ausmachen. Immerhin lassen die Projektionen von Ideogramma di Sergio Metalli mit weiterziehenden Wolken einen Hauch von Atmosphäre aufkommen. Auch der Gitterkasten, der Leonoras Klause als Seelenkäfig entlarvt, lässt zumindest einen Gedanken an Interpretation aufkommen. Die Kostüme von Franca Squarciapino erfüllen zwar ihren Zweck, werten die Produktion aber auch in keiner Hinsicht auf.

Aufnahme-Regisseur Andrea Bevilacqua versucht nun, dieser langatmigen Produktion mit seinen Kameras Leben einzuhauchen. Dabei verzettelt er sich mit hektischen Sprüngen zu einem sehr unruhigen Bild, das sich gerne innovativ gibt. Die Szene wird zudem nicht interessanter, wenn man die grauen Schultern der Choristen über die Bühne rennen sieht. Ab und an gelingt es ihm, die scharfen Bildschnitte mit ruppigen Orchesterschlägen zu timen. Auch die visuelle Untermalung der Ouvertüre ist eine nette Idee. Der Ton ist ordentlich, fängt aber auch die Stimmen so gut ein, dass auch hier die Schwächen unüberhörbar sind.

Denn auch vokal ist die DVD alles andere ein Highllight: Am besten schlägt sich noch Violetta Urmana als Leonora. Die ehemalige Mezzosopranistin hat sich auf ihrem sicheren Stimmsitz das Sopranfach recht gut erobert, wenngleich die Höhe mehr von unten angeschliffen wird und das Mezza voce nicht die gewünschte Innigkeit besitzt. Doch weiß sie noch am besten den italienischen Charakter der Oper zu treffen. Nach ihr sind es die beiden Mönche Padre Guardiano und Fra Melitone zu nennen: Roberto Scandiuzzi und Buffo-Bariton Bruno de Simone sind zufriedenstellende Sänger. Auch Marcello Giordani schlägt sich als Alvaro noch einigermaßen ordentlich. Aber die unter Druck gesetzte Höhe schlägt sich nieder mit einigen Brüchen im Piano und der sehr schwachen Tiefe. Carlo Guelfi stößt seine Rachegelüste mit scharfer Artikulation hervor, doch ansonsten lässt der hochgezogene Bariton viel vermissen: Weder ein attraktives, warmes Timbre noch ein längeres Legato zeichnen seinen Don Carlo di Vargas aus. Julia Gertseva ist nur in der Tiefe eine attraktive Preziosilla. Ordentlich zieht sich der Chor der Maggio Musicale Fiorentio in der Einstudierung von Piero Monti aus der Affäre.

Dass auf der Bühne nur selten Augenkontakt stattfindet, mag daran liegen, dass sich alle auf den Dirigenten konzentrieren: Zubin Metha wählt zumeist recht langsame Tempi und erarbeitet sich mit einem sehr diszipliniert aufspielenden Orchester viele Details. Er betont weniger die brutale Seite des Werkes, sondern vielmehr die musikalische Schönheit der Oper, was einige selten gehörte Feinheiten bei den Streichern und Flöten zu Tage fördert. Doch im Zusammenhang mit der Szene versetzt er der DVD endgültig den Stoß ins Abseits. Hier wäre eine Spur mehr Dramatik notwendig gewesen, um mit italienischem Feuer die Langatmigkeit in Schach zu halten.

Auch im Publikum scheint die Produktion nur bedingt Begeisterung auszulösen. Sicher gibt es ein paar Bravo-Rufe, besonders für Urmana und Giordani, aber wirklicher Enthusiasmus hört sich anders an. Insgesamt ist diese Forza kaum eine sinnvolle Ergänzung in der Diskographie des Werkes.

Christoph Broermann

Fotos: Arthaus Musik_RAI Trade