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 DVD-Besprechung

Legendary Performances

6.7.2015

 

 

Points of Honor                      

Musik

Gesang

Regie

Bühne

Publikum

Kamera

Ton

Chat-Faktor


Cover

 

 

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Verschenkte Legenden

Früher war alles besser, lautet das altbekannte Credo nicht nur altgedienter Opernliebhaber. Nicht nur aus der Ära des Grammophons sondern auch von einigen Fernsehmitschnitten gibt es mittlerweile Aufführungen, die mancher als legendär bezeichnen möchte. Das Label Arthaus hat zehn Aufführungen gefunden, denen es nun dieses Prädikat nochmal besonders aufdrücken möchte, und veröffentlicht es unter dem Banner legendary performances. Freilich sind das keine Neuveröffentlichungen. Im Gegenteil: Mittlerweile sind einige von ihnen zu oft auf dem Markt erschienen und wieder davon weggenommen worden.

Bekannt sind sie also hinlänglich: Zum Beispiel die erste komplette Einspielung von Prokovievs War and Peace, die Valery Gergiev 1991 in St. Petersburg leitete. Man könnte vermuten, dass diese Oper eine Alibifunktion dafür hätte, dass nicht nur die berühmtesten aller Opern in diese Reihe aufgenommen werden. Auch Ponchiellis La Gioconda mit Placido Domingo und Eva Marton hat es unter die zehn legendären Aufführungen geschafft.

Gemeinsam haben sie alle, dass die Inszenierungen – wie man so schön sagt – werktreu sind. Sprich, Gegner des sogenannten Regietheaters können bedenkenlos zugreifen. Regisseur Luca Ronconi ist mit zwei klassischen Verdi-Inszenierungen vertreten: Aida aus der Scala von 1986 bietet opulentes Theater und die wunderbare Stimme Luciano Pavarottis als Radames. Der Macbeth, den Ronconi 1987 in Berlin inszeniert, hat mit Renato Bruson einen legendären Interpreten zur Verfügung.

Natürlich kann die Sängerbesetzung immer eine Rolle spielen, um das Kriterium legendär zu bekommen. So zum Beispiel die jüngste Aufnahme der Reihe, der Rosenkavalier, bei dem 2004 in Salzburg Adrianne Pieczonka, Angelika Kirchschlager und Miah Persson auf der Bühne standen. José Carreras als Kalaf in Turandot aus der Wiener Staatsoper erfüllt den gleichen Anspruch. Manchmal ist es aber auch das einzige Argument, denn der Otello aus der Mailänder Scala ist allenfalls solide – trotz Placido Domingo in der Titelrolle.

Legendär – weil so rar – sind auch die Aufnahmen mit Dirigent Carlos Kleiber. Daher darf die luxuriös besetzte Carmen aus Wien auch nicht fehlen. Aufführungsgeschichte schreibt auch Dirigent Sir Georg Solti, als er 1990 bei den Salzburger Festspielen einspringt. Wenige Tage vor der Premiere muss er den jüngst verstorbenen Herbert von Karajan in John Schlesingers Produktion von Un ballo in maschera ersetzen. Bereits 1983 hat ein anderer Dirigent gezeigt, was das Publikum nach der Ära Karajan erwarten wird. Riccardo Muti serviert mit einem brillanten Ensemble dem Publikum eine Così fan tutte in einer italienisch brodelnden Interpretation.

Die Aufnahmedaten lassen zu Recht befürchten, dass die technische Qualität nicht der Hauptgrund sein sollte, zu diesen Aufführungen zu greifen. Ob man diesen teils wirklich hochkarätigen und somit legendären Aufnahmen einen Gefallen tut, in dem man sie spotbillig wiederveröffentlicht, ist fragwürdig. Man hätte die Geschichte der jeweiligen Produktion mal beleuchten können. Zeitzeugen, die in Interviews etwas dazu beisteuern hätten können, gibt es ja noch genug. So hätte man den Kunden besser begreiflich machen können, was legendär wirklich bedeutet. Das wird nur in einem auf die ordentlich gefaltete Pappverpackung gedruckten Text angedeutet. Von Begleitheft geschweige denn Extras fehlt jede Spur. Dabei sind doch die technischen Möglichkeiten von BluRay und DVD von heute wesentlich besser als die Videokassette von früher. Tja, Chance vertan. So huldigt man nur dem Konsumverhalten der Käufer.

Christoph Broermann