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 DVD-Besprechung

The Essential Opera Collection

28.11.2013

 

 

Points of Honor                      

Musik

Gesang

Regie

Bühne

Publikum

Kamera

Ton

Chat-Faktor


Cover

 

 

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Guter Durchschnitt

Über den Sinn der großen DVD-Boxen, die derzeit mehr und mehr auf den Markt gebracht werden, kann man lange diskutieren. In der heimischen Sammlung sind die großen Schuber sicher eindrucksvolle Blickfänger. Im neuesten Fall sorgt schon der Titel allein für zusätzliche Aufmerksamkeit: Mit der zehn Opern umfassenden Box The Essential Opera Collection lehnt sich das Label Opus Arte recht weit aus dem Fenster. Denn das Wesentliche, also das Essenzielle ist in dieser Zusammenstellung nicht wirklich getroffen.

Dreimal Verdi

Das beginnt schon bei der Auswahl der Komponisten und Werke. Sicher darf Giuseppe Verdi nicht fehlen, wenn man einen Streifzug durch die Welt der Oper unternimmt. Doch müssen es gleich drei Opern sein? Auf die fast unterdurchschnittliche Aida aus dem Gran Teatro del Liceu in Barcelona hätte man zum Beispiel gut verzichten können. Regisseur José Antonio Gutiérrez setzt die Handlung in der farbenprächtigen Exotik um, die zu Zeiten Verdis in Mode war. Ganz traditionell, sauber erzählt, aber leider auch etwas spannungsarm, wird die Geschichte herunter gebetet und lässt der Musik viel Raum zur Entfaltung. Doch auch auf diesem Sektor kann die Aufnahme von 2003 nicht punkten. Weder Dirigent Miguel Ángel Gómez Martinez noch Daniela Dessi als Aida kommen über eine solide Wiedergabe hinaus. Fabio Armiliato schlägt sich als Radames ganz achtbar, während Juan Pons als Amonasro und der Ramfis von Roberto Scandiuzzi oberflächlich bleiben.

Deutlich besser ist es um die beiden andern Werke Verdis bestellt. David McVikar setzt den Rigoletto an sich auch historisch um, doch gibt er ihm die düster-grausame Note des Spätmittelalters und vor allem eine ausgefeilte Personenführung. Spannung pur also auf der Bühne, und die Musik hält mit: Christine Schäfer als scheue Gilda, Marcello Alvarez als frauenverführender Herzog und Paolo Gavanelli als ambivalenter Rigoletto tragen schauspielerisch und stimmlich die Aufführung von 2012 aus der Royal Opera Covent Garden in London. An gleicher Stelle wurde auch der Trovatore in der Inszenierung von Elijah Moshinsky aufgezeichnet. Moshinsky bringt seine Protagonisten mit einer recht körperbetonten Personenführung zuweilen an die Grenzen der Schnappatmung, doch wird seine Regie dem schwierigen Werk sehr gerecht. Dmitri Hvorostovsky und Jose Cura sind zwei Darsteller, die sich furios auf der Bühne behaupten. Doch ist der russische Bariton in der Rolle des Luna mit dem besseren technischen Rüstzeug ausgestattet als der als Troubadour etwas unsauber singende Cura.

Opernschlager

Carmen und Tosca sind nach wie vor zwei Beispiele für die ungebrochene Faszination an dramatischen Frauenpartien und noch dazu zwei große Publikumsmagnete. Völlig zu Recht sind sie also Bestandteil dieser Box und zudem noch in recht gelungener Qualität. Die grausame Handlung von Tosca spielt sich im eiskalten Kirchenstaat von Núria Espert und Ezio Frigerio ab. Scarpia tritt – beeindruckend gespielt von Ruggero Raimondi – als eine Art moderner Inquisitor in Erscheinung. Das Ehepaar Daniela Dessi und Fabio Armiliato singen Tosca und Cavaradossi mit Hingabe und Leidenschaft. Die teilweise dunkle Ausleuchtung ist sowohl bei der in Madrid aufgenommen Tosca als auch bei der Carmen aus Glyndebourne nicht immer kamerafreundlich. David McVikars Inszenierung von 2003 ist ein schönes Beispiel dafür, wie schön man traditionell erzählen kann, wenn man als Regisseur das Handwerk der Personenführung beherrscht. Anne Sofie von Otter ist eine tadellose femme fatale, wenngleich ihre Carmen etwas aufgesetzt rüber kommt. Marcus Haddock singt einen energisch-lyrischen Don José. Etwas übertrieben ausladend in der Gestik, aber großartig in der Interpretation stellt das Dirigat von Philippe Jordan den Höhepunkt dieser Carmen dar.

Ein weiterer Ausflug ins französische Fach wird mit Offenbachs Les Contes d’Hoffmann geboten. Allerdings kann die Aufführung aus Madrid nur mit Abstrichen überzeugen. Giancarlo del Monaco will eine Spur zu viel das Gedankenkonstrukt des Hoffmann mit zahlreichen Aktionen bebildern. Starke phantastische Ausbrüche mischen sich mit liebloser Gestaltung. Auch bei Dirigent Alain Guingal klingt Offenbachs Musik oft etwas grob und überdramatisch. Aus einem soliden Solistenensemble stechen der sich wahrlich verausgabende Aquiles Machado in der Titelrolle sowie der sehr schöne Mezzosopran von Katharine Goeldner, die den Nicklausse singt, hervor.

Mozart – einmal mutig, einmal ohne Raffinesse

Auch Mozart darf in dieser Mischung nicht fehlen und besonders nicht seine Oper Don Giovanni, die so oft die Oper aller Opern genannt wird. Ob Opus Arte mit der Aufführung aus dem Opernhaus in Madrid eine gute Wahl für diese Box getroffen hat, bleibt zu bezweifeln. An diesem Beispiel wird deutlich, dass der Inhalt solcher Boxen oftmals nur die schlecht verkaufte Alternative zu Kataloggrößen ist. Lluis Pasquals Inszenierung ist grundsolide, hat einen kleinen visuellen Höhepunkt beim La ci darem la mano, wo Don Giovanni als Hommage an das Phantom der Oper mit seiner Zerlina über einen See aus Rauch rudert. Wie sich dieser Moment zum Rest seiner Inszenierung verhält, die er ins Spanien der 1940-er Jahre verlegt hat, bleibt unbeleuchtet. Victor Pablo Pérez spult Mozarts Musik recht hurtig und filigran, aber ohne besondere Raffinesse ab. Auch sängerisch werden keine Großtaten vollbracht. Pralles vokales Leben versprüht lediglich Lorenzo Regazzo als Leporello.

Auch in der zweiten Mozart-Oper tritt Regazzo in gleicher Qualität in Erscheinung – diesmal in der Titelrolle von Le nozze di figaro. Die Inszenierung von Christoph Marthaler aus der Opéra national de Paris ist sicherlich der mutigste Beitrag in der Box, an dem sich aber die Geister scheiden werden. Die Verlegung ins Standesamt kollidiert immer mal wieder mit dem Libretto, ist aber gleichzeitig sehr scharf ausgearbeitet und es gibt einiges zu lachen. Herrlich ist etwa der kaugummikauende Cherubino, den Christina Schäfer mit Wiedererkennungswert singt. Peter Mattei gibt auf den Punkt den liebestoll-biederen Standesbeamten.

Optische Effekte von Pierre Audi

Dass Wagner in eine essenzielle Opernbox gehört, ist sicher unbestreitbar. Ob man dafür einen Teil aus dem Amsterdamer Ring herauspflücken muss, ist eine andere Frage. Doch Pierre Audis visuell-bildgewaltige Interpretation ist auch in der Walküre allein überzeugend. Sein an gleicher Stelle aufgezeichneter L’Orfeo ist nicht ganz so ausladend inszeniert, macht aber mit stimmungsvollen Farbtönen sowie dem Einsatz von Feuer und Wasser die tragische Geschichte um den Sänger Orfeo zu einem wirkungsvoll-mythologischen Theater. Stephen Stubbs leitet die Instrumentalensembles Tragicomedia und Concerto Palatino, die Monteverdis Oper mit samtweichem Ton ausstatten. Da auch die Sänger, angeführt von John Mark Ainsley und Juanita Lascarro, überzeugen, gehört diese DVD eindeutig zu den Pluspunkten der Box.

So richtig glücklich will man mit ihr nicht werden, auch wenn jede DVD kleinere Extras und einen guten Ton bereithält. Doch es fehlt einfach ein klares Konzept und eine kluge Auswahl. Noch dazu ist nicht jede Interpretation in der Box wirklich wesentlich. Was unterm Strich herumkommt, ist guter Durchschnitt. Da sollte man sich überlegen, die eine oder andere DVD einzeln zu kaufen. Sonst wird so eine große Box auch schnell zu einem Staubfänger.

Christoph Broermann

Fotos: Opus Arte