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 DVD-Besprechung

Mary Wigman - The Soul of Dance

25.10.2014

 

 

Points of Honor                      

Musik

Tanz

Choreografie

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Die Frau, die den Tanz revolutionierte

Die Filmemacher Norbert Busé und Christof Debler haben in einer knapp 50 Minuten dauernden Dokumentation das Leben der Tänzerin, Choreographin und Tanzpädagogin Mary Wigman aufbereitet. Ihr Name wird nicht jedermann ein Begriff sein: Wigman, geboren 1886, prägte zusammen mit Rudolf von Laban den so genannten deutschen Ausdruckstanz und machte ihn international bekannt. Der German Dance ist eine freie Form der Bewegung, die im Gegensatz zum Ballett keine Formensprache nutzt, sondern mittels natürlicher Bewegungen dem Tanzenden zur künstlerischen Darstellung eigener Emotionen dient. Noch heute sind die Einflüsse des Ausdruckstanzes im zeitgenössischen Tanz zu erkennen. Daher ist eine Dokumentation über diese bedeutende Vertreterin des Ausdruckstanzes zu begrüßen.

Der Film wurde im Auftrag des Zweiten Deutschen Fernsehens und in Kooperation mit Arte produziert und 2008 im Fernsehen ausgestrahlt. Die nun erschienene DVD bei Arthaus wartet neben dem Hauptfilm mit Bonusmaterial auf.

Doch zunächst zur Dokumentation: In einer unterhaltsamen Collage verweben die Autoren Experteninterviews, historische Tanzaufnahmen, Fotos und Impressionen miteinander. Es entsteht ein plastischer Eindruck von der Zeit, in der Wigman lebte. Beginnend mit einem philosophischen Zitat aus Wigmans Tagebuch und stimmungsvollen Bildern aus dem New York der 1930-er Jahre, wird der Zuschauer in schwelgerischen Bildern und Musik gewogen. Man erfährt, dass Wigman große Erfolge auf ihrer Amerika-Tournee feiert und im nächsten Moment wird ein großer chronologischer Sprung vollzogen, der den Zuschauer auf die Kindheit der Tänzerin zurückwirft. Was folgt, sind anschaulich dargestellte Informationen über den Werdegang der Künstlerin in chronologischer Erzählfolge.

Die Tänzerin und Choreographin Susanne Linke lernte noch Wigmans Sicht auf den Tanz in ihrem Berliner Studio Anfang der 1960-er Jahre kennen und schildert eindrücklich vom Erlebten. Sie choreographierte ein Solostück zu Schuberts Streichquartett Der Tod und das Mädchen und widmete es Mary Wigman. Ausschnitte daraus fließen in die Dokumentation mit ein und leisten einen ästhetischen Beitrag zum Gesamtwerk. Ebenso kommen die Choreographin Sasha Waltz, der Tanzwissenschaftler Norbert Servos und die Wigman-Biographin Hedwig Müller zu Wort.

Wigmans Tänze hinterlassen bleibenden Eindruck in den USA und haben die dortige Tanzwelt geprägt. Da wundert es nicht, wenn Charles Perrier, als Vertreter des umfassenden Tanzarchivs der New York Public Library, zu Wort kommt und beeindruckende Archivalien aus der Sammlung präsentiert. Ebenso bedeutende Vertreter des modernen Tanzes in den USA wie Murray Louis und Claudia Gitelman kommen zu Wort. Der Zuschauer erfährt, dass Wigmans berühmte Choreographie Der Hexentanz in der amerikanischen Tanzausbildung Teil des Lehrplans ist. Die Schüler lernen dort ganz selbstverständlich ein großes Stück Tanzgeschichte am eigenen Leibe kennen und verstehen – davon können Schüler im Heimatland der Wigman nur träumen.

Ebenso beeindruckend sind die kurzen Interviewpassagen mit dem betagten Kurt Schwaen, der Mary Wigman mit Eigenkompositionen am Klavier begleitete und mit ihr auf Tournee ging.

Der Film behandelt alle Stationen im Leben Wigmans recht ausführlich: Die Kindheit als Tochter aus gutem Hause, die sich gegen den vorgezeichneten Weg als Ehefrau und Mutter entscheidet; die Ausbildung zur Rhythmik-Lehrerin bei Dalcroze, die Wigman unbefriedigt absolviert. Ihr Drang, weiter nach der Ausdrucksform ihrer Emotionen zu suchen, führt sie zu Rudolf von Laban auf dem schweizerischen Monte Veritas, und sie findet sich inmitten von Gleichgesinnten wieder. Ihre ausgedehnten Tourneen, die Rückschläge, Krankheit und Erfolge werden allesamt angesprochen. Jedoch nur kurz wird davon berichtet, dass Wigman 1936 einen Teil der olympischen Eröffnungszeremonie choreographierte. Ihr weiterer Werdegang zur Zeit des Nationalsozialismus wird geradezu verschluckt und wird somit kaum ausgeführt. Das ist sehr schade, weil der bis dahin wunderbar verwobene Erzählstrang hier plötzlich ausfranst.

Die im Bonusmenü versteckten Interviews mit dem Wigman-Schüler Helmut Gottschild sowie mit Sasha Waltz sind hörenswert. Das mit nervenden Klimpertönen musikalisch untermalte Tagebuch der Wigman ist nett anzusehen.

Mary Wigman wollte sich nie bloß zu einer vorhandenen Musik bewegen, sie bevorzugte Eigenkompositionen, Trommelschläge oder Stille. Eine Vorlage, die sich die Autoren des Films hätten zu nutzen machen können. So erklingt an jeder erdenklichen Stelle Der Tod und das Mädchen und färbt alles Gesehene in einen dramatisch-traurigen Ton. Pathos war Mary Wigman nicht fremd, aber im Hinblick auf ihr Lebenswerk wären auch heroische Töne passend gewesen.

Jasmina Schebesta

Foto: Ursula Richter