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 DVD-Besprechung

Messa da Requiem

18.11.2013

 

 

Points of Honor                      

Musik

Gesang

Regie

Bühne

Publikum

Kamera

Ton

Chat-Faktor


Cover

 

 

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Nicht nur ein Event

Verdis Requiem hat seit jeher den Ruf einer heimlichen Oper Verdis, die sich im sakralen Gewand versteckt hat. Die musikalische Gewalt, mit der Verdi den Schrecken des Jüngsten Gerichts ausmalt, hat durchaus theatralischen Effekt. Die von CMajor veröffentlichte Aufnahme vom August 2013 ist auf dem ersten Blick nicht dafür geeignet, dem Werk auch sakral-besinnliche Seiten abzugewinnen. Aufführungsort ist der Hollywood Bowl: ein fast natürliches Amphitheater mit weißer Bühnenmuschel, das zu Füßen des berühmten Hollywood-Schriftzuges liegt. Zumindest wenn man der Kamera glauben möchte. Aufnahmeregisseur Michael Beyer lässt den Zuschauer ganz oft an der natürlichen Atmosphäre teilhaben, wenn die Kamera von ganzen hinten Zuschauer und Bühne samt einsetzender Dunkelheit erfasst. Die neben der Bühne aufgebauten Großleinwände steuern nur das Gefühl eines Klassikevents bei, sind aber bei diesen massentauglichen Aufführungen verständlicherweise notwendig. Vielleicht ist dieses Ambiente daran schuld, dass sich Dirigent Gustav Dudamel, Orchester und die männlichen Solisten, Vittorio Grigolo und Ildebrando D’Arcangelo, dazu haben hinreißen lassen, weiße Jacketts zu tragen. Das ist zu einem Requiem ungefähr so passend wie Anzug und Krawatte auf einer Strand-Party.

Mit zunehmender Dämmerung macht sich dann aber immer mehr eine fast religiöse Stimmung breit. Dirigent Dudamel gelingt es zwar nicht unbedingt, seiner Interpretation das ganz besonders Einzigartige zu verleihen. Doch das Werk liegt ihm sehr am Herzen, was man nicht nur aus dem dankenswerterweise auf der DVD veröffentlichen Interview heraushört. Er trifft mit der Los Angeles Philharmonic ganz genau den richtigen Ton der Messe. Da braust das Dies irae wie ein Sturm daher, die Trompeten scheinen den ganzen Westen der USA zusammen zu rufen. Noch besser gelingt Dudamel, der ohne eine Partitur vor sich dirigiert und in seinen Bewegungen deutlich beherrschter wirkt als üblich, allerdings das ruhige, betende Element der Totenmesse. Das Piano des eröffnenden Satzes Requiem aerternam ist so sanft, dass man sogar den Wind wahrnimmt, der Gustav Dudamel um die gelockten Haare weht. Der Los Angeles Master Chorale, einstudiert von Grant Gershon, singt selbst im schönsten Piano verständlich und homogen. Großen Effekt erzielt er nicht nur im bombastischen Turba mirum oder im energiegeladenen Rex tremendae. Der Chor hinterlässt den besten vokalen Eindruck, obwohl das Solistenquartett doch sehr ordentlich besetzt ist. Sehr gut aufeinander abgestimmt klingt es im Offertorio. Bass Ildebrando D’Arcangelo ist eine sichere Bank, wenngleich die Stimme in der Tiefe etwas an Kraft verliert. Mezzosopranistin Michelle DeYoung wirft sich stellenweise etwas zu theatralisch aufgeladen in ihre Phrasen, man merkt ihr sogar im Sitzen an, wie sie mit der Musik mitfiebert. Vittorio Grigolo hat sicher einen sehr angenehmen Tenor, der beispielsweise im Ingemisco bestens zur Geltung kommt. Allerdings merkt man zu deutlich, wie er sein lyrisches Material zu den dramatischen Seiten des Requiems strecken muss. Juliana DiGiacomo bewältigt das Libera Me nicht völlig frei von Schärfen, ihr gelingt aber im Zusammenspiel mit dem Chor dieser so intensive Schlusspunkt sehr beeindruckend. Danach, während Dudamels Hände ganz langsam nach unten sinken, sind auf der DVD fast dreißig Sekunden Stille – das Werk, die Interpretation hat den Eventcharakter überwunden. Der Jubel für die beteiligten Künstler fällt dementsprechend groß aus.

Christoph Broermann