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 DVD-Besprechung

The Verdi Opera Selection – Shakespeare

7.1.2014

 

 

Points of Honor                      

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Verdi trifft auf Shakespeare

Drei verschiedene Titelhelden, drei verschiedene Charaktere, drei große Opern. Drei Mal hat sich die Musik von Giuseppe Verdi mit einem Libretto verbunden, das aus einer Vorlage von William Shakespeare entstanden ist. Das Label Arthaus veröffentlicht aus ihrem Katalog diese drei Opern nun zusammen in einer Box. Etwas Neues, Bemerkenswertes kommt dabei nicht heraus, doch werden die drei ausgewählten DVDs den unterschiedlichen Werken gerecht.

Da ist zum einen der Macbeth aus dem Opernhaus Zürich. Regisseur David Pountney geht die Geschichte um das mörderische Ehepaar Macbeth zuweilen mit etwas verkrampfter Symbolik an. Da wird mit projizierter, römischer Uhr die Vergänglichkeit des Menschen verdeutlicht. Dementsprechend altern Macbeth und seine Gattin im Laufe der Handlung sichtbar. Die Hexen kommen aus der Mitte der Gesellschaft, von der Hausfrau bis zur Modedesignerin ist jeder feminine Typus vertreten, der Einfluss auf die Gesellschaft nehmen kann. Die farbenreichen Kostüme von Marie-Jeanne Lecca kennzeichnen die Personen zuweilen etwas plakativ, doch stets durchaus treffend wie beispielsweise den düster-erotischen Charakter der Lady Macbeth. Stefanos Lazaridis‘ Einheitsbühne bietet genügend Platz für das schicksalshafte Treiben, das etwas düster von Jürgen Hoffmann beleuchtet wird, und noch dazu für einen Kubus, einen abgeschotteten Lebensraum der Macbeths. Am Ende durchbohrt Macduff wie bei einem Zaubertrick dessen Wände mit mehreren Schwertern, was das Ende von Macbeth bedeutet. Musikalisch schärfer erarbeitet Franz Welser-Möst mit dem Orchester der Oper Zürich die finstere Partitur Verdis. Ihm steht ein starkes Ensemble zur Verfügung: Paoletta Marrocu ist eine charismatische Lady Macbeth mit boshaft-kalter Ausstrahlung und etwas forciert-schneidendem Sopran. Auch Thomas Hampson muss seinem lyrischen Bariton einige dramatische Ausbrüche abfordern, doch auch sein Rollendebüt als Macbeth hinterlässt in jeder Hinsicht einen starken Eindruck. Während Roberto Scandiuzzi als Banquo überzeugt, muss man bei Luis Lima als etwas weinerlich-ungenauem Macduff einige Abstriche machen.

Wie anders Verdi klingen kann, zeigt seine letzte Oper Falstaff. Die lyrische Komödie wurde 2006 im Teatro Comunale in Florenz aufgezeichnet, eine ausführliche Besprechung der DVD ist hier nachzulesen. Falstaff verkraftet auch den Zeitsprung in die jüngere Vergangenheit des letzten Jahrhunderts in der Inszenierung von Luca Ronconi. Der weiß nicht nur mit derbem Witz aufzuwarten, sondern auch mit poetischen Bildern. Getragen wird die Aufführung trotz schon merklich reduzierter stimmlicher Mittel von Ruggero Raimondi als Falstaff, der ein spielfreudiges Ensemble anführt, aus dem Barbara Frittoli als elegante Alice Ford herausragt. Zubin Metha dirigiert die Oper mit viel Gefühl und Witz ohne großartige Übertreibungen.

Vom ersten Augenblick an völlig humorlos fällt verständlicherweise der Otello in der Inszenierung von Graham Vick aus. Die Aufführung an der Mailänder Scala im Jahr 2001 war der Abschluss des Gedenkens zum 100-jährigen Todestag des Komponisten. Doch wirklich angemessen ist die szenische Umsetzung dafür nicht. Guten Eindruck hinterlässt wenigstens noch der Bühnenzylinder von Ezio Frigerio, der die Ausweglosigkeit der Protagonisten darstellt. Die Kostüme von Franca Squarciapino wirken in ihrem Traditionsbemühen fast überzogen. Die Inszenierung ist sicherlich kein Ärgernis, aber enttäuscht doch in ihrer so belanglosen Nacherzählung der Handlung. Wird im ersten Akt noch die Bühne für Bewegung genutzt, um Sturm, Feier und Kampf darauf umzusetzen, werden die Auftritte immer vorhersehbarer und systematischer. Darstellerisch wird keiner wirklich richtig gefordert. So gestaltet ein Routinier wie Plácido Domingo den Otello ganz aus seiner Erfahrung heraus. Vokal befindet er sich nicht unbedingt in bester Verfassung, und er muss sich einige Töne fast aus der Gesanglinie herausbrechen. Dass sein Otello trotzdem noch überzeugen kann, liegt an dieser vielschichtigen Ausdruckspalette, die Domingo in seinem Gesang bedienen kann. Leo Nucci schafft das Kunststück, den Jago nicht einfach nur oberflächlich böse zu spielen. Weit aufgerissene, unschuldige Augen, weiche Töne zeigen die wahre Verstellungskunst des Meisters der Intrige. Geradezu engelsgleich schwebt der Sopran von Barbara Frittoli über der tristen Szene. Auch Riccardo Muti steuert seinen Teil dazu bei, dem Werk jegliche Pauschalität auszutreiben. Der erste aufpeitschende Einsatz des Orchesters ist so kräftig, dass die Kamera unter den wuchtigen Akkorden wackelt. Doch dann zaubert Muti die Stimmungen vor allem aus einem angsteinflößenden Piano hervor. Das wird nicht nur der Oper, sondern auch der Kompositionskunst Verdis gerecht.

Großartige Extras bietet leider keine der DVDs, daher muss man sich mit den üblichen Funktionen begnügen. Doch die Genialität von Musik und Text steht dem Käufer trotz aller Einschränkungen zufriedenstellend zur Verfügung.

Christoph Broermann

Fotos: Arthaus