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DVD-Besprechung

The Verdi Edition

29.5.2013


Points of Honor                      

Musik

Gesang

Regie

Bühne

Publikum

Kamera
Ton

Chat-Faktor


Cover





 

 

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Abgespeckter Verdi zum Genießen

Nach C Major bringt auch das Label Opus Arte eine Verdi-Box heraus – und ganz im Gegenteil zur großen Box Tutto Verdi kommen bei der Verdi-Edition schon bei der Auswahl und der Aufmachung Fragen auf. Von den 26 Opern Verdis haben es 12 Werke in die Box geschafft, die sich zwar in schöner Farbe, aber mit billigen Plastikfassungen präsentiert. Bei diesen Werken handelt es sich – welche Überraschung – vor allem um die berühmteren Werke des Komponisten. Einzig Les vespres siciliennes ist als etwas unbekanntere Oper vertreten. Von den berühmten Opern fehlt nur Nabucco, ansonsten gibt es Macbeth, Rigoletto, Il Trovatore, La Traviata, Simon Boccanegra, Un Ballo in Maschera, La forza del destino, Don Carlo, Aida, Otello und Falstaff zu sehen. Aufgenommen sind sie in den ebenso berühmten Opernhäusern von London, Amsterdam, Barcelona und St. Petersburg. Diese Zusammenstellung beweist kaum Mut und noch weniger Innovation, da alle DVDs schon seit Jahren auf dem Markt sind.

Und doch gibt es für jede DVD eine gute Begründung für ihre Anwesenheit auf dem Markt. Die Qualitäten des Macbeth aus London kann man hier nachlesen. Einen Ausflug ins finstere Mittelalter unternimmt der Rigoletto in der Regie von David McVikar. Selten hat man diese Oper so düster und grausam erlebt. Überwiegend setzt die DVD-Box auf traditionelle Inszenierungen. Reich ausgestattet sind die Traviata von Richard Eyre und Simon Boccanegra von Elijah Moshinksy. Auf das Minimalste reduziert hat Willy Decker Otello und Don Carlos. Grell, fast comichaft, hat Graham Vick den Falstaff in Szene gesetzt, wo Bryn Terfel großen Mut zur Hässlichkeit beweist. Eine große Ausnahme in dieser Reihe ist Christoph Loys scharf-psychologische, moderne Sichtweise auf die Vespres siciliennes.

Vokal bietet die Sammlung viele große Namen und musikalische Sternstunden. Paolo Gavanelli etwa agiert und singt einen hoch intensiven Rigoletto. Dimitri Hvorostovsky wütet furios als Graf Luna. Marcelo Alvarez findet als Riccardo auf dem Maskenball nach einer tollen Vorstellung sein bewegendes Ende. Hochkarätig besetzt ist die Violetta mit Renée Fleming. Doch ihre Traviata wirkt die meiste Zeit wie eine Marschallin aus dem Rosenkavalier. Die sozial gescheiterte Kurtisane nimmt man ihr trotz einer bemerkenswerten Stimmführung nicht ab. Christine Schäfers Gilda kommt ohne übertriebene Koloraturen aus. Sie singt die Rolle mit lyrisch gestalteter Schüchternheit. Die beste Frauenstimme der DVDs gehört Krassimira Stoyanova. Ihre Desdemona ist ein Paradebeispiel dafür, wie schön und spannend zugleich eine ganz natürliche Stimmführung, die ohne irgendwelche Mätzchen auskommt, und eine unangestrengte Technik sein kann. Leider hat sie mit José Cura einen zwar charakterstark, aber sehr unsauber deklamierenden Otello an ihrer Seite. Unter den Comprimari findet sich ein noch recht unbekannter Tenor namens Vittorio Grigolo, der heute eine recht erfolgreiche Karriere verzeichnen kann. Seinen ersten Don Carlos singt Rolando Villazón in Amsterdam. Auch wenn er auf dieser DVD noch sehr gut bei Stimme ist, hört man bereits deutlich, dass er über sein Fach hinaus singt. Ein markanter Verfechter der Gedankenfreiheit ist Dwanye Croft als Posa. Zum Gipfeltreffen zweier Altstars gerät Simon Boccanegra: Auf der einen Seite ist Bass Ferruccio Furlanetto als Fiesco ein absoluter Gewinn. Auf der anderen Seite kann man sich selber ein Bild über die Bariton-Qualitäten von Tenor Placido Domingo machen. Lange bekannt, aber trotzdem noch hoch interessant ist die erste Aufnahme der Forza-del-destino-Version von 1862. Auch die Stimmen aus der russischen Sänger-Schmiede von Valery Gergiev können durchaus zufrieden stellen. Das musikalische Niveau der Opern wird auch von Dirigenten und den Orchestern gehalten. Antonio Pappano, Jesus López Cobos, Edward Dones und Bernhard Haitink sind Garanten für einen spannenden Verdi-Abend. Dementsprechend werden die Leistungen der Künstler vom Publikum recht begeistert bis enthusiastisch gefeiert. Ein Ärgernis ist nur, dass auf einigen Aufnahmen die an- und absteigenden Applauspegel ganz eindeutig nicht zu den Auftritten auf der Bühne passen. Hier wurde ganz offensichtlich gepfuscht.

Akustisch und optisch sind ansonsten die DVDs unterm Strich hochsolide, allerdings mit kleineren Abweichungen. So ist bei einigen DVDs der Ton etwas instabil, wenn sich die Sänger abwenden oder bewegen. Optisch sind alle Aufführungen gut eingefangen, wenngleich die Kamera auch manchmal mehr sichtbar macht, als sie sollte: In der Tempelszene der Aida schwebt in der Inszenierung von José Antonio Gutiérrez Radames' Kriegsschwert magisch auf zum Himmel. Der Zoom der Kamera in diesem Moment offenbart schonungslos die dünnen Seile, an denen es nach oben gezogen wird. Bei vielen DVDs gehören zum Glück ein paar Gespräche oder Einführungen zur Ausstattung. Das dreisprachige Begleitbüchlein der Edition enthält mit der Einleitung Verdi und das Drama einige Erklärungsversuche zur Auswahl dieser Box. Sehenswert ist der Inhalt allemal, doch bleibt es dabei, dass eine Box mit jüngeren und auch seltener gespielten Aufführungen die bessere Wahl gewesen wäre.

Christoph Broermann

Fotos: Naxos