Archiv     Kommentare     Dossier     Backstage     Kleinanzeigen     Links     Buch/DVD     Kontakt     Impressum    Wir über uns  
 Partner von DuMont Reiseverlag  
 
     

DVD-Besprechung

Verbier Festival Orchestra - Charles Dutoit - Manfred Honeck

15.7.2013


Points of Honor                      

Musik

Gesang

Regie

Bühne

Publikum

Kamera
Ton

Chat-Faktor


Cover





 

 

zurück       Leserbrief

Mit jugendlich mitreißendem Schwung

In erster Linie ist Verbier ein Skiort. Denn die 1.800 Einwohner zählende Ortschaft im Kanton Wallis liegt auf ca. 1.500 Meter und wird von Bergen umringt. In zweiter Linie ist Verbier auch Festivalstadt: Denn im Jahre 1994 gründete man hier abseits der Musikmetropolen im Herzen der Schweizer Alpen und umringt von einer atemberaubenden Kulisse ein Sommerfestival und gleichzeitig auch ein Jugendorchester. Die Idee war, dass renommierte Künstler mit jungen Musikern hier in intimer Atmosphäre zusammen arbeiten und quasi als Dozenten fungieren. Die Liste der Stars, die hier tätig waren und mit dem Orchester gemeinsam musizierten, ist lang.

Seit 2009 ist nun Charles Dutoit Musikdirektor des Verbier Festival Orchesters. Über diese bereits mehrjährige, fruchtbringende Zusammenarbeit des renommierten Schweizer Dirigenten mit den jüngeren Musikern kann man sich jetzt auf einer eben erschienenen DVD von „idéaleaudience“ – EuroArts Music aus Konzerten aus 2012 überzeugen: Es ist wunderbar zu beobachten, mit welchem Elan und Verve die jungen Künstler hier mitmachen. Allen ist mitreißende Spielfreude ins Gesicht geschrieben. Faszinierend wie bei Pjotr Iljitsch Tschaikowskis Symphonie Nr. 5 Grandseigneur Dutoit mit vollem Einsatz und exakter Schlagtechnik die jungen Musiker zu Höchstleitungen animiert. Mit geradezu „russischem Element“ wird der jähe Wechsel zwischen düsterer Melancholie, zarter Lyrik und wilden Temperamentsausbrüchen fulminant geboten. Die grelle Instrumentierung, die Harmonik, die hemmungslose Rhythmik des Stückes kommen in allen Instrumentengruppen großartig und ohne Schwachstellen zum Ausdruck. Mit warmen, farbigen Streichern und immer präzisen Bläsern wird spannungsgeladen und mit extremen Steigerungen musiziert. Besonders das herrliche Andante cantabile des zweiten Satzes und der letzte Satz geraten zum Ereignis. Im zweiten Satz, wo nach wenigen versonnenen Einleitungsakkorden das Horn jene Melodie vorträgt, mit deren schwärmerischem Klang sich der Name des Komponisten unverlierbar überall in der Welt verbindet. Sehnsucht, verhaltene Glut, drängendes Verlangen: Nie wieder hat er solche Töne von solch zwingender Eindringlichkeit gefunden.

Aber auch der österreichische Dirigent Manfred Honeck versteht es in einem ebenfalls 2012 stattgefundenen Konzert mit seinem Charisma, seiner Elastizität, seinen fordernden Gesten die Vitalität der jungen Menschen bei der 4. Symphonie von Johannes Brahms zu wecken: Da werden nur so verschwenderisch warme Farben, reiche Melodien, viele, fein herausgearbeitete Schattierungen verströmt, dass es eine wahre Freude ist. Wunderbar farbig und warm hört man die Streicher insbesondere im harmonisch reichen Seitenthema des zweiten Satzes. Strahlend erklingen Blech und Holz. Honeck zieht alle denkbaren Register an Dynamik und Nuancen und wird dem Spätstil Brahms voll gerecht.

Enthusiastisch reagiert bei beiden Konzerten das Publikum und spendet frenetischen Applaus mit Ovationen und Fusstrampeln.

All dies wie auch das hochkonzentrierte, begeisternde und nahezu fehlerlose Musizieren fängt die Kamera ideal ein und ist mit vielen interessanten Details immer am Brennpunkt des Geschehens. Über die Tonqualität braucht man auch nicht zu mäkeln, gleichwohl der Sound bei so manchen Stellen brillanter sein könnte.

Sehr informativ ist auch das Begleitheft über die Werke und die Künstler, wenngleich etwas mehr Informationen über das Festival selbst, das ja nicht überall so bekannt ist, nicht geschadet hätten.

Helmut Christian Mayer

Fotos: Aline Paley