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 DVD-Besprechung

Turandot

17.11.2014

 

 

Points of Honor                      

Musik

Gesang

Regie

Bühne

Publikum

Kamera

Ton

Chat-Faktor


Cover

 

 

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Fantasievolle Opulenz und große Gefühle

Ein beeindruckendes Theater im Theater, einer Pagode ähnlich, mit zwei bevölkerten Rängen. Riesige Masken mit blutroten Fahnen aus den Mündern, viele weitere tolle Masken und fantasievolle, farbenprächtige Kostüme. Zahlreiche gezogene Wagen, einer davon rauchend mit angsteinflößenden, Schwerter schwingenden Figuren und einem furchterregenden Henker mit einem riesigem Schwert samt Schleifstein ganz oben. Unzählige, suggestive Licht- und Raucheffekte. Ein Kaiser, der in einer Wolke vom Himmel schwebt. Eine riesige Mondscheibe, die ebenfalls herunterschwebt und dessen Licht schon davor durch die Öffnungen herein scheint: Diese Turandot von Giacomo Puccini aus dem Royal Opera House Covent Garden ist in ihrer überbordenden Opulenz und üppigen Ausstattung, die von Sally Jacobs stammt, kaum zu toppen und kippt dabei auch kaum in Richtung Kitsch.

Sie zählt, wie Musikdirektor Antonio Pappano im Vorspann, der viele Informationen zum Werk und dem Making of dieser Produktion und viele Künstler zu Wort kommen lässt, im Originalton erzählt, zu den spektakulärsten Produktionen des Hauses. Deshalb wird sie bereits 1984 weit über hundert Male nicht nur im Haus, sondern auch weltweit gespielt. Im September 2013 wurde sie von Opus Arte auf DVD aufgenommen und jetzt kürzlich veröffentlicht.

Inszeniert hat diese Produktion ursprünglich Andrej Serban, die Auffrischung besorgte Andrew Sinclair. Zweifellos lebt sie in erster Linie von ihrer sagenhaften, immer ästhetisch geprägten Ausstattung und den arrangierten, teils statischen Bildern. Ihre Vitalität bekommt sie aber nicht nur von den vielen durchchoreographierten Massenszenen, die Kate Flatt mit großer Fantasie besorgt hat, sondern auch durch die Auftritte und Abgänge, die immer punktgenau zur Musik stattfinden. Und vor allem weiß Serban effektvolles großes Theater zu inszenieren. Auch gelingt es ihm, dass die Protagonisten viele Emotionen offenlegen.

Auch das Sängerensemble kann sich sehen und noch vielmehr hören lassen. Ungemein durchschlagskräftig ist der Tenor von Marco Berti, mühelos und sicher ist seine Höhe. Manchmal geht er jedoch mit der Intonation recht frei um. Etwas statisch ist lediglich sein Spiel. Lise Lindstrom singt hochdramatisch und packend, nur selten angestrengt, die stolze, kalte Prinzessin mit ihren tödlichen Rätseln. Bei Eri Nakamura als Liu hört man zarte schattierte Töne, aber auch viel Vibrato. Der Timur des Raymond Aceto hat ein ideales Timbre. Das singen ein Ministertrio, jene Modernisierung der alten Figuren der „commedia dell’ arte“ ungemein harmonisch und tadellos: Dionysios Sourbis als Ping, David Butt Philip als Pang wie auch Doug Jones Pong. Michel de Souza ist weit mehr als ein solider Mandarin. In Alasdair Elliot erlebt man einen ausgesprochen schön singenden Kaiser Altoum. Diesmal ist er nicht, wie sonst so oft üblich, mit einem ausgesungenen Sänger besetzt. Der Chor des Hauses, der von Renato Balsadonna einstudiert wurde, gefällt durch seine reichen Nuancen.

Das Orchester des Royal Opera House unter dem souveränen Henrik Nánási, das das Werk mit dem heute üblichen Schluss von Franco Alfano präsentiert, hat musikalisch ungemein viel zu bieten: Der Klang des Orchesters ist prachtvoll, die Koloristik raffiniert, alle nur denkbar feinen, aber auch eruptiv-dynamischen Schattierungen werden extrem ausgereizt, und man vermag auch große Gefühle und Leidenschaften zu verströmen, so dass das Publikum zum Schluss mit Ovationen reagiert.

Neben dem Vorspann liefert auch das Booklet mehrsprachig viel an Hintergrundinformationen. Die Videoregie, von Ian Russell geleitet, liefert viele packende Nahaufnahmen und ist immer am Brennpunkt des Geschehens. Absolut klar und brillant ist der Ton.

Es liegt somit eine DVD Aufnahme vor, die nicht nur Puccini-Fans absolut empfohlen werden kann.

Helmut Christian Mayer

Fotos:
Johann Persson, Tristram Kenton