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 DVD-Besprechung

Tannhäuser
2.8.2015

 

 

Points of Honor                      

Musik

Gesang

Regie

Bühne

Publikum

Kamera

Ton

Chat-Faktor


Cover

 

 

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Konservierte Inszenierung

Selten kommt es vor, dass bei den Bayreuther Festspielen eine Inszenierung vor ihrem Ablaufdatum entsorgt wird. Der Tannhäuser von Sebastian Baumgarten fiel beim Publikum und in der Presse – exemplarisch auch hier im Opernnetz – durch. Für das Jahr 2015 wurde die Wiederaufnahme abgesetzt. Da kann das Team um Sebastian Baumgarten dankbar sein, dass das Label Opus Arte seine Arbeit sozusagen im letzten Augenblick, nämlich 2014, aufgezeichnet hat und nun für die Nachwelt konserviert hat.

Und auf DVD gibt es einige Überraschungen. Die Nähe der Kamera fängt das ein, was live auf der völlig überfrachteten Bühne verloren geht. Gerade im Sängerwettstreit des zweiten Aktes spielen sich die Darsteller die Seele aus dem Leib. Baumgarten hat eine wirklich lebendige Personenführung entwickelt. Wie Tannhäuser die anderen Minnesänger verspottet, wie er von einer der Brücken Wasser auf den singenden Walther herab gießt, das ist schon sehenswert. Der Chor wackelt beim Biterolf wie begeisterte Gartenzwerge hin und her, langweilt sich bei Wolframs Vortrag und verfällt in Sinnlichkeiten bei Tannhäusers Verständnis von Liebe.

Natürlich hat sich Baumgarten bei seinem Tannhäuser etwas gedacht und ein komplettes System entworfen. Doch es ist ein Gedankenkonstrukt, das nahezu ungefiltert das selbst auf der Bühne sitzende Publikum überrollt. Die Handlung wird auch in den Pausen komplett durchgespielt, was man dank einer Einstellung beim Starten des Programms entweder sich anschauen oder überspringen kann. Joep van Lieshouts gewaltige Bühneninstallation ist eine beeindruckende Kulisse, doch ist sie so vollgestopft und weiträumig bespielbar, dass selbst die zahlreichen Kameras an ihre Grenzen stoßen. Dazu kommen die mehr oder weniger gefälligen Videos von Christopher Kondek und die Mut zur Hässlichkeit beweisenden Kostüme von Nina von Mechow, damit das Chaos perfekt wird. Und die über die Bühne schunkelnden Latex-Spermien gehören auch auf DVD in die Kategorie: unfreiwillig komisch. Hier wäre auch ein Superlativ denkbar.

Vermutlich ist die Veröffentlichung eh der musikalischen Umsetzung geschuldet beziehungsweise zu verdanken. Axel Kober, GMD in Düsseldorf und letztes Jahr Debütant auf dem Grünen Hügel, hat von Christian Thielemann die musikalische Leitung übernommen. Er lässt das wie immer sehr gut aufspielende Orchester der Festspiele nicht so im Klang schwelgen, sondern setzt es etwas dramatischer und forscher ein. Wenn ein Chor seit jeher auf hohem Niveau singt, dann der der Festspiele, und das ist auch in dieser Aufnahme der Fall. Eberhard Friederich hat einen wunderbaren Klangkörper zur Verfügung. Das Ensemble ist durchweg Wagner-versiert: Angefangen bei Katja Stubers lebhaftem Hirten bis hin zum beeindruckenden Titelhelden, der von Thorsten Kerl farbenreich und kräftig gesungen wird. Dazwischen finden sich Kwangchul Youn als Landgraf und Michelle Breedt als Venus – beide absolut zufriedenstellend. Lothar Odinius hört man immer gerne zu – auch in der kleinen Rolle des Walther. Markus Eiche setzt als Wolfram mit seinen virilen Bariton einen bewussten Kontrast zur szenischen Deutung als Verlierer. Camilla Nylund übersingt mit ihrem schön schillernden Sopran manch szenische Peinlichkeit, die ihr zugemutet wird.

Vorbildlich wie Opus Arte die Gelegenheit nutzt und zeigt, wie man Opern-DVDs heute ausstatten kann. Mit einem sehr guten Ton wird die musikalische Seite präsentiert. Das glasklare Bild wird auch durch die teils sehr schnellen Bildschnitte, die für Baumgartens Inszenierung notwendig sind, nicht getrübt. Mit Interviews und kleinen Filmen wird die gesamte Produktion sehr schön in Szene gesetzt. Diese vielen, kleinen Extras vermitteln dem Zuschauer viel von der musikalischen Welt von Bayreuth und Wagner. Die DVD hat sich einen ebenso enthusiastischen Applaus verdient wie die Künstler in Bayreuth, die vom Publikum herzlichst gefeiert werden. Den Ruf der Inszenierung wird die DVD aber kaum rehabilitieren können.

Christoph Broermann

 

Fotos:
Bayreuther Festspiele/Enrico Nawrath