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 DVD-Besprechung

Dove è amore è gelosia

26.12.2013

 

 

Points of Honor                      

Musik

Gesang

Regie

Bühne

Publikum

Kamera

Ton

Chat-Faktor


Cover

 

 

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Von trivialem Geschmack und barocker Sinnenlust

Böhmisch Krumau oder heute Český Krumlov liegt an beiden Ufern der Moldau an einer Flussschleife. Rund 12.000 Menschen leben in dem tschechischen Barockstädtchen, das 1992 in die Liste des UNESCO-Welterbes aufgenommen wurde. Darüber erhebt sich das Schloss derer zu Schwarzenberg, seit 1948 in staatlichem Besitz, mit einem einzigartigen Barocktheater. Einzigartig deshalb, weil hier, anders als etwa im vergleichbaren Drottningholm-Theater, die komplette historische Bühnenmaschinerie erhalten und instandgesetzt ist.

Eine hervorragende Dokumentation über dieses Theater hat Opus Arte auf DVD veröffentlicht. Leider ist sie nur auf Englisch zu erleben, aber allein einen Blick hinter die Kulissen dieses pittoresken Schmuckstückes zu werfen, ist schon ein Vergnügen.

Mit diesem Wissen vorbereitet, macht es erst richtig Spaß, sich anschließend die Oper Dove è amore è gelosia von Giuseppe Scarlatti anzuschauen. Die ist ebenfalls auf der DVD zu finden und mit Untertiteln versehen. Die Aufnahme ist zwei Jahre alt. Die Oper selbst stammt aus dem Jahr 1768 und wurde von Scarlatti anlässlich der bevorstehenden Hochzeitsfeierlichkeiten des Sohnes von Prinz Joseph Adam zu Schwarzenberg komponiert. Scarlatti, vermutlich ein Neffe des Domenico Scarlatti, war zu der Zeit der Musiklehrer der Familie. Insgesamt schrieb er mehr als 30 Opern, von denen etwa ein Drittel dem Buffa-Genre zuzurechnen ist. „Sie kennen doch meinen trivialen Geschmack […]. Mich interessieren nur die komischen Opern, wobei ich da die italienische Opera buffa am liebsten mag“, schrieb der Prinz einer Freundin zu diesem Werk. Librettist Marco Coltellini hielt sich an die Vorgaben: Der Stoff ist reichlich trivial. Es geht um Liebe und Eifersucht, um Irrungen und Wirrungen und selbstverständlich endet das Stück versöhnlich. Eine Botschaft gibt es auch. Ein bisschen Eifersucht schadet nicht, nur übertreiben sollte man es nicht.

Der eigentliche Reiz der damit so typischen Barock-Oper liegt in der Aufführung selbst und natürlich auf der Bühne. Regisseur Ondřej Havelka hat sich vollständig darauf konzentriert, eine Aufführung zu inszenieren, die der Uraufführung vom 24. Juli 1768 so nahe wie möglich kommt. Helena Kazárová hat mit den Darstellern eigens die für das Barock typische Schauspielweise eingeübt, die diese in Perfektion beherrschen. Selbstverständlich hat Jana Zbořilová sämtliche Aktivisten in Barock-Kostüme gesteckt. Auch die wenigen Möbelstücke, eine Chaiselongue, ein paar Sessel, Stühle, Tische, entstammen dieser Zeit. Stilecht ist auch die Beleuchtung: Kandelaber für die Bühne, Kerzenhalter im Graben. Lediglich ein wenig Kunstlicht von den Seiten ist erforderlich, um die Aufzeichnung nicht „absaufen“ zu lassen. So aber erstrahlen die wunderbaren Prospekte, die im fliegenden Wechsel von Szene zu Szene geändert werden können, in ihrem Glanz und vermitteln eine großartige Tiefenwirkung. Havelka gebührt größtes Lob. Jede andere Form der Inszenierung wäre sicher ein Verbrechen gegen diese fantastisch-historische Bühne gewesen. Auch in der Personenführung erweist sich der Regisseur als Meister seines Fachs.

So etwas gelingt nur, wenn das Ensemble sich entsprechend engagiert zeigt. Das ist hier uneingeschränkt der Fall. Begünstigend kommt hinzu, dass die stimmlichen Anforderungen sich fast durchgängig in Grenzen halten. So gelingt allen Sängerinnen und Sängern, die sich zudem überwiegend mit Rezitativen beschäftigen, ein sauberes, überaus klar verständliches Italienisch. Das bereitet Freude. Während der Ouvertüre werden die Sängerdarsteller ohne Maske gezeigt, und es darf festgestellt werden, dass insbesondere die außerordentlich attraktiven Damen froh sein dürfen, nicht im Barock leben zu müssen. Marquise Clarice wird von Lenka Máčiková dargestellt. Die verwitwete Edelfrau fürchtet sich vor übertriebener Eifersucht und ist hin- und hergerissen zwischen den Vor- und Nachteilen der Gegenwart eines Mannes in ihrem Leben. Mühelos zeichnet ihr heller Sopran den Konflikt nach. In der Koloratur bleibt sie verhalten, da es davon aber nur eine gibt, fällt das nicht weiter auf. Leichterdings wehrt sie das Werben des Grafen Orazio die längste Zeit ab, ehe sie erkennen muss, dass die Vorteile einer Beziehung überwiegen. Darum muss Orazio kämpfen. Aleš Briscein erledigt das mit Bravour und der komödiantischen Haltung jener Zeit, ohne zu sehr in Übertreibung zu verfallen. Ihm zur Seite steht Jaroslav Březina als Patrizio, Vertrauter und Diener. Ihm obliegen eigentlich die größten Anstrengungen, wenn er, als Frau verkleidet, seinen Tenor ins Falsett heben muss und ihm das auch wirklich gut und nahezu durchgängig gelingt. Sein Interesse gilt, erwartungsgemäß, Clarices Dienerin Vespetta, die Kateřina Knĕžiková mit silberhellem Sopran und eindrucksvoller Darstellung spiegelt. Sie lässt aufhorchen und -merken. Diesen Namen möchte man auf deutschen Besetzungszetteln finden. Der Vollständigkeit halber muss auch Taťána Kupcová erwähnt werden, weil sie in ihrer Statistenrolle so viel Fröhlichkeit verbreitet. Allen gemein ist eine Spielfreude, die von barocker Bewegungsfreude erfüllt ist und so aus dem Singspiel ein Lustspiel im besten Sinne des Wortes entstehen lässt. Ja, so muss es damals gewesen sein, möchte man den Solisten zurufen und sich freuen an der wohleinstudierten Leichtigkeit.

Leicht und locker klingt auch das Schwarzenberg Hoforchester unter Leitung von Vojtĕch Spurný. Dem Klang nach zu urteilen, spielen die Musiker auf Originalinstrumenten jener Zeit – und das braucht man eigentlich nicht mehr. Hier könnte man sich mehr Brillanz wünschen. Aber wenn schon Original, dann auch hier.

Jan Kotzmann lässt den Ton für die Aufzeichnung perfekt einfangen. Auch Jan Malíř schafft überzeugend schöne Bilder. Seine Idee, in Zwischenschnitten Bühnenmeister Bohumil Klepl zu zeigen, der dirigentengleich die Bühnenbilder entstehen lässt, verschafft der Aufzeichnung zusätzlichen Reiz. Der Blick auf das Publikum, das am Ende überraschend artig applaudiert, rundet die Aufzeichnung ab.

Dass die Ausstattung der DVD den Minimalstandard hinsichtlich Plastikhülle und Begleitheft nicht überschreitet, ist eigentlich schade und wird dem Gesamtkunstwerk nicht gerecht. Doch sollte dieser Wermutstropfen nicht von der Begeisterung für das insgesamt gelungene Kunstwerk ablenken. Vielleicht ist es dem Wagnerianer zu leichte Kost, für den Verdi-Fan fehlt die Größe – aber eine Reise nach Český Krumlov möchte man nach diesem Erlebnis schon mal einplanen. Und wer in das Erlebnis Oper einsteigen will, hat hier einen exzellenten Zugang.

Michael S. Zerban

Fotos: Arthaus