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DVD-Besprechung

Teatro alla Scala - The Opera Classics

14.7.2013


Points of Honor                      

Musik

Gesang

Regie

Bühne

Publikum

Kamera
Ton

Chat-Faktor


Cover





 

 

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Sängerfest aus Mailand

Kaufe drei DVDs und bezahle nur den Preis von anderthalb. So in etwa könnte der Slogan für die diversen DVD-Boxen aussehen, die derzeit auf den Markt gelangen. Bei entsprechender Zusammenstellung fallen dem Sammler hier einige interessante Dokumente in die die Hände. Doch ob wirklich immer alle DVDs sehenswert sind, ist eine andere Frage. Die bei Arthaus erschienene Box von der Mailänder Scala ist so ein Fall. Ausgewählt wurden dafür Le nozze di figaro von 2006, Maria Stuarda von 2008 und Simon Boccanegra aus dem Jahr 2010. Keine der vorliegenden DVDs ist schlecht, doch hat man sicher spezielle Gründe, eine einzelne gezielt zu kaufen und in den meisten Fällen ist die Besetzung ausschlaggebend.

Bei Simon Boccanegra dürften die Fans von Placido Domingo und Anja Harteros aufmerken. Die Regie von Federico Tiezzi wird dagegen kaum jemanden vom Hocker reisen. Pier Paolo Bisleri stellt ihm immerhin ein recht ansehnliches Bühnenbild zur Verfügung, das meistens im dunklen Ton für düsterte Stimmung sorgt. Die Chorauftritte laufen recht brav und konstruiert ab. Ganz klassisch ordentlich, aber auch nicht aufregend ist die Personenführung. Die Sänger und ihre Stimmen stehen zu Recht im Mittelpunkt. Wie üblich kann man über den Einsatz von Domingo in einer Bariton-Rolle lange diskutieren, doch zweifelsohne wartet der Tenor mit einer eindrücklichen Interpretation auf. Stimmlich natürlich nicht taufrisch, sondern eher charakterstark aufgestellt, braucht sich Domingo nicht vor einem „echten“ Bariton verstecken. Die großen Auseinandersetzungen mit Jacopo Fiesco sind auch dank Ferruccio Furlanetto große Momente der Oper, wenngleich der Bass in jüngerer Zeit schon bessere Abende hatte. Ohne Zweifel ist aber Anja Harteros das Highlight der Aufnahme. Ihre Amelia Grimaldi bezaubert durch silbrigen, kultivierten Gesang und einer wahrlich Verdi-würdigen Gestaltung. Abgerundet wird die vokale Seite durch die soliden Leistungen von Fabio Sartori als Gabriele Adorno und Massimo Cavallettis Paolo Albiani. Daniel Barenboim begleitet die Sänger mit dem guten Orchester der Scala sehr aufmerksam, verschenkt aber einige Möglichkeiten, dem Werk größeres Profil zu verleihen.

Auch Donizettis Maria Stuarda kann man sicherlich noch etwas spannender und ausführlicher inszenieren, als das Pier Luigi Pizzi an der Scala vollführt hat. Dennoch kann man sich die Aufführung sehr schön auf DVD anschauen, weil Pizzi auch Kostüme und Bühnenbild entworfen hat. Der bühnenbeherrschende, mit mehreren Ebenen ausgestatte Gitterkäfig steht für die Gefangenschaft der im Exil lebenden Maria Stuart und kann mit geschickter Beleuchtung auch andere Räume darstellen. Der Garten des zweiten Aktes verschwindet als romantisches Traumbild der Stuart wieder in der Bühnentiefe, um erneut der kalten Wirklichkeit Platz zu machen, in der keiner der Protagonisten so recht aus seiner Haut raus kann. Erwartungsgemäß bleiben die Herren in dieser Oper etwas hinter den Damen zurück. Simone Alberghini und Piero Terranova wissen als Talbot und Cecil zu gefallen. Noch etwas besser verkauft sich Francesco Meli mit beweglichem Tenor als Leicester. Die große Gesangskunst der Mariella Devia steht mit der Maria Stuart natürlich im Mittelpunkt der Belcanto-Musik. Die Devia leistet sich nur wenige Momente der Schwäche und überzeugt ansonsten mit einer tadellosen Leistung, die würdig ist für die Scala. Mit Anna Caterina Antonacci als Elisabetta hat sie einen harten Gegenpol, der die spannende Rivalität der beiden Königinnen greifbar macht. An der Antonacci macht sich auch das teils überkritische Publikum der Scala bemerkbar, das die Mezzo-Sopranistin mit einigen Buhs zu Unrecht abstraft. Das Orchester der Scala ist auch hier ein gut disponierter Klangkörper, doch Antonio Fogliani hat den Musikern wohl nicht viel zugetraut. Der Dirigent setzt mehr auf routinierte Untermalung und vergisst darüber hinaus die Möglichkeiten der Differenzierung, die Donizettis Komposition bereithält.

Giorgio Strehlers vielgepriesene Figaro-Inszenierung ist mit ihrer liebevollen und nie überfrachteten Ausstattung von Ezio Frigerio und Franca Squarciapino sicherlich ein Prunkstück des Scala-Repertoires. Doch in der szenischen Restauration von Marina Bianchi wirkt Strehlers ganz traditionelle, aber punktgenaue Personenführung doch behäbig. Dennoch ist dieser Figaro wegen seiner Werktreue immer noch sehenswert und erfreulich. Die DVD hat zudem sehr starke Persönlichkeiten zu bieten. Allen voran spielt und singt sich Diana Damrau als Susanna in die Herzen des Publikums. Die Damrau demonstriert, wie man Mozart lebendig zwischen Spielfreude und der Stilgenauigkeit einer Musik auslotet, die – wenn richtig dargeboten – ohne überflüssige Mätzchen auskommt. Ihre wunderschöne Stimme harmonisiert bestens mit dem großartigen, punktgenauen Figaro von Ildebrando D’Arcangelo, einem der besten Rollenvertreter dieser Tage. Pietro Spagnoli ist ein Graf fern aller peinlichen Übertreibungen, sondern singt und spielt die Rolle mit adeliger Würde und dem Wohlklang seines Baritons. Von Marcella Orsatti Talamanca Gräfin kann man dank ihrer angenehmen Stimme auch nur Positives berichten. Jeanette Fischer als fast überqualifizierte Marcellina führt die guten Comprimari an. Mehr musikalischen Tiefgang hätte man sich von Gérard Korsten gewünscht, der hörbar auf schönen Streicherklang setzt und weniger auf Akzente, so dass die Musik auf Dauer fast etwas eintönig wirkt.

Zwei Eigenschaften haben die drei DVDs gemeinsam: Zum einen ist der Ton bei allen Aufnahmen zufriedenstellend eingefangen. Zum anderen ist aber die Kameraführung nicht frei von Störungen. Da gibt es Unschärfen und Wackler, die den optischen Genuss doch deutlich trüben. Auch mit Extras kann sich die Box nicht großartig rühmen. Lediglich bei Maria Stuarda findet sich eine sehenswerte Reportage, die witzigerweise sogar ein paar Take-Outs am Ende bereithält. Um einen Fehlkauf muss man sich also bei dieser DVD-Box keine Sorgen machen. Dafür sorgen auf jeden Fall die guten Besetzungen.

Christoph Broermann

Fotos: Arthaus