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 DVD-Besprechung

Salome

19.11.2014

 

 

Points of Honor                      

Musik

Gesang

Regie

Bühne

Publikum

Kamera

Ton

Chat-Faktor


Cover

 

 

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Zwischen Lüsternheit und Ekel

Wie ein Brennglas vergrößert eine überdimensionale Lupe den Tanz und die Nacktheit der Salome, aber auch den Voyeurismus der gaffenden Menge: Regisseur Gabriele Lavia und sein Bühnenbildner Alessandro Camera haben sich einiges einfallen lassen, um bei der Salome von Richard Strauss im Teatro Comunale di Bologna 2010, eine Koproduktion mit dem Teatro Verdi Trieste, wo man 2011 diese Produktion gesehen hat und die jetzt als DVD bei Arthaus herausgebracht wurde, packende, mächtige, teils statische Bilder entstehen zu lassen: Dominant steht ein riesiger Vollmond am Himmel, der sich passend blutrot färbt und nach der Hinrichtung verfinstert. Johanaan wird von oben mit langen Ketten und Handschellen aus der Zisterne hochgezogen und nach seiner Enthauptung mit den Beinen verkehrt, aufgehängt. Gleichzeitig presst sich ein überdimensionaler marmorner Kopf durch den rot geäderten, mit vielen, sich immer mehr vergrößernden Rissen, plateauartigen Bühnenboden: Plakativ aber doch eindrucksvoll! Auf diesem Kopf räkelt sich dann Salome lasziv bei ihrem Schlussgesang. Nach den schmucken Uniformen, in denen der ordenbehängte Herodes und seine Soldaten auftreten, aber auch den Herren mit ihren eleganten Fräcken zu urteilen, die Kostüme stammen von Andrea Viotti, wird die Geschichte offenbar zur Zeit der Entstehung der Oper, Anfang des 20. Jahrhunderts, angesiedelt.

„Sie ist ein Ungeheuer, deine Tochter. Ich sage dir, sie ist ein Ungeheuer.“ Wortdeutlichst und messerscharf lässt uns jedes Wort erschauern! Zudem weiß Robert Brubaker in Galauniform und Krone jede sängerische Phrase ideal zu gestalten. Hin- und hergerissen zwischen Geilheit, Eidestreue und Ekel kann er auch gestalterisch faszinieren. Eigentlich müsste die Oper von Richard Strauss diesmal fast Herodes heißen: Denn mit welcher Präsenz der amerikanische Tenor, der weltweit an allen großen Opernhäusern singt, hier in Bologna dieser biblischen Figur Profil gibt, ist große Klasse!

Aber auch Erika Sunnegardh weiß als trotzige, weinende, wütende, aufstampfende Kindsfrau, die zwischen naiver Unbekümmertheit, sexueller Obsession und Grausamkeit pendelt, der es allerdings etwas an erotischer Ausstrahlung mangelt, zu faszinieren. Sie spielt und singt die Titelheldin mit enormer Expressivität, wenn auch ihr Sopran nicht der kraftvollste ist. Enorm stimmkräftig und eindrucksvoll erweist sich hingegen Mark S. Doss als Johanaan. Er trägt die wilden Züge eines religiösen Fanatikers. Dalia Schaechter ist eine durchaus dominante Herodias. Mark Milhofer singt einen ausgesprochen schönstimmigen Narraboth. Die vielen kleinen Rollen sind überwiegend gut besetzt.

Nicola Luisotti am Pult des Orchesters des Teatro Comunale di Bologna lässt immer wieder wild ausfahrende Spannungsmomente aus dem Graben auffahren, bleibt aber dabei stets sängerfreundlich und durchhörbar. Auch Feinheiten werden sensibel herausgearbeitet.

Das Booklet liefert dreisprachig umfangreiche Hintergrundinformationen über das Werk und den Komponisten, leider nichts über die Künstler. Die Kameras, die von Andrea Bevilacqua dirigiert werden, liefern aufregende Nahaufnahmen und sind immer am Brennpunkt des Geschehens. Meist aber nicht immer ideal ist der Ton, der fallweise scharfe Momente zulässt.

Helmut Christian Mayer

Fotos: Bepi Caroli