Fundus    Kommentar    Backstage     Medien     Medientipps     Kontakt     Impressum    Wir über uns  
   Dossier    Kleinanzeigen     Links     Facebook     Partner von DuMont Reiseverlag  
     

 DVD-Besprechung

Roméos et Juliettes

5.1.2015

 

 

Points of Honor                      

Musik

Tanz

Choreografie

Bühne

Publikum

Kamera

Ton

Chat-Faktor


Cover

 

 

zurück       Leserbrief

Romeo und Julia in Turnschuhen

Die Hip-Hop-Bewegung hat ihren Ursprung auf den Straßen der USA der 1970-er Jahre. Afroamerikanische Jugendliche prägten zu Beginn diese Straßenkultur, die sich im Grunde aus vier Elementen zusammensetzt: Rap, einem Sprechgesang; DJs, die Musik auflegen und mixen; Graffiti-Malerei und dem Tanz.

Der Hip-Hop-Tanz hat dabei eine spannende Weiterentwicklung erfahren, die nicht zuletzt in der Ausprägung verschiedener Stile kulminiert: Breakdance, Popping, Locking, Voguing und Electric Boogie gehören unter anderem dazu. Konnten die Jugendlichen von damals mit diesem Tanz auf den Straßen Aggressivität kanalisieren, wird von heutigen Tänzern eine athletische Disziplin erwartet, die professionellem Tanz gleichzustellen ist. Trotzdem kommt es immer wieder vor, dass man in Konversationen aufschnappt, der Hip Hop sei als Bühnenkunst ungeeignet. Die starke Betonung der Showelemente würde es unmöglich machen, einen Handlungsfaden einzuflechten.

Ein gutes Beispiel, dass diese Argumentation entkräften dürfte, ist nun bei Arthaus erschienen: Roméos & Juliettes erzählt mit der Tanzsprache des Hip Hop die bekannte Geschichte zweier Liebender, die nur der Tod einen kann, neu. Der französische Choreograph Sébastien Lefrançois befreit die Geschichte von Nebenhandlungen und nutzt für seine Version der Tragödie einen einfachen Erzählstrang. Den vielen vorausgegangenen Interpretationen des Stoffes zollt er Respekt, indem er sein Stück im Plural benennt. Die Details und Wirrungen um die verfeindeten Familien Montague und Capulet werden nur angerissen. Diese abgespeckte Version ermöglicht den insgesamt neun Tänzern einen straffen Handlungsbogen zu flechten. Das merkt man auch der knackigen Dramaturgie von Magalie Léris an: Die Geschichte ist jedem geläufig, da reichen Andeutungen aus, um die Handlung voran zu treiben. Die Bühne von Giulio Lichtner ist dunkel, und graue Plattenwände werden von den Tänzern in verschiedene Bühnenbilder verwandelt. Die berühmte Balkonszene ist genauso zu erkennen wie das Grab der Liebenden oder der Dorfplatz. Die musikalische Neukomposition von Laurent Couson wird ergänzt mit Elektrosounds von Vincent Artaud. Manches Mal fühlt man sich dabei an Prokofjews Ballett erinnert. Die Gruppenszenen versprühen Partystimmung. Auch die Kostüme von Mario Faundez erinnern an längst vergangene Zeiten. Gleichzeitig sind die Materialien, Farben und Schnitte so zeitgenössisch, dass sie allesamt zerschnittene Modelabels sein könnten. Natürlich tragen alle Tänzer Turnschuhe der bekannten Fabrikate.

Jann Gallois in der Rolle der Juliette entspricht nicht der typisch Besetzung der Rolle: Sie trägt einen keck mit Gel gen Himmel gestrichenen weißblonden Kurzhaarschnitt. Gallois wirkt wenig zart und zerbrechlich, sondern eher lebensfroh-selbstbewusst. Das spiegelt sich auch in ihrem Bewegungsvokabular wieder: Ihr Gang ist breit und fest, die Bewegungen klar und manches Mal flapsig. Ihr Partner Roméo, getanzt von Giovanni Léocadie, entfaltet hingegen mehr den feinen Charakter des Liebenden, droht in der Videofassung aber zu verblassen. Das durchweg starke Ensemble um das Liebespaar trägt die Geschichte zuverlässig und mit höflicher Zurückhaltung. Für jeden Tänzer ist ein kleines oder größeres Solo in die Geschichte eingebaut worden. Eine gelungene Abwechslung, die dem Ursprung dieser Bewegungssprache gerecht wird.

Wie so häufig bei Bühnenmitschnitten krankt auch diese Produktion an den typischen Unzulänglichkeiten: Das Bühnenlicht ist nicht ausreichend für das Fernsehbild, die Perspektiven sind wenig spannend gewählt und die Regie begrenzt den Tanzenden gerne mal auf seinen Oberkörper. Wobei diese Produktion nicht der Sucht anheimgefallen ist, Details heranzuzoomen. Die obligatorische Spitzenschuh-Nahaufnahme ist in dieser frischen Version von Roméos & Juliettes eh nicht zu finden.

Jasmina Schebesta

Fotos: Arthaus